Sie blieben einen Augenblick stumm, wie von seinem Klange erschreckt, dann sprang Luise in die Höhe. Von solchm Dingen sprechen wir nicht Aber Du weißt sie zu deuten," lächelte' Tini nicht ohne Zynismus. Das haben wir Dir zu verdanken." Seid's froh, sonst wüßtet Ihr überhaupt nicht, wie's in der Welt zugeht und was für Gefahren uns drohen. Ich verabscheue das Gemeine gradso wie Ihr aber blind will ich nicht sein, und ich sag' das der Gustel, damit sie nicht glaubt, daß die Jungg'sellen auf's Heiraten so versessen sind, die helfen sich mit den Prostituierten aus und sie lachen die braven Mädeln nur aus. die so dumm sind, auf sie zu warten." Gott sei dank, jetzt ist er heraußen," rief Gusti. Sie hatte die Spitze der Nadel in den Span eingeführt und ihn mit einem jähen Ruck herausgezogen, das Blut guoli nach. Luise wollte den Finger verbinden. Es soll nur bluten," sagte Gusti und sah sehr tapfer aus, .das macht mir gar nichts." Sie stürzte zur Thür hinaus. Man hörte die Bürste weiter scharren. Sie glaubte nichts von dein, was Tini über Emil gesagt, nicht ein Wort glaubte sie. Er kann nicht so sein, so schlecht gewiß nicht aber in das Wasser, mit dem sie den Boden aufwusch, mischten sich trotz seiner Engelhastigkeit reichliche Tränen. -12. Kapitel. Eines Morgens bemerkten die Mädchen, daß die Bilder des Großvaters fehlten. Sie erschraken heftig. Sollte es so schlimm mit uns stehen? fragten ihre be- sorgten Blicke. Mußte sie der Vater verkaufen, wie er den schönen Perserteppich, der immer über den Divan gebreitet war, vertäust hatte? Sie würden gefirnißt, hatte ihnen der Dater gesagt, uird richtig, am nächsten Morgen hingen die Bilder wieder an Ort und Stelle. Sie atmeten auf. Es stand nicht so schlimm, sie hatten noch ihre Schätze, aber sie waren trotzdem nicht völlig beruhigt. So kann es nicht fortgehen, dachte jede von ihnen. Am Nachmittag waren Vater und Mutter in ihr Schlaf­zimmer getreten und besprachen sich flüsternd. Die Mädchen waren in der Küche und lauschten mit an- gehaltenem Atem. Die Stimmen wurden lauter, wie unter Streitenden, um sofort wieder, wie in dem Willen, sich zu beherrschen, zur Un- Verständlichkeit herabzusinken. Jetzt hörten sie deutlich den Vater sagen: Wenn D u kommst. Dir schlägt sie's nicht ab, mich ent- läßt sie mit leeren Händen." Die Mutter entgegnete kurz und leise, worauf der Vater in die erregten Worte ausbrach: Bitte, bitte, wenn Tu was Besseres weißt, liebe Elise, dann ist es mir auch recht, mir ist ja alles recht, alles,«lles, aber ich kann nicht mehr." Gleich darauf kam er heraus, den Hut auf dem Kopfe und verließ das Haus, ohne seine Kinder geküßt zu haben. Tie Mädchen eilten in die Stube und fanden die Mutter, im Begriff den Hut aufzusetzen, die Augen voll Thränen. Sie umarmten sie und suchten sie zu beruhigen. Gieb mir Deinen Mantel, Gusti," sagte die Mutter und trocknete ihre Augen. Tu wirst doch bei dein kalten Winde nicht ausgehen? DaS ist unmöglich: laß mich gehen." Was fällt Dir ein?" Sie nahm ein Papier vom Tisch und steckte es rasch zu sich. Tu gehst wieder zu dieser Wucherin?" fragte Luise ängstlich. Was sollen wir thun?" rief die Mutter und ihre Lippen bebten, sie gedachte der Temütigungen, die ihr bevorstanden. Zu flehentlichen Bitten würde sie sich vor diesem abscheulichen Weib erniedrigen, um mit harten Worten abgewiesen zu werden, und dennoch mit Bitten fortfahren, bis diese sich soweit enveichen ließe, um ihr zu hohen Wucherzinsen einige Gulden zu borgen. Ich thue das nur Ihnen zu Liebe. Frau Witte, weil Sie so krank sind, und weil Sic mir leid thun, pflegte sie dann zu sagen. Elise raffte sich auf. Es muß sein," sagte sie laut,wir haben keine andre Zuflucht wir haben keinen Uredit mehr und keine Deckung." Luise umschlang die Mutter, um sie am Fortgehen zu hindern. So schlimm ist es nichk, Mams. Sprich mit dem