Breitspurig steht der Kapitän, eine Hünengestalt, mit einemden Schnurrbart drehenden Angestellten eines Handelscomptoirsam Lande und empfängt die neue Order.Da— in einer Pause— nimmt ein junges, kräftiges Weib, eineder Bretterträgerinnen, eine ältere Arbeitsgcnossin bei der Hand,umschlingt sie und dreht sie herum im Tanz: jetzt anmutig undweich, nun wilder und stürmischer dreht sich das Paar. Die jungef rau hat die Führung und küßt die Aeltere während des Tanzensald auf die eine und bald auf die andre Wange. Die andren Frauenstehen herum und lachen.Der Kapitän sieht kaum mit einem Auge hinüber, der Handels-beflissene dreht an seinem Schnurrbart.Mit einem letzten Kuß ist der Tanz beendet, die beiden Tänze-rinnen lachen vor lauter Lust: O, welche Kraft im Volk, Tanz beider Arbeit I—tn. Uebcr Schattenwissenschaft hat Lord Rayleigh einen Vor-trag gehalten. Er wies zunächst auf die sonderbare, aber von demPhysiker und Mathematiker Poisson nach theoretischen Betrachtungenvorausgesagte Erscheinung hin, daß in der Mitte des Schattens,der von einer kleinen kreisförmigen Scheibe geworfen wird, sich einjheller Fleck zeigt, obgleich man annehmen sollte, daß der Schattengerade an dieser Stelle am dunkelsten sein müßte. Etwas Aehnlichesgeigt sich auf dem Gebiete der Akustik. Auch hier kann man in über-tragenem Sinne von einem Schatten sprechen, da feste Körper die Schall-wellen zurückwerfen und demnach hinter sich einen gleichsam im Schall-schatten liegenden Raum bedingen. Man kann diese Thatsachen der-anschaulichen durch Versuche an einer Flamme, die bekanntlich unterdem Einfluß von Tönen zu zittern beginnt. Wenn man nun einesolche Flamme durch eine kreisförmige Glasscheibe vor dem Schallschützt, so erfolgt ein Erzittern der Flamme auch dann, wenn sichdiese, der Mittelpunkt der Glasscheibe und der Ausgangspunkt derSchallwellen genau in einer geraden Linie befinden. Das Gleicheist auch der Fall, wenn statt der Glasscheibe eine 5vugel genommenwird. Rayleigh nahm ferner Bezug auf die Ergebnisse der draht-losen Telegraphie über den Atlantischen Ocecm hinweg, die eigentlichjeder wissenschaftlichen Voraussicht zu widersprechen schienen. In-folge der Wölbung der Erdoberfläche befindet sich zwischen einemPunkt an der englischen Küste und einem zweiten an der amerikani-schcn Ostküste, wenn beide durch eine gerade Linie verbunden gedachtwerden, eine große Menge von Meerwasser, und zwar in einer Höhevon mehreren hundert Kilometern; es war von vornherein nicht an-zunehmen, daß die elektrischen Wellen im stände sein würden, durchdiese Wassermasse hindurchzugehen. Die elektrischen Wellen müssensich, da der Versuch Marconis thatsächlich gelungen ist, demnach wohlanders verhalten als die Wellen des Lichtes oder des Schalls. DieErscheinungen des Schattens treten eben beim Licht und Schall weitschärfer hervor als bei den elektrischen Wellen. Würde sich beispiels-weise das Sonnenlicht ebenso verhalten, wie die elektrische Energie,so würde vermutlich auf allen Teilen der Erde ewiger Tag herrschen,indem die Sonnenstrahlen längs der gewölbten Oberfläche der Erd-kugel entlang gleiten würden. Merkwürdig genug, schmiegen sichdie Schallwellen einer konkaven Fläche dagegen mit besondererLeichtigkeit an, tvie die allbekannte Erscheinung der Flüstergewölbebeweist. In diesen gehen die Schallwellen dicht am Gewölbe ent-lang, denn es genügt, ein schmales Holzbrettchen an die Mauer-wand eines solchen