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D, es war ein schwerer Kampf, gnädige Frau; und der Kampf ist noch nicht zu Ende. Und er wird für mich nicht eher zu Ende sein, als bis ich meinen Jungen in einem festen Beruf fehe. Ich hoffe, daß ich das noch erleben werde."

Lange saßen sie dann noch schweigend nebeneinander vor dem Feuer. Endlich sagte Mrs. Barfield:

,, Es muß Zeit sein, schlafen zu gehen." " Ja das glaube ich auch, gnädige Frau."

Sie fragte, ob sie in dem Zimmer oben schlafen follte, in dem sie früher mit Margarete Gale zusammen geschlafen hatte. Aber Mrs. Barfield antwortete seufzend, daß ja sämtliche Schlafzimmer in Woodview jett leer feien, und daß sie es daher lieber sehen würde, wenn Esther in dem Zimmer neben dem ihren schliefe.

XLVII.

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und mehr und mehr wurde ihr Zusammensein Sas   zweier Freundinnen und immer weniger das der Herrin und der Dienerin. Abends saßen sie meist zusammen in dem Bibliothek­zimmer und nähten, oder Mrs. Barfield las laut aus einem Buche vor, oder sie plauderten beide von ihren Söhnen, ( Schluß folgt.)

TO 190119

Die Schädelpyramide.

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Der Ringkampf zwischen den beiden Meinungs- Polypen Rudolf Moffe und August Scherl   ist an einer neuen Wendung angelangt. Hatte Mosse die demokratisch- freifimige Bolts- Zeitung" verschludt und damit den letzten Reſt einer bürgerlich- radikalen Gesinnung Esther schien ganz wie selbstverständlich Woodwview als ertötet, so gelang August Scherl   ein größerer Schlag: er brach in die legte Station ihrer Erdenlaufbahn zu betrachten. Daß Hamburg   ein und annektierte das Senats- und Reeder- Organ der jetzt noch einmal etwa neue Aenderungen in ihr Leben eintreten größten deutschen Handelsstadt. Scherls siegreiches Banner weht könnten, das hielt sie weder für möglich noch für wünschens- jetzt auch über einer leibhaftigen Republik  . wert. Nun mußte nur noch ihr Junge eine gute Anstellung Mit dem Erwerb der Hamburger Börsenhalle" genannten finden, und dann konnte er von Zeit zu Zeit hier herunter- Aftiengesellschaft, die neben dem Finanzblatt" Hamburger Börsen­kommen und sie besuchen. Das war nunmehr das A und männischer Adreßbücher herausgiebt, ist ein längst erwarteter Bor halle  " den Hamburgischen Korrespondenten" und eine Anzahl kauf­ihrer irdischen Wünsche. Sie fand es hier auch gar nicht gang eingetreten: die Aufsaugung politischer Blätter durch die einsam. Ein junges Mädchen hätte es wohl vielleicht einsam Scherliche Hausmacht. Der Ehrgeiz dieses Emporkömmlings, der gefunden, fie aber war fein junges Mädchen mehr; sie hatte die bürgerliche Unbildung und Charakterlosigkeit Deutschlands   in tagsüber ihre Arbeit zu verrichten, und wenn sie damit fertig funkelndes Gold umzumünzen verstand, geht nicht nur dahin, Geschäfte war, war sie froh, niedersizen und sich ausruhen zu können. zu machen, durch Betriebskonzentration die Produktionskosten zu In ihre langen Mäntel gehüllt gingen die beiden Frauen vermindern und dabei die äußerliche Beitungstechnik( Nachrichten oftmals auch zusammen spazieren. Mitunter wanderten sie dienst usw.) quantitativ zu steigern, sondern Scherl will auch eine die Berge hinauf; mitunter gingen fie bis nach Southwick, um politische Macht sein und vornehm werden. ihre kleinen Einkäufe zu machen. Sonntags gingen fie immer darauf, die Indianergeschichte zum Princip einer Zeitung zu Scherls genialer Gedanke, der sein Glück begründete, beruhte nach Beeding zur Kirche; und dann kamen sie die eingeschneiten, machen. Diese Indianergeschichte erschien erst wöchentlich einmal, winterlichen Wege zusammen zurückgeschritten, die Kleider bis sie schließlich zweimal täglich erzählt wurde unter dem hoch emporgerafft, um sie nicht zu beschmutzen, und schämten Sammeltitel: Berliner Lokal- Anzeiger". Der Mann hatte erkannt, sich durchaus nicht ihrer derben, festen, gewöhnlichen Stiefel. welche unzerstörbare Wirkung die Indianergeschichte auf das Gemüt Sie machten auch keine Bekanntschaften, sondern schienen an- der Unmündigen übt. Sollte da nicht eine Unmenge Geld zu ver einander Unterhaltung und Verkehr genug zu finden. Die dienen sein, wenn man dem deutschen   Publikum die Indianergeschichte Köpfe ein wenig bornübergebeugt, so gingen sie nebeneinander mündigen liefen in Scharen herbei, und auch die übrigen wurden als Zeitung unterbreitete? Die Spekulation war richtig. Die Un­daher und redeten meist immer wieder über dieselben Dinge. allmählich durch hartnäckige Bearbeitung gleichfalls entmündigt, fo Wieder bedauerten sie, daß der Sturm einen Baum umgerissen daß fie Lofal- Anzeiger"-reif wurden. Die Leser dieses in leinem hatte; wieder freuten sie sich, daß Jack schon zehn Schillinge Kulturlande der Welt möglichen Blattes erfuhren zwar haartlein die Woche verdiente; wieder hofften sie, daß er die Stelle auch alles, was sich im Feuerland und auf den Fidschi- Inseln   Bedeut nicht verlieren würde. Oder aber Esther erzählte ihrer Herrin, fames begab, Deutschland   aber wurde als bekannt vorausgefegt, eine wie sie gehört habe, daß eines der Rennpferde von Mr. Arthur deutsche Politik gab es nicht. im Rennen gewonnen hätte. Er lebte oben im Norden Eng lands und hielt sich dort einen kleinen Rennstall; und wenn feine Mutter von ihm hören wollte, so war sie eigentlich ledig­lich auf die Sportszeitungen angewiesen.

