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raschen Schrittes den Strand entlang, und die Riesenstadt sah| Da geschehen Dinge, die bei andrer Gelegenheit dem Staatsantvalt jetzt in der nächtlichen Beleuchtung hart und steinern aus wie zu thun gäben; doch am vierten Kirmestage löst sich alles in ein ein Gefängnis Sie setzte sich auf dem Sockel einer Säule fröhliches und gesundes Gelächter auf. So haben die jungen Burschen nieder und blickte hinüber nach dem Droschkenstand. Die bor zwei Jahren dem Pfarrer den Braten aus dem Essig gestohlen Pferde fraßen aus ihren Säcken, und viele, viele Tauben Fistelſtimme den Truthahn nennen, einen leibhaftigen Hahn ins und voriges Jahr dem Schlangenhof- Anton, den sie wegen, feiner flogen herab und pidten auf, was die Pferde fallen ließen. Nachttischchen gesperrt. Sie trug ein altes, abgeschabtes, schwarzes Kleid. Ihre Hände lagen schlaff in ihrem Schoß- so bot sie ein so deutliches Bild des Elends und der Verzweiflung dar, daß ein junger Mann im Gesellschaftsanzuge, der ihr im Vorübergehen einen scharfen Blick zugeworfen hatte, noch einmal zurückkam und sie fragte, ob er ihr nicht irgendwie helfen könne.

,, Nein, danke, mein Herr," antwortete sie.

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Meerheim liegt nahe bei der Grenze, und ein Waldweg führt in zwei Stunden nach Oudemonde im Belgischen . Es ist nun eine alte Gewohnheit, daß die Jungen in Meerheim ein Mädchen aus Oude­monde nehmen und die Mädchen aus Meerheim ihren Schatz in Oudemonde zu fizen haben. Somit herrscht ein lebhafter Verkehr zwischen den beiden Dörfern, und nicht nur Briefe werden da aus­getauscht, sondern auch fleine Geschenke und Gaben, wie sie Ver­ebenso alten Gewohnheit nicht durch die Post besorgt, sondern von liebte für einander übrig haben. Diese Sendungen werden nach einer dem Boten, der gewöhnlich zweimal an bestimmten Lagen hin und her fährt.

