Kleines feuilleton.

588

Ein Streit um die Schweizer   Luft. Im Jahre 1705 er schien von dem Rostocker   Professor Georg Detharding   eine Dis­putation, in der er die Behauptung aufstellte, das Heimweh der Schweizer   und andrer Bergbewohner rühre davon her, daß sie, von Jugend auf an eine schwere, unreine, zwischen den Bergen ein­geschlossene Luft gewöhnt, die reinere Luft der Fremde nicht er­tragen könnten, gleich den Wiedehopfen, die, an den übelriechenden Mist gewöhnt, anderswo nicht leicht gedeihen. Seine Disputation rief den berühmten Schweizer   Naturforscher Joh. Jak. Scheuchzer in die Schranken. Scheuchzer trat für den guten Geruch der Schweizer   Luft auf den Kampfplak. Er hatte sich wie Detharding mit dem Heimweh beschäftigt und warf in einer Abhandlung Von der schweizerischen Luft" dem Rostocker   Kollegen vor, wer so etwas behaupte, der könne die Schweiz   kaum durch ein Fernrohr gesehen haben. Wohl könnte," setzte er aufgebracht hinzu, diese Ursache Platz finden bei einem Rostocker oder Holländer, wenn dieser aus seiner dichten, unreinen Seeluft sich würde begeben in unsre Schweizerischen Gebirge und da unsre ohne Zweifel reinste Luft von ganz Europa   in sich schlucken!" Im Gegenteil komme die Heimweh­frankheit der Schweizer  , die mit der überall vorkommenden Sehn­sucht nach der Heimat nicht zu verwechseln sei, davon her, daß die allzu reine subtile" Luft, welche die Schweizer   in ihren Adern in die Fremde hinaustrügen, einer gröberen, höheren, dichteren, stärker drückenden, sonderlich Niederländischen Meer- Luft" nicht ge­nügend Widerstand leiste.-

"

"

Archäologisches.

winden sich um die Hüften, die Schürze abwärts und am Ohre vorbei bis zur Tiara herauf. Man sollte dieses kapriciöse und elegante Figürchen für eine Schlangenbändigerin halten, wüßte man nicht, daß die fretische Sage unterirdische Göttinnen kannte, die in Höhlen wohnten und die man mit den aus Dunkelheiten ans Licht Andre Gottheiten, die in schlüpfenden Schlangen symbolisierte. ufträumen ihr Reich hatten, stellte man dar als Tauben oder be­schwingte Vögel. Die zweite topflose Statuette macht noch einen eleganteren und mondaineren" Eindruck als die Schlangengöttin. Sie trägt ein sehr enges Mieder, eine bogig ausgeschnittene Korsage darüber und hat auch die Auspolsterungen an den Hüften. Der Rock zeigt sieben übereinanderfallende, sehr elegante Volants, die wieder in einzelnen Fältlungen aufgenäht erschienen. Die Glocken­form ist hier deutlich ausgesprochen, und so wurde die elegante Linie von den Hüften zum Rockfaum hernieder, die wir bis jetzt für eine Blüte modernster Kulturen gehalten haben, schon von den Damen des Königs Minos   mit höchstem Chic getragen. Auch diese Figur hielt in jeder Hand eine Schlange und war eine Begleiterin der Göttin. Die Doppelschürze scheint etwas der fretischen Mode Eigen­tümliches gewesen zu sein. Doch die enge Taille mit ausgeschnittener Korsage findet sich auch in der mykenischen   Periode, z. B. auf dem berühmten Goldring von Mykenae  . Griechenland  , das Land der freien Gewandung und der großen naturwahren Haltung, hat diese Dagegen findet sie sich bei alten persischen Figuren und bei sehr vielen weiblichen Gottheiten Indiens  .

-

Humoristisches.

Immer ehrlich. Dame:" Was, dreißig Mark soll dieser Kleiderstoff kosten? Und da inserieren Sie, daß Sie die Hälfte billiger verkaufen?" Verkäufer:" Ganz recht, wenn gnädige Frau die Hälfte nehmen, bekommen Sie ſie auch billiger."

-

-

Im Ruhrgebiet  . Arzt:" Ihr Mann hat allerdings den Typhus, es scheint aber ein ziemlich milder Fall zu sein." Frau: Glauben Sie, daß er wieder ganz gesund wird?" Arzt: Totsicher!"

"

"

Die sauere Suppe. Der junge Herr Tinkeles in Mysłowiß hat bei der Familie Aronsohn einen Freitisch als so­genannter Plett- Esser erhalten. Am ersten Tage giebt es Borscht ein Nationalgericht, säuerliche Kraut- Suppe am zweiten wieder Borscht, und als am dritten Tage wieder dasselbe serviert wird, faßt sich Tinkeles ein Herz, um die Monotonie der Mahlzeiten sanft zu tadelit. Er schnüffelt über der Suppe, kostet einen Löffel und fagt: mir scheint, er ist nicht sauer genug, der Borscht." Aber, was fällt Ihnen ein," erwidert Frau Aronsohn, das ist doch heute gar kein Borscht, das ist doch Bolljong!" " Eso!" sagt Tinteles,, als es ist Bolljong, es ist genug sauer!" ( Lustige Blätter".)