Raumes zu halten, um die Schallwirkung nachdem andern Ende des Gewölbes hin merklich abzuschwächen. Endlichbesprach Rayleigh die Frage, warum der Mensch zwei Ohren hätte,in Bezug auf die Wissenschast vom Schallschattcn. Der Gebrauchbeider Ohren giebt uns namentlicki Kenntnis von der Richtung, woberein Ton kommt. Ein einzelnes Öhr kann das nicht leisten, obgleichschwer zu sagen ist, warum nicht. Die nächstliegende Erklärung ist,daß das nähere Ohr deutlicher hört, aber sie kann nicht als genügendbetrachtet werden, da auch Leute, die nur auf einem Ohr hören,zuweilen eine beträchtliche Fähigkeit besitzen, den Ursprung desSchalls festzustellen. Eine andre Deutung des beiderseitigen Hörensist aber überhaupt noch nicht gegeben worden. Rayleigh muntertezu Experimenten über diese Erscheinung auf, die von jedermannunternommen werden könnten, da sie kaum einen besonderen Apparaterforderlich machten; sie müßten aber im Freien ausgeführt werden,damit die störenden Einflüsse, die durch das Zurückwerfen des Schallsvon Mauern und ähnlichen hervorragenden Massenkörpern entstünden,vermieden würden.—Technisches.y. Eine Tunnelanlage unter der Elbe inHamburg. Für den öffentlichen Straßenverkehr soll zur Ver-bindung der Stadtteile St. Pauli und Steimvärder eine Tunnel-anlage unter der Norder-Elbe erbaut werden. Die Notwendigkeiteines derartigen Baues wird mit der zunehmenden Größe des Fuhr-Werkverkehrs und dem Wachsen von Fabrikanlagen am Südufer derElbe immer dringender. Schon vor Jahren wollte man demsteigenden Verkehrsbedürfnis dadurch Rechnung tragen, daß man miteinem Kostenaufwande von 20 Millionen Mark eine Brücke plante,die in einer Höhe von S0 bis 60 Metern über dem Strom liegensollte, damit die Schiffahrt in keiner Weise leide und auch den Segel-schiffen ein ungehindertes Passieren gewährleistet sein sollte.Für das jetzige Projekt einer Tunnelankage dient als Vorbildder Tunnel unter dem Clyde in Glasgow. Das Hamburger Projektsieht, damit der Verkehr ungehindert vor sich gehen kann, zlveiVerantworte Redakteur: Paul Büttner, Berlin.— Druck und Verlag:Tunnels vor. von denen der eine für den Verkehr nach dem Stein».lvärder bestimmt sein wird, während der andre das Verkehrs»bedürfnis nach St. Pauli befriedigen soll. An beiden Ufern sollenSchächte von 20 Meter Durchmesser erbaut werden; für die Schacht-senkung wird das Lustdruckverfahren in Anwendung kommen. Imvorderen Teil jedes Schachtes sind sechs Fahrstühle vorgesehen. Diezwei mittelsten Aufzüge haben 9,7 Meter Länge und sind, wie ihrebeiden Nachbarn, von 7 Meter Länge, zur Aufnahme der Wagenbestimmt. An den beiden Seiten sind außerdem noch zwei Fahr-stühle von 3,20 Meter Länge angeordnet, die nur dem Personen»verkehr zu dienen hätten. Die Tragfähigkeit dieser Fahrstühle be»trägt zwischen 1600 und 9500 Kilo. Bei besonders starkem Personen»verkehr würde der Wagentransport zeitweilig zurückstehen müssen.Da die Tragfähigkeit der Aufzüge 20, 80 und 120 Personen beträgtund je zwei solcher Aufzüge in jedem Schacht arbeiten, so könnte einHöchstverkehr von 440 Personen in jedem Schacht mit einem Malebewältigt werden. Ferner ist zu berücksichtigen, daß im hinterenTeil jedes Schachtes noch Treppen vorgesehen werden sollen.Die eigentliche Tunnelanlage wird in Form zweier Röhren vonje 4,30 Meter Durchmesser und ca. 450 Meter Länge ausgeführtwerden. Die unter dem Flußbett verlegten eisernen Tunnelröhrensollen eine Verkleidung von Mauerwerk