,, Seit vier langen Jahren ist er mun nicht mehr hier ge­wesen," sagte Mrs. Barfield. Er haßt Woodview; und wenn es morgen abbrennte, würde er sich darüber eher freuen als grämen. Ich aber denke anders; ich erhalte es aufrecht, so gut ich kann, und hoffe, daß er eines Tages heiraten und dann doch hier seinen Wohnsiz nehmen wird."

Mr. Arthur so nannten Mrs. Barfield und Esther ihn stets, wenn sie von ihm sprachen bezog feinerlei Re­benuen aus dem Besitztum, denn die Gelder, die daraus flossen, genügten nur eben für das Leben und den Unterhalt der Witwe und um die Dinge einigermaßen in Ordnung zu halten. Der größte Teil der Besizung war verpachtet; Mr. Arthur hatte auch das Haus verpachten wollen, aber es fand sich kein Mieter, der darin wohnen wollte, bevor der Befizer Haus und Park ordentlich hergerichtet hatte, und da dies eine große Summe Geldes gekostet hätte, hatte er keine Lust dazu und erklärte, daß das in seinem Rennstall angelegte Geld eine weit profitablere Spekulation sei. Außerdem aber war sogar der große Park vermietet worden; und der Familie blieb nichts mehr übrig als das Haus, der Rasenplatz davor und der Blumengarten.

Da Arthur mun also nicht mehr ohne Erlaubnis irgend jemands auf seinem Rennpferde die Hügel hinauf- und hinab­galoppieren konnte, so lag ihm auch an der ganzen Besitzung nichts mehr. Wenn seine Mutter Luft dazu hatte, mochte sie doch ruhig dort weiter leben und das Haus, wie sie es nannte, in Ordnung halten; folange sie ihn nicht plagte, war es ihm ganz gleichgültig, was sie that. In ähnlicher Weise pflegte er fich bei Gelegenheit seiner seltenen Besuche in Woodview oder in seinen noch viel selteneren Briefen an die Mutter aus zudrücken.

Tage, Wochen, Monate vergingen. Und die beiden Frauen lebten fich immer mehr und mehr miteinander ein,

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nünftige Thätigkeit unbrauchbar. Jungen, die Indianergeschichten schlingen, werden für jede ver­Lokal- Anzeiger" verblödend wirken. Und da eine Regierung das nünftige Thätigkeit unbrauchbar. So mußte auch die Leftüre des natürliche Bedürfnis hat, daß die Intelligenz und das Wissen der Regierten sich nicht über die Fähigkeiten der Regierenden erhebt, so begrüßten diese die Unternehmung des Herrn Scherl, durch deren Einfluß ihre eigne Existenz erst möglich wurde. Die Scherlsche Indianergeschichte wurde in der offiziellen deutschen Weltpolitik zum System erhoben. Man kann sagen, daß der reichsdeutsche Imperialis­mus Scherlsches Fabrikat ist.

Allerdings unterschied sich die Scherlsche Indianerromantik sehr unvorteilhaft von den richtigen Abenteurer- Märchen. Hier lebte traditionell noch etwas von dem alten weltbürgerlichen Geist, der die Bruderschaft aller Völker verkündete, ja in den Wilden geneigt war, den besseren Menschen zu sehen. Die Scherlsche Weltpolitik ging darauf aus, die Wilden" kapitalistisch nuzbar zu machen, und wehrten sie sich, fo war man sofort bereit, die fremden Völkerschaften, denen Scherl doch sein Vermögen verdankte, als Ungeheuer zu denunzieren. Allerlei und ließen dann den Geiſt preußischer Kasernenschneidigkeit auf die ausgediente Soldaten trieben in seinem Zeitungsgeschäft ihr Wesen deutsche Bildung los. Als der Chinazug unternommen wurde, waren es die Scherlschen Organe, die am wüftesten auf die doch zubor zärtlich für die Woche" photographierten gelben Bestien" schimpften. Neuerdings sind die schwarzen Bestien daran, und das meist ge­lesene Blatt der Residenz wagt es, gleichmütig die bers brecherische Anregung zu geben, man sollte die angeblich mit dergleichen Waffen kämpfenden Hereros mit Dum- Dum­Geschossen zerfleischen. So führt die geistige Verblödung zur Sulturarbeit. Erst wenn die gelben und die schwarzen Bestien so fittlichen Entartung, zur Preisgabe aller Leistungen menschlicher tief gesunken sein werden, Abonnenten und Inferenten des Lokal Anzeigers" zu sein, werden auch die Schreiber Scherls diese Menschen mit der den Kunden schuldigen Achtung behandeln.

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August Scherl   monopolisierte in der Folge auch die Unter­haltungs- Journale, um sie zu indianisieren. Um das Aufkommen unabhängiger Schriftsteller zu verhindern, gründete er den Tag" und schuf aus ihm, unter dem Vorwand der absoluten Meinungs­hier dürfen zwar alle Leute nach Herzensluft durcheinander freiheit, ein Spital für Verkrüppelung von Intellektuellen; schreien, aber es wurde doch peinlich darauf geachtet, daß der Lärm nicht irgend einer offiziellen Macht gefährlich wurde. Auch dieses scheinbar dem reien Meinungsaustausch dienende Organ wurde zur