Nnlerhalwngsblatt des Horwärls Nr. 87. Dienstag, den 3. Mai. 1904 (Nachdruck verboten.) 641 eftbcr Maters. Noman von George Moore . >,Wir werden uns sehr freuen, Sie bei uns zu sehen," riefen die Heilsarmee -Mädchen und verteilten nach allen Seiten hin Zettel, die aussahen wie Wettzettel, auf denen aber zu lesen war: Allen, die hier zu uns herkommen, ist das Paradies igewis;. Hier wettet man nur auf das Seelenheit und auf das unendliche ewige Glück." Fred wiederholte seine Bitte an Esther: Ich hoffe, wenn Sie wieder hierherkommen, werden Sie mit uns kommen: stehen Sie uns bei in unserm Versuch, einige verlorene Schafe wieder zur Herde zurückzubringen." Wie kann ich das thun, während mein Mann da drüben steht und die Leute zum Wetten auffordert?" fragte sie. Sie schwiegen beide, etwas peinlich berührt; dann sagte er: Wollen Sie denn nicht hereinkommen? Es wird eben der Gottesdienst abgehalten!" Esther folgte ihm. In: Innern des Zelts befanden sich einige rohe, unbehobelte Bänke, und auf einem kleinen Podium stand ein graubärtiger Mann mit hagerem Antlitz und sprach viel von den Sündern, die bereuten, und ihrer Erlösung. Dann spielte jemand auf einem Harmonium einen Psalm, und Esther, die neben Fred stand, fang mit ihm zusammen aus dem gleichen Buch. Fred folgte ihr hinaus, als sie endlich wieder ging. Sie sind hoffentlich noch immer religiös gesinnt?" Selbstverständlich: ich könnte ja gar nicht anders sein." Warum finde ich Sie aber heute hier in solcher Gesell- schaft? Sie kommen doch nicht hierher wie wir, um Sünder zu bekehren!"' Ich habe wohl stets Gott im Herzen, aber auch die Pflicht gegen meinen Mann: wenn ich das Gleiche hier thäte, was ihr thut, so wiirde es aussehen, als wollte ich mich dem Geschäft meines Mannes widersetzen: und dazu habe ich kein Zkcht. Ich habe immer gehört, daß eine Frau, die nicht einig mit ihrem Manne lebt, keine gute Frau sein kann." Sie haben doch eigentlich immer mehr an Ihren Mann gedacht, als an Jesus Christus ." Ein jeder von uns folgt Christus' Beispiel, so gut er kann. Aber es wäre unrecht von mir, meinem Manne zu opponieren." Also er hat Sie wirklich geheiratet?" sagte Fred etwas bitter. Ja. Sie glaubten, er würde mich ein zweites Mal ver- lassen: aber nein, er ist der beste der Männer zu mir." Ich traue nicht denen, die nicht in den Wegen des Beilandes wandeln. Seine Liebe fiir Sie ist keine rein geistige. Von ihm wollen wir lieber nicht sprechen: ich aber habe Sie sehr geliebt, Esther. Ich hatte Sie in die Wege des Heilandes geführt: aber vielleicht werden Sie doch noch einmal zu uns kommen." Ich werde den Heiland niemals vergessen. Er ist immer bei mir, und ich glaube Ihnen auch, daß Sie mich gern gehabt haben. Sie wissen ja mich, wie leid es mir damals that, mit Ihnen brechen zu müssen, aber es war doch nicht meine Schuld." <Ich habe Sie geliebt, Esther." Sie müssen so etwas jetzt nicht mehr zu mir sagen: ich bin eine verheiratete Frau!" Ich meine ja nichts Böses, Esther: ich musste nur eben an die Vergangenheit denken." Die müssen Sie eben vergessen. Adieu! Ich freue mich sehr, daß ich Sie gesehen habe." Fred erwiderte hierauf nichts, und Esther ging lang- samen Schrittes weiter und sah sich dabei überall suchend nach Sarah um. - XXXIII. Die Menge schrie und brüllte. Ihre Blicke folgten denen der andern, aber sie sah überall nur den brennenden blauen Himmel, von dem sich das weiße Zelt des großen Standes scharf markiert abhob. Dieses war so gedrängt voll, wie das Deck eines sinkenden Schiffes, und' Esther wunderte sich über die fabelhafte Aufregung, deren Grund ihr unbekannt war. Sie ging noch ein Ende weiter, rings um die angestaute Menge herum, bis sie zu einem freieren Stück Land kam, auf welchem Maulesel und Pferde grasten. Von