Valer, sobald er sich entschließen kann, die Bilder des Großvaters zu verkaufen, ist uns geholfen." r' Die Mutter lächelte bitter. Die Kunsthändler nehmen sie nicht." Luise riß die Augen auf. «Die Bilder des Großvaters, seine besten Bilder!" fuhr sie heraus. Sie sagen, der Zeitpunkt sei ungünstig und der Markt von Arbeiten der neuen Richtung überfüllt, das Publikum kauft nur das Moderne." Luise war blaß geworden. Von kleinauf war sie gewohnt, in diesen Bildern unvergängliche Meisterwerke zu sehen, ein Familienerbstück, das auf sie alle einen Schimmer von Glanz und Ehre warf. Und war nicht gleichkeftig ein kleines Ver- mögen darin angelegt, das im Moment wirklicher Bedrängnis zum Helfer würde aus aller Not? Dieser Gedanke hatte sie sicher und froh gemacht, und nun klang die Stinune der Mutter so hart, so mitleidslos, als wolle sie den süßen Glauben bis auf den Grund zerstören und ausrotten. Sie können doch nicht ganz wertlos sein," stammelte sie. Das wohl nicht, aber sie sind die Kunsthändler sagen " Elise biß sich auf die Lippen, sie wollte nicht aussprechen, was diese gesagt. Luise erriet es und der Stolz der Witte empörte sich in ihr.Wir werfen sie ihnen nicht nach, es wird die Zeit kommen, wo man sie wieder schätzen wird und teuer bezahlen" Vielleicht, aber was nützt uns das, wir müssen heute das Geld haben." Gusti brachte ihren Mantel und zögerte doch, ihn der Mutter umzuhängen. Verschieb es, ich bftte Dich; wenn Du zum Hausherrn gingst und ihn bätest, ich glaube, er würde warten." Der Vater will ihm nichts schuldig bleiben, dem am wenigsten." Weshalb ihm am wenigsten?" fragt Gusti. Weil er sich vor diesem hochmütigen Menschen nichts vergeben will." Und deshalb geben wir uns noch hochmütiger als er? Wir haben wahrlich keine Ursache dazu.... Der Vater gönnt ihm kaum ein Wort, wenn er ihm auf der Treppe begegnet, aber ich meine," Gusti brach ab, senkte den 51opf und sah sehr nieder- gedrückt ans. Die Mutter fuhr fort: Wenn wir nicht pünklich sind, schickt er uns am Ende die Kündigung, er wartet vielleicht mir auf einen Vorwand dazu." (Fortsetzung folgt.)- (Nnchdvitck verboten.) Der Makrlager. Von Ernst Preczang . In der Destillation ging's hoch her. Mit dem Gläsergeklapper mischte sich das Lachen der Gäste; Kartenspieler trumpften auf, Billardkeael fielen, und ein Musikautomat dröhnte unaufhaltsam. Eine Mundharmonika vollendete die Harmonie. Man trank Gratis- bier. Der bis zur Unbeholfenheit beleibte Gastlvirt feierte seinen fiinfzigften Jahrestag. Auf einem wcitzgedeiktcn Tische in der einen Ecke prangten Blumensträuße und allerlei Geschenke. Die Stamm- gaste hatten unter anderm ein Transparent gewidmet, darauf zu lesen war: Rühr Dich nicht llnd ruck Dich nicht, Sonst verlierst Du an Gewicht: Sauf Dich auf. Du alter Schwamm, Bis fünfhundert Kilogramm." DasGeburtstagskind" hätte sich zuerst ausschütten mögen vor Lachen über diesen herrlichen Witz. Inzwischen aber hatte der Alkohol den nachdenklichen etwas tiefliegenden Teil seines inneren Selbst angeregt und die Erinnerung an einen längst ver- gessenen Herzfehler geweckt. Die von dicken Wülsten eingeklemmten Schweinsäuglein des Gefeierten nahmen einen melancholischen Aus- druck an, als er sich mit ächzendem Tone an dem gedeckten Tisch niederließ, wo seine Frau und eine Schwester derselben sich's bei Punsch und Berliner Pfannkuchen wohl sein ließen. Wat is'n Dir, Hillebrand." erstaunte die Gattin, und die Hand mit dem braunen Gebäck hielt auf halbem Wege zum Munde still. Hillebrand seufzte, schlug sich mit der fleischigen Faust auf die Herzgegend und ächzte:Hier sitzt et, Mutter!" Seine Schwägerin sagte:Wenn de da Schmerzen hast, mußte 'ne span 'fche Flieje ufflejen." Er nickte nur resigniert. Seine Frau starrte noch immer halb ängstlich, halb zornig auf sein weinerliches Gesicht:Na, nn rede doch l Haste Schmerzen V