Da ließ er einen Schilling in ihre Hand gleiten. Sie fühlte sich zu matt und elend, um ihm auch nur einen Blick des Danfes zuwerfen zu können, und er ging fort, darüber nachdenkend, was ihr wohl fehlen möchte. Das ungeordnete, Die Grenzivächter, die an andern Streden der Grenze einen rote Haar, das magere, bleiche, sommersprossige Gesicht schweren Stand haben, können über die Meerheimer und Oudemonder beides war ausdrucksvoll genug, ebenso wie die müde Haltung Bauern, was den Schmuggel betrifft, nicht klagen, und daher stehen ihres Körpers, als sie sich nun erhob und weiterging, ohne dar- sie nicht nur mit dem alten Jodokus, der mit seinem blinden über nachzudenken, wohin. Sie mußte an den Fluß denken; Pferdchen vor dem humpelnden Wagen die Botenfahrten macht, der Fluß schien fie gleichsam magisch anzuziehen, denn sie sondern überhaupt mit allen Einwohnern auf gutem Fuße. wußte, daß sie dort wohl Erlösung finden konnte. Der östliche Dörfer nicht leiden kann, und zwar kommt das so. Der frühere Bote Anders ist es mit dem Jodokus selbst, den die Jugend der beiden Himmel begann jetzt allmählich blaßrosa auszusehen, und nahm ohne Entgelt die Liebesbriefe und Liebessendungen mit, Jodo­Hinter Blackfriars Bridge und St. Paulskirche verwandelte fus ließ sich aber von der ersten Stunde an fast wie die Post bezahlen, das Rosa sich in eine blasse Cremefarbe. Das Wasser im Fluß für leichte Briefe einen Groschen, für schwerere zwei, und wenn es ein war hoch; von Zeit zu Zeit schlug eine Welle heftig gegen das Bündel war, sogar drei. Das war nun für Verliebte, die sich viel Ufer an; unter den Strahlen der eben aufgegangenen Sonne zu sagen haben, eine schwere Abgabe, man nannte es eine Sünde sah das Wasser ganz blau aus, und dieses kalte, blaue Wasser und eine Schande und wußte bald ganz genau, daß beim Jodokus zu schien ihr ein Ende ihrer Leiden anzubieten; sie fühlte, daß Hause hinterm Ofen eine Sparbüchse von Thon stehen, so groß wie zwei sie nicht länger leben konnte; sie fühlte, daß sie ihr Leben frau, jedes eingenommene Nickelstück versenkte. Es war eine von Männerfäuste, in die Frau Barbara, des Jodokus eheliche Haus­kaum noch zu ertragen vermochte, und doch fühlte sie instinktiv, den Sparbüchsen, die man zerschlagen muß, um zum Inhalt zu ge­daß sie sich heute noch nicht das Leben nehmen würde; sie hatte langen; diese Freude, das wußte man im Dorfe auch ganz genau, gar nicht Willenskraft genug dazu. Sie war nur halb tot vor versparte sich das Ehepaar für Barbaras Namenstag auf, und daher Kummer und Elend. Er hatte sie hinausgeworfen, er hatte stand auch der vierte Dezember mit ungelenken Buchstaben rund um ihr gesagt, daß er sie nie wiedersehen wolle, aber das alles war den Einwurf geschrieben. So wandte sich die Hälfte des Unwillens doch nur deshalb gekommen, weil er heute Unglück gehabt hatte. der Meerheimer gegen die streitbare Frau, besonders, seitdem Jodo­Sie hätte ruhig zu Bett gehen und nicht auf ihn warten sollen. fus anfing zu jammern, daß er so selten Fleisch zu essen bekomme Er war eben ärgerlich gewesen, hatte gar nicht recht gewußt, und überhaupt knapp gehalten werde. was er that und sagte; solange er keine andre Frau liebte, fonnte sie immer noch die Hoffnung hegen, daß er zu ihr zurückkehren würde. Die Blätter an den Bäumen rauschten in dem leichten Morgenwinde, und sie setzte sich auf eine Bank, sah zu, wie die Laternen ausgingen und wie die Farbe des Flusses sich langsam von Blau in Braun verwandelte. So bergingen mehrere Stunden, und immer noch beschäftigten sie dieselben Gedanken, so daß sie endlich vor lauter Uebermüdung einschlief.

Ein Schuhmann erweckte sie bald rauh, und wieder ging fie weiter. Jett fuhren in den Straßen schon die Omnibusse; Frauen kamen vom Markt zurück mit Körben am Arme. Sie sah sie an und dachte, ob deren Geliebte oder ihre Männer ihnen wohl untreu wären? Ob sie sie auch mit Schlägen und Stößen empfingen, wenn sie nach Hause fämen? Sie hatte für ihre geringsten Fehler oft genug einen Schlag von ihm er­halten; und doch hatte sie, weiß Gott , sich stets Mühe gegeben, das beste Stück Fleisch für ihn auszusuchen, und es war wahr­haftig auch nicht ihre Schuld gewesen, wenn sie nicht immer im stande war, Geld nach Hause zu bringen. Warum war er nur so grausam gegen sie gewesen? Er würde nie, nie eine zweite Frau finden, die ihn so lieb hatte wie sie. Sie mußte an Esther denken; Esther hatte einen guten Mann; Esther hatte überhaupt immer Glück gehabt. Ob sie wohl zu Esther hin­gehen könnte? Aber deren Haus würde auch nicht viel vor neun Uhr geöffnet werden, und es war jetzt erst sieben. Noch zwei ganze Stunden zu warten; und sie war doch so müde, so müde!