hier aus ging sie nun wieder den Hügel hinauf und kam von neuem in die Menge hinein, wo sie zunächst eine Schaukelbahn bemerkte. Diese war angefüllt mit lachenden, schreienden Mädchen, und in ihrem lächerlichen Hinauf- und Hinabfahren wurde sie von der Musik eines kleinen Orchestrions begleitet. Glocken und Trommeln, Pfeifen und Triangeln und Zimbeln, alles zu­sammen erzeugte eine ohrenzerreißende Musik, und eine Puppe, als Soldat angezogen, schlug den Takt dazu. Einige Schritte weiter befand sich ein Karussell. Die Pferdchen waren so gut eingehängt, bewegten sich so hübsch auf und nieder, daß sie die Bewegungen wirklicher Pferde ausgezeichnet nachahmten. Esther sah eine Weile dem Reiten zu: ein Mädchen auf einem Pferde trug einen blanen Rock, der fast aussah wie ein Reit- kleid, und ein andres Mädchen in lachsfarbenem Kleide lehnte sich so im Sattel zurück, als hätte sie wirklich reiten gelernt. Ein andres Mädchen in grauem Jackett hielt ein zweites in Weiß fest, weil dieses Angst vor dem Herunterfallen zu haben schien. Einen Augenblick schien es Esther, als sähe sie auf dem einen Pferde die roten Mohnblumen Sarahs neben einem jungen Mann. Aber bevor sie dessen noch sicher war, war sie ihrem Gesichtskreise entschwunden, und sie mußte warten, bis das Pferd zum zweitenmal herumgekommen war. Das Drehen des Karussells ließ jetzt an Geschwindigkeit nach: es wurde langsamer und langsamer, und endlich blieben die Pferdchen völlig stehen. Die Reiter stiegen herab, und Esther drängte sich eilig durch die Menge hindurch, um ihre Freundin zu er- reichen. Ah, da sind Sie ja!" rief Sarah.Ich dachte schon, wir hätten einander ganz verloren. Wie furchtbar heiß es ist!" Wir wollen noch einmal reiten, alle drei, auf diesen drei Pferden," sagte Esther, und sie stiegen auf. Herum und herum und herum ging es. Und ihre Pferd'- chen schaukelten sich auf und nieder im Takte zu der ohren - zerreißenden Musik der Pfeifen, Trommeln und Zimbeln. Fünfmal mußten sie am Ziele vorbei. Das Pferd, das dann dem Ziel am nächsten stehen blieb, hatte den Preis ge- Wonnen. Von dem Rennplatze her drang verworrenes Geschrei an ihre Ohren. Wie die Wellen des Meeres wogten die Schreie auf und nieder, bis daß sie endlich einzelne Worte verstehen konnten. Da kommen sie! Blau gewinnt! Der Favorit ist ge- schlagen!" So tönte es fort und fort. Esther achtete wenig auf diese Rufe, sie verstand sie nicht, und sie drangen auch nur undeutlich an ihr Ohr, und verschwanden dann bald wieder unter dem Lärmen der Musik. Jetzt war ihre fünfte Tour beinahe zu Ende. Langsamer und langsamer bewegten sich die Pfcrdchen vorwärts. Sarah und der junge Mann, die hintereinander ritten, schienen fast schon zu gewinnen. Im letzten Augenblick aber glitten sie am Ziele vorüber, und Esthers Pferd blieb gerade rechtzeitig stehen: man sagte ihr nun, sie solle sich aus einem großen Haufen von Porzellansachen einen Kaffeetopf als Preis aus- wählen. Sie haben heute ein kolossales Glück!" sagte der zunge Mann,Hay-Field, auf den den ganzen Winter über gewettet worden ist, ist vor einem Monat krank geworden. Zwei zu eins gegen Fly-Leaf: vier zu eins gegen Signet-Ring: vier zu eins gegen Dewberry: zehn zu eins gegen Vanguard�l fünfzig zu eins gegen den Gewinner. Ihr Mann muß heute ein kleines Vermögen gemacht haben: so ein Tag ist für die Buchmacher schon lange nicht dagewesen." Esther sagte, sie freue sich sehr darüber, und war lange, unentschlossen, welchen Kaffeetopf sie wählen sollte. Endlich sah sie einen, auf dem mit goldenen BuchstabenJack" stand. Sie wählte ihn, und nun gingen sie noch in einige Zelte hinein. in denen es Sehenswürdigkeiten gab. Da ward plötzlich die Luft zerrissen von dem vieltönigen Geschrei: Da kommen sie! Da kommen siel"