Er hätte nur sehen mögen, was aus ihr geworden wäre, wenn er sie nicht geheiratet hätte; und wenn er sie jetzt be- trachtete, die mager und abgerackert aussah, mit frühen Runzeln in dem welken Gesichts konnte er sich immer mehr als rettende Vorsehung fühlen. Seine Anna hatte ihm vier Kinder geboren; zwei waren gestorben; er hatte mit dem Paarl  , Sohn und Tochter, genug. Ein Mädel ist immer eine Verlegenheit und mit einem Buben hat man erst gar nur Galt' und Verdruß. Er hätte den Emil gern studieren lassen, aber die Mittel- schule kostet viel Geld, und als der Taugenichts repetieren sollte, nahm er ihn heraus und zu sich in die Lehre. Er sollte in Gottes Namen Schlosser werden, wie sein Vater. Mit dem Kleingewerbe war freilich nichts aufzustecken. Man sprach zwar immer von der Rettung des kleinen Mannes, und selbst in den Regierungsblättern und im Parlament wollte man sich dafür einsetzen, aber bisher war von einer Rettung absolut nichts zu verspüren. Als Emils Lehrzeit beendet war, kam er in eine mechanische Werkstatt und wurde beim Montieren und Re- parieren der Fahrräder verwendet. Bald schwang er sich selbst aufs Rad und wurde einer der besten Fahrer. Da er hübsch und gewandt war und auf dem Rad eine vorzügliche Figur machte, wurde er von der Firma für die Probe- und Wettfahrten ausersehen, bei denen sie mit ihrer Ware als Konkurrentin auftrat. Schon hatte er ein halbes Dutzend Medaillen und ein silbernes Tintenfaß als Preise davongetragen, welche Gegen- stände Maina Schönbrunner voll Stolz in ihrem Glasschrank verwahrte. Auch an diesem Nachmittage sollte Emil, wie er seinem Vater erzählte, an einer Probefahrt teilnehmen und war gleich nach Tisch mit seinem Vehikel davongesahren. Aber er war still und heimlich wieder zurückgekommen. Die Schraube am Pedal war locker geworden und bei deni Versuch, sie zu festigen, gebrochen; es mußte eine neue ein- gefügt werden. Das Rad schiebend, trachtete er ungesehen an dem Hanse vorüber zu kommen, aber der Gehilfe Fritz Hofer stand unter dem Hausthor und kam auf ihn zu. Dieser war ein schlanker Bursche von kräftiger Muskulatur. Seine Arme waren sehnig und inager wie sei» Gesicht, das eine brünette, schier pergamentartige Haut hatte, aber es war Leben darin. Er hatte seine Lehrzeit bei Meister Schönbrunner durchgemacht, und obwohl er längst freigesprochen war, wohnte er doch im Hause und stand immer noch in einer Art dienst- lichem Verhältnis zur Familie. Flüsternd wurde ihm mitgeteilt, was geschehen war. Eine Minute später war das Rad um die Ecke gebracht, die nach dem Walle ging, und an die Feuermauer des Hauses gelehnt. Fritz kniete davor aus die Erde und fügte geschickt eine neue Schraube ein. Emil stand neben ihm in sichtlicher Ungeduld. Er war sportmäßig angethan und die kleidsame Dreß aus blauem Tuch stand ihm vortrefflich. Es war heiß. Er zog das Jäckchen aus und packte es in die Satteltasche; der Wind blies durch den leichten creme- farbigen Sweater und kühlte gar angenehm seinen Körper. Aber ihm schien die Wärme von innen zu kommen und er schob das schirmlose Käppi immer weiter aus der Stirne und trocknete den Schweiß, der unter dem lichtblonden Haar in kleinen Tropfen stand. Wiederholt blickte er nach der Ecke, als erwarte er jemand da herumkommen zu sehen. Sein vollbackiges, hübsches Gesicht mit dem einfältigen, selbstgenügsamen Zug, spiegelte die frische, gesunde Jugend wieder, ein Typus, der unter den Söhnen des Wiener   Kleinbürgertums häufig ift. Immer heftiger zupfte er an dem blonden Flaum seiner Ober­lippe und stieß wiederholt mit dem Fuße auf. Tummle Dich, Elendsbursche," rief er mit einem von ihm erfundenen Kraftausdruck in dem derben Ton, der unter Jungen als Zeichen der Männlichkeit gilt, dem andern zu: Wie lang' wirst mit dem Quark noch herumbandeln, ich wart' nicht länger." Der junge Arbeiter hob den Kopf und sah aus hellen Augen zu seinem Dränger empor. Red' kein' solchen Stiefel," sagte er lachend,Du wart'st auf sie, nicht auf mich; übrigens bin ich fertig, hoppaufl" Wie von einer Feder emporgeschnellt sprang er auf und saß im nächsten Augenblick im Sattel. (Fortsetzung folgt.) (Rachdruck verboten.) II X K S. Von Ernst