und Beton erhalten und sotief liegen, daß sie außer einer genügenden Deckung durch Flußsandwenigstens zehn Meter unter dem Wasserspiegel bleiben. JederTunnel erhält in der Mitte die Straße für den Wagcnverkehr undzwei Seitenwege für den Personenverkehr. Tunnels und Schächtesind so dimensioniert, daß die größten in Hamburgs Straßen zu-lässigen Lastfuhrwerke ungehindert passieren können. Die zur Be-leuchtung des Tunnels geplante elektrische Anlage wirst ihr Lichtauf eine Auskleidung von weißen Kacheln. Für die erforderlicheEntwässerung des Tunnels wird die elektrische Kraftanlage auch zumBetriebe einiger Pumpen herangezogen. Da die am Nordufer be-findlichen Eingangsschächte des Tunnels Zollinnland sind, währenddie Schächte auf dem Südufer ins Zollausland führen, so müssengeeignete Einrichtungen für die erforderliche Zollkontrolle in der An-läge vorgesehen werden. �.Die Kosten der gesamten Bauanlage sind auf ca. 8,2 MillionenMark geschätzt; davon entfallen auf die beiden Fahrstuhlanlagen1,93 Millionen und auf die beiden Tunnels 3 376 000 M. Um diejährlichen Betriebskosten und die erforderliche Amortisation auf-zubringen, sollen für eine Person 3 Pf., für eine Karre 10 Pf.,für einen leeren Wagen 30 Pf. und für einen beladenen Wagen50 Pf. Gebühr erhohen werden. Der Verkehr ist zunächst in An-schlag gebracht mit 13 000 Personen, 100 Karren, 200 leeren und200 beladenen Wagen pro Tag.—Humoristisches.— Der böse Onkel. Backfisch:„Ach, süßes Onkelchen.sag' mir doch einen recht passenden Titel für meine Sammlungeigener Gedankensplitter!"Onkel:„Gänfe klein!"—— Wortspiel. Bauer(zum Nachbar):„No Hias, Du hastjetzt aa a paar Summastischler! Was sans denn für Leut?"Hias: Sie is a herrische Dam' und er is a damischerHerr I"—(„Meggcndorfer Blätter.")Notizen.—„Blanscheslur", ein Versdrama in zwei Teilen vonAlbert Geiger, wird am Karlsruher Hoftheater dieErstaufführung erleben.—— Henrik Sienkiewicz' historischer Roman»MitFeuer und Schwert" ist von Kozakiewicz und iviaurice Bern-hard, dem Sohne Sarah Bernhards, für die Bühne bearbeitetworden. DaS Stück wird, mit einer Musik von Sigmund NoSkowski,in der kommenden Saison am Sarah Bernhard-Theaterzu Paris aufgeführt werden.—— In B o n n ist das Langenbach-Stift, eine Alters»Versorgung für bejahrte Musiklehreruinen und Musikerwitwen, eröffnetworden.—— Gegen die Aufführung„unmoralischerStücke" am Genfer Stadt-Theater protestieren durchPlakatanschlag eine Anzahl Genfer Familienväter; sie fordern dieBevölkerung auf, durch Fernbleiben vom Theater daftir zu sorgen,daß„Genfs moralisches Leben auf der Höhe seines Rufes bleibe".—Amen I—— Schön gesagt. Der Kritiker Albert Wolff schrieb ein«mal:„Das Talent der Frau Judic ist eine Tintenflasche.an die man das Seciermesser ihicht zu sehr anlegen darf.weil man sonst auf dem Grunde nur ein Häufchen Asche findenwürde."—j*. Wie eine Frau zu schlimmer Laune kam.In einer alten„Tübinger Chronik" ist folgendes zu lesen:„Anno 1674,als die Bayern in der Festung gelegen, wurde von den Franzosender Wall imternliniert und gesprengt, wobei über achtzehn Personenbayrischer Besatzung umkamen. Als die Mine angezündet, ist unterandern auch ein Soldatenweib in die Luft gejagt worden, eineAckerlänge weit ohne Schaden zu Boden gefallen, wieder auf«gestanden und unversehrt davon gegangen. Hat aber arg geschimpftund ist arg schlimmer Laune gewest."—Vorwärts Buchdruckerei u. Verlagsanstalt Paul Singer LcCa.BerlinLW'