William sah ein wenig verblüfft aus. Nach einem längeren Schweigen sagte er endlich- Ja. wenn die Dinge so liegen, so sehe ich eigentlich nicht ein, was wir für Sie thun können." Hab' noch ein bißchen Geduld, William; Sarah weiß jetzt gar nicht, was sie sagt. Sie wird uns sicher versprechen, ihn nie wieder zu sehen." Ihr seid zu gut zu mir, und ich weiß, daß ich ganz Wahn- sinnig bin. Aber ich habe Euch doch schon vorher einmal der- sprachen, ihn nie wieder zu seheu, und konnte mein Wort nicht halten." Tu mußt eben bei uns bleiben und Dir eine Stelle aufs Land hinaus suchen," sagte Esther.Da wirst Du ihm dann nicht mehr begegnen." Ja, das könnte ich wohl thun." Ich muß sagen," meinte William,daß ich mein Geld nicht gern fortgeben möchte, wenn es keinem Menschen was nützen soll." Als Esther ihn daraufhin ansah, fügte er hinzu: Natürlich werd' ich's thun, wenn Esther es will. Ich bin es überhaupt gar nicht, der Ihnen das Geld giebt; es ist Esther." Nein, nein: wir alle beide sind es," sagte Esther.Wirst Du thun, was ich Dir sagte, Sarah?" O ja, ja; ich werde alles thun, was Tu mir sagst, Esther," und sie warf sich schluchzend ihrer Freundin in die Arme. Nun wollen wir aber endlich mal hören, wo das Silber- zeug eigentlich versetzt ist," sagte William. Sehr, sehr weit von hier. Bill sagte, er wüßte dort eine gute Pfandleihe, und dort sei es am sichersten. Es war, glaube ich, Milc-End Road." Würden Sie den Laden wiedererkennen?" fragte William. Aber sie hat ja doch den Schein," sagte Esther. Nein, den habe ich nicht; den hat Bill." .Na, dann ist die Sache eben verspielt," sagte William. So sei doch bloß still," sagte Esther ärgerlich.Wenn Tu einen Rückzug antreten und das Geld nicht leihen willst� brauchst Tu's nur zu sagen." Du thust mir unrecht, Esther, wahrhaftig; aber im Gegenteil; wenn Du noch einmal dreißig Pfund haben willst, um ihn dafür zu bezahlen, daß er den Schein herausgiebt, so will ich Dir auch die noch geben." Esther warf ihrem Mann einen raschen, dankbaren Blick zu. Sei mir nicht böse," sagte sie,ich bin immer gleich so hitzig. Aber Du weißt doch wenigstens, wo er wohnt!" sagte sie zu Sarah, die bleich und zitternd wie ein Haufen Elend dasaß auf dem Sofa. «Ja, ich weiß, wo er wohnt. Dreizehn, Milward Square, Mile-End Road." Na, dann haben wir keine Zeit zu verlieren; wir müssen sofort dorthin zu ihm. Nein, William, Tu nicht; Du würdest nur böse auf ihn werden; Ihr würdet Euch zanken, und daraus könnte nichts Gutes entstehen." Gutes! Ich würde ihm bald zeigen� wer der Stärkere von uns beiden ist." Ich will nichts davon hören. Sarah, er darf nicht mit Dir gehen!" Komm, Esther, sei nicht albern; laß mich gehen." Schon hielt er seinen Hut in der Hand, aber Esther trat zwischen ihn und die Thür. Das erlaube ich nicht," sagte sie,ich lasse Dich nicht dort hingehen, damit Du Dich noch gar mit ihm prügelst; Du mit Deinem Husten!" William hatte soeben einen neuen Hustenanfall bekommen. Er wurde ganz bleich, lehnte sich matt an den Tisch und sagte: Gieb mir etwas zu trinken, Esther, ein wenig Milch." Esther schenkte ihm eine Tasse voll ein, und er trank sie langsam aus. Ich gehe jetzt hinauf, meine Sachen holen," sagte sie, Tu hast hier zu bleiben und nach Deinen Wetten drin zu sehen." William lächelte. An der Thür wandte sich Esther noch einmal um und sagte: Hörst Du, Sarah? Er darf nicht mit Dir gehen." »Hast Du schon wieder vergessen, wie Du gestern abend gegen das Wetten gepredigt hast?" fragte William lächelnd. Was ich gestern abend gesagt habe, hat gar nichts damit zu thun; jetzt sage ich, daß Du nicht aus dem Hause heraus zu geben hast. Komm hinauf, Sarah; zieh Dich an, und dang wollen wir gehen." Er nickte ihr freundlich zu und begab sich ins Lokal. Stack und Journeyman warteten schon auf ihn. Sie hatten große Summen auf den alten Ben verloren und wußten nicht, was sie nun anfangen sollten. Und die ganze Umgegend