Preczang  . Der Kondukteur schob das Ehepaar noch im letzten Augenblick in den hintersten Waggon, dann sanfte die Hochbahn ab. So was dummes I" ärgerte sich der junge Mann.Jetzt können wir dritter fahren und haben zweiter bezahlt I" Und noch dazu Raucher!" Sie verzog die Nase.Ein ab» scheulicher Dust!" Numero Mückentod! Na, eS hilft nichts. Mach' die Nase zu und setz' Dich. Dort drüben sind noch zwei Plätze frei. Hast Du auch alle Deine Pakete?" Ich denke. Da, nimm mir dies noch ab. Und das. So," Sie setzten sich auf eine Seitenbank in der Mitte des Wagens. Jeder hielt einige Päckchen auf dem Schöße. Der Mann streifte die Papierhülle einer größeren Bronzestgur ein wenig zur Seite:Die wird sich nicht schlecht im Salon machen. Was meinst Du?" Ob! Ist ja auch teuer genug." Ja. du lieber Gott  ! Gute Sachen kosten gutes Geld! Und umsonst giebt's überhaupt nischt." Wir haben wieder furchtbar verschwendet, Paul. Fünfhundert Mark! Denke mal: bloß die paar Nippsachen hier!" Ja." Er zuckte belustigt die Achseln.Was der Mensch braucht, muß er haben. Und wenn wir uns schon mal'neu Salon einrichten wollen, dann soll er auch nach etwas aussehen. Für so'n plundriges Man so thun" bin ich nicht. Das Iveißte doch. Entweder, oder! Aus'm Fünfzigpfennig-Bazar können wir uns doch die Einrichtung nicht zusammen holen." Nein. Recht fein soll's werden, da hast Du recht. So was Gediegenes und Solides, daß man gleich sieht: dahinter steckt was. Aber ich mein' man bloß: ich hab's mir billiger gedacht. Was dies schon kostet! Und das sind doch nur erst die Läppereien und Kleinigkeiten. Und auch noch nicht'mal alle. Was da noch fehlt an großen und kleinen Sachen es ist ja enorm!" «Warte'mal. Was fehlt denn noch?" Er sann. Na. vor allen Dingen eine Ampel.... so recht mattes, farbiges Licht, weißt Du. Grün oder blau oder rot." Nehmen wir schon lieber einen anständigen kleinen Kronleuchter. Giebt jetzt großartige Sachen in der Art." Ein Ofenschirm fehlt auch. Du, da nehme» wir so einen mit japanischer Malerei,� wie ich neulich in der Leipzigerstraße gesehen habe. Prachtvolle Sachen!" Ja. Such' Dir nur aus. Was wäre denn noch?" Blumenständer. Vielleicht bekommt man die auch gleich in dem japanischen Geschäft. Und Töpfe dazu? Was meinst Du, das müßte fein zusammen passen." Müssen denn Blumen sein?" Aber selbstverständlich, Paul!" Sie lachte.Zum Beispiel: 'n paar hübsche große Palmen...." Na ja. Aber denn auch die andren Blumen ftemdländisch, verstehst Du? Ganz was Seltenes und Apartes. Daß jeder gleich die Augen aufsperrt, wenn er nur hereintritt." Laß' mich nur machen. Hochnobel soll'S werden. Wundern sollen sich alle über unfern gediegenen Geschmack." Ja, pikfein I" Sie schwelgten in Gedanken. Ach, und da ist ja auch noch..., nein, Paul! Man darf ja gar nicht darüber nachdenken! Je länger ich mir überlege, desto mehr fällt mir ein. Es ist gräßlich! Das können wir ja gar nicht I" Na nu!" Er richtete den Oberkörper auf und sah sie be- lustigt an. Das schöne Geld!" Na, ist doch zum Ausgeben da, nicht?" Ja. ja, aber..." Das heißt, Wando, nu Hab' Dich bloß nicht so um die paar Silberlinge!" «Silberlinge? Du, da reichen ja Goldstücke nicht mal. Da mußt Du ja..." Herrgott, ja I Ich muß in die Brieftasche klettern! Ich Hab' mich schon noch darauf gefaßt gemacht,'n paar braune zu opfern!" Die schönen Tausendmarftchcine!" Du thust gerade, als ob wir aus Dallesheim wären!" Er kehrte sich ärgerlich ab. Die Frau druckste und druckste vor sich hin. Endlich berühtte sie seinen Arm:Sieh mal. ein neues Sonmierkleid müßte ich auch haben. Einen passenden Hut natürlich. Ich gettau mich ja gar nicht. Dir damit zu kommen, wenn der Salon so viel kostet." Getrau Dich nur. Das fällt noch ab dabei. Ich meine sogar, daß Tu außerdem noch ein ganz besonderes Kostüm für den Salon haben mußt eins, das sich womöglich dem ganzen Sttl da anpaßt." Dn! das wäre herrlich!" «MiKmter hat unsereiner auch einen guten Gedanken, wie?" Großartig!" Sie konnte sich vor Entzücken kaum fassen.Nein, Paul, daß Du darauf gekommen bist!" .Fall' mir nur nicht hier um den Hals. Nachher." Er schob sie ein wenig von sich, weil er bemerkte, daß die übrigen Insassen des