Auf einer Thürschwelle setzte sie sich nieder. Die Milch­frauen begannen jetzt schon ihre Ware auszurufen; diese heiteren Frauen in ihren furzen Röcken, die stets einen er­frischenden Hauch vom Lande in die engsten Straßen der Stadt mitzubringen scheinen.

( Fortfehung folgt.)]

( Nachdruck verboten.)

Das Hübnchen à la Tirelire.

Bon F. van Delft .

Die Bauern von Meerheim sind für gewöhnlich schon lustige Leute, am vierten Kirmestage hecken sie aber immer etwas ganz Be­sonderes aus, über das sie dann das folgende Jahr zu lachen haben.

dem Dorfe Meerheim. Er hatte sechzehn Briefe, drei Körbe und Also gut, mein Jodokus fuhr am vierten Kirmestag früh aus sieben meterlange Weden bei fich, alles Liebesgaben der Meerheimer an die Oudemonder Jugend. Außerdem eine große Fuhre Kieferns reisig, das der Gastwirt Marchand in Oudemonde noch im letzten Augenblick für seine Meistbeete bestellt hatte. Er runzelte die Stirn, weil vor der Abfahrt all das schöne Nidelgeld wieder in die Spar­büchse verschwand, die im Laufe der Zeit schwer wie eine Kanonens hugel geworden war.

Als er so wie gewöhnlich seinen gemächlichen Weg durch den Wald machte, in dem sich die ersten Herbstnebel an die Aeste hingen, fam plötzlich der junge Bellermann, Bellermanns Sohn aus Meer­heim, hinter ihm hergelaufen, sah verstört um sich und bat den Jodo­fus, den Wagen halten zu lassen.

Der dachte, daß der Bursch noch einen Brief an die schwarze Emma mitgeben wolle, und hielt die Hand hin. Aber Bellermann schüttelte den Kopf und sagte, er wolle mitfahren; was das fojte.

Wenn es nötig wäre, so könne er um Gotteslohn mitfahren, aber weshalb denn solch junger Bursch nicht mehr zu Fuß nach Dude­monde gehen könne, hatte Jodokus zu erwidern. weshalb er mitfahren wolle, das sei seine Sache. Er müſſe nämlich Bellermann sagte darauf: Nein, er werde es ja gern bezahlen; auf eine eigne Art mitfahren, wolle nicht auf den Reisigbündeln figen, sondern darunter liegen.

fahrem

Jodokus, dem einfiel, daß vierter Kirmestag sei, wollte weiter Bellermann faßte ihn an, zog den alten Bauern nahe an sich und flüsterte ihm zu: es sei ihm ernst.

" Ja, wieso denn?" fragte num Jodotus mißtrauisch. hinein, daß er unter der Beste einen teuren Seidenstoff verborgen Bellermann näherte sich dem Ohr des Boten und zischelte ihm habe, den er der Emma bringen wolle.

sonst, wenn er die Emma besuchen gehe? Weshalb er den denn nicht zu Fuß nach Dudemonde trage, wie

Ja, er habe solch verräterisches Gesicht, die Wächter würden es ihm gleich ansehen, er traue fich nicht; damit zog auch Bellermann ein paar Geldstücke aus der Westentasche und ließ sie in der flachen Hand flingen. Das letztere Beweismittel schien dem Jodokus ein­zuleuchten, aber nach kurzem Besinnen wandte er sich wieder ab und rief dem Pferdchen hott! zu. Das geschah aber nur, um den Burschen erst recht gierig zu machen. Und nun begann ein Handeln und Feilschen, denn Jodokus hatte jetzt begriffen, daß hier ein Stüc Geld zu machen sei, das er seiner Frau verheimlichen könne. Schließ­lich einigte man sich darauf, daß. Bellermann fünf Mark zahlen solle und auf seine Kosten dem Jodokus in Oudemonde ein Mittagessen vorzusehen habe, das Jodotus sich auf der Speisekarte aussuchen und bestellen dürfe, ganz wie es ihn gelüfte. Diese Forderung war eine Erfindung des Boten, der, zum Schlemmer geboren, bei seiner