befand sich in derselben Verfassung. Das Lokal war voll von düsteren, mürrischen Gesichtern. Und während Williams Blicke über diese traurigen Er-. scheinungen wegglitten, diese Commis, Barbiere, Kellner« Diener und so weiter, drängte sich ihm unwillkürlich der Ge- danke auf, wie viele von diesen Leuten wohl Gelder auf Ben Johnson gesetzt haben mochten, die ihnen nicht gehörten. Das unerwartete Unglück hatte ihre sämtlichen Pläne über den Haufen geworfen, und selbst die Vorsichtigen, die einen kleinen Reservefonds besaßen, konnten nicht mehr anders als auf Outsiders setzen, um hierdurch zu versuchen, ihre Verluste ein wenig wett zu machen. Um zwei Uhr war das Lokal leer, und William wartete auf Esther und Sarah, die noch immer nicht zurück waren. Es schien ihm, daß sie sehr lange fort blieben« Aber es ist eine tüchtige Entfernung von Mile-End nach Soho« und er mußte noch lange warten. Als sie endlich zwischen vier und fünf zurückkehrten, sah er ihnen sofort an, daß ihr Aus- gang von keinem Erfolg begleitet worden war. Er hob das Brett ini Ladentisch empor, um sie durchzulassen, und sie gingen alle drei in das Hintcrstübchen hinein. Er ist gestern von Milward Square fortgczogen," er- klärte Esther. Wir haben ihn noch in drei andern Häusern gesucht« deren Adressen man uns gab, aber ohne ihn zu finden. Wir sind auch in sämtlichen Lokalen gewesen, die Sarah mit ihm zu besuchen pflegte, aber nirgend wußte man etwas von ihm." Sarah brach in Thränen aus. Für mich gicbt's keine Hoffnung mehr. Mit mir ist's zu Ende. Die Polizei wird kommen und mich fortholen. Wie- viel glauben Sie wohl, daß man mir geben wird? Doch nicht zehn Jahre?" Ich finde," sagte Esther,das beste, was Du jetzt thun kannst, ist, zu Deiner Herrschaft zurückzugehen, ihr die ganze Geschichte der Wahrheit gemäß zu erzählen und sie um Ver- zeihung zu bitten." Du meinst, sie soll hingehen und ihnen erzählen, daß sie das Silberzeug versetzt hat, um Geld zum Wetten zu kriegen?" Ja, das meine ich." Dadurch wird die Polizei immer niederträchtiger und wachsamer auf die Wetthäuser." Ja, das ist nun mal nicht zu vermeiden." (Fortsetzung folgt.)! (Nachdruck«erboten. Das Lotterielos. Von Camille Med) an t. Autorisierte Ucbersetzung. Klein, mager, häßlich und voll Runzeln wie ein vertrockneter Borsdorfer Apfel war Bater Landry der Typus des alten, geizigen Bauern, welcher, wie der Volksmund behauptet, Mittel und Wege findet, selbst des Teufels Großmutler übers Ohr zu hauen. Seit dem Tode seiner Frau hatte er die Landwirtschaft an den Nagel gehängt und lebte als Rentier allein in einem kleinen Hause am äußersten Ende des Dorfes. Wenn ich sageallein", so ist das nicht ganz wörtlich zu nehmen: er hatte nämlidi seine alte Magd bei sich, die Brigitte; aber die zähhte ja so wenig mit! Ein klein wenig mehr als der Hund, bedeutend weniger als der Esel, der 40 Thalcr gekostet hatte I Im Alter von zwölf Jahren von Landry in Dienst genommen. um die Kühe zu hüten, hatte sie fick) seit dieser Zeit nicht mehr ver-. ändert. Nach und nach war sie daS Regiment im Hause derart ge- wohnt worden, daß ihr die äußerst knickerigen Gepslogenhesten Vatcv Landrys als das natürlichste Ding von der Welt erschienen. Im übrigen war sie geistig etwas beschränkt, treu und ergeben wie ein Hund und voll aufrichtiger Bewunderung für ihren Herrn. der sich kein Gewissen daraus machte, dieses willige Arbeitstier schamlos auszubeuten. Ich brauche nicht besonders zu betonen, daß Brigitte im Dienste des Geizhalses keine Schätze gesammelt hatte. O nein! Das gut« Weib fühlte sich sür seine Mühe hinreichend belohnt, wenn der alte Bauer bisweilen in freundschaftlich-polterndcm Ton sagte: Du bist doch thatsächlich ein großes Schaf, Brigitte, meine Tochter, verstanden?" Dann verzog, sich der Mund des guten Geschöpfes zu einem breiten Lächeln. Hihihi... Der Herr... haben doch inuner ein Witzchen, utn einen zum Lachen zu bringen."...