-

-

Notizen.

eine

In der Nationalgalerie ist gegenwärtig Böcklin   Ausstellung zu sehen, die unter andrem auch das Meeresidyll Triton und Nereide" enthält.-

V

k. Die Schlangenkönigin" im Palast des Minos  ". Bei den Ausgrabungen in Knossos   hat Arthur Evans  im Innern des Palastes des Minos  " zwei steinerne Behältnisse entdeckt, die eine Menge Geräte eines kleinen Heiligtums enthielten, dessen Aussehen der Forscher danach zu rekonstruieren versucht hat. Diese Gegenstände erläutert Salomon Reinach  , dem Evans das nötige Material überwiesen hat, in der Gazette des Beaux- Arts". Die bemerkenswerteste Entdeckung in diesem uralten Heiligtum war die Figur einer Schlangengöttin", die einen interessanten Einblick in diese frühe Periode der Kultur eröffnet. In der Mitte einer Wand erhebt sich ein kleines Bostament, auf dem ein 22 Centimeter hohes Marmorkreuz aufgestellt ist. Rechts und links an der Wand find geweihte Gewänder aus bemalter Fayence aufgehängt, die mit Pflanzen und Blumenmotiven geschmückt sind. Auf dem Boden zur Linken des Kreuzes thront die Schlangengöttin" mit einer Hohen Tiara geschmückt; auf der andern Seite des Kreuzes befinden fich zwei Figürchen, auch aus Fayence, deren Köpfe nicht aufgefunden worden sind und die vielleicht Dienerinnen und Begleiterinnen der Göttin waren. Diese Figuren sind von Weihgeschenken umgeben, die teils aus Fayence das Symbol der sich ringelnden Schlangen wiederholen, teils aus fleinen Töpfen und Vaser von Terrakotta bestehen. Den Hintergrund der Wand schmücken Seemuscheln, die in lebhaften Farben erstrahlen. Die Fayence, aus der die Statuen geschaffen sind, ist sicherlich in Knossos   gefertigt, denn Evans hat noch alle die Vorrichtungen zur Herstellung im Palaste selbst auf­gefunden; so hatten also schon die Priesterkönige von Streta ihre Das Berliner   Theater beginnt am 31. d. Mts. die eigne Fayencefabrik und nahmen so die Porzellanmanufakturen von neue Saison mit Beyerleins Zapfenstreich". Sèvres   und Meißen  , den Stolz moderner Herrscher des 18. Jahr­hunderts, voraus. Nach chemischen Untersuchungen besteht die Fayencemasse aus Silicium, Magnesia, Soda und Pottasche. Der blaugrünliche Ton der Glasierung ist durch Kupferoryd hervor gerufen. Augenscheinlich hat da die ägyptische Fayence als Vorbild gedient. Doch die Herstellung von Fayenceperlen findet sich in Snossos schon um 2000 v. Chr. und hat hier ganz unabhängig mehrere Jahrhunderte hindurch geblüht. Die Malereien an den Fayencefiguren sind braun, purpurn und lila; der Fond ist ge­wöhnlich blau oder grün; doch bisweilen auch, so bei den nackten Die Teilen der Statuetten, von einer milchig leuchtenden Weiße. Schlangengöttin, die ganz erhalten ist, ist 34 Centimeter hoch. Sie trägt eine Tiara von purpurner Farbe mit weißem Rand, um die sich eine Schlange ringelt. Augen und Augenbrauen sind schwarz; die letzteren sind sehr stark hervortretend modelliert. Die Ohren sind ungewöhnlich groß, ohne Zweifel aus einem religiösen Grunde, der uns verborgen ist. Die vorn furzen Haare fallen in langen gevallten Flechten auf die Schultern herab. Die Kleidung besteht aus einer steifen, sehr eng geschnürter Taille, über die sich eine elegante Storsage schließt, die den größten Teil der Arme und der Brust frei läßt; sie ist mit Malereien geschmückt, die Stickereien in ihrem verschlungenen Wuster nachahmen. Die Göttin trägt eine Doppelschürze, die vorn und hinten in einer obalen und zierlich ausgeschnittenen Form tief herabgeht; auch dieser Schurz schließt sich fest um die Taille und scheint an den Hüften start ausgepolstert zu sein. Der Rock ist ganz mit Bändern besett, aus einem steifen Stoff über und über gefältelt, so daß diese alte tausendjährige Göttin mit der enggeschnürten Taille, den stark betonten Hüften und dem Glockenrod bereits all die Modeschönheiten besitzt, auf die Durchschlagender" Erfolg. Während einer Vor­die Reifrockdame des Rokoko stolz war und die die Frau von heute stellung im Stadt- Theater zu Bisa stürzte die als Sylphide fich wieder gewinnt. Als besonderen und freilich recht antiken Schmud tanzende Primaballerina, während eines allzu kühnen Pas das umringeln die Göttin drei grüne braungesprenkelte Schlangen. Gleichgewicht verlierend, in den Orchesterraum, wobei ein großer Das Haupt der einen hielt sie in der rechten Hand, mit der linken Kontrabaß in Trümmer ging und zwei Drchestermitglieder nicht un faßte sie den Schwanz des Tieres. Die beiden andern Schlangen bedeutende Verlegungen erlitten.

- Reproduktionen von 8eichnungen Leonardo da vincis veröffentlicht der Mailänder   Verlag Carlo Fumagalli. Die von dem Architekten und Kunstgelehrten Luca Beltrami   ausgewählten Blätter entstammen der Mailänder   Biblioteca Ambrosiana  . Schon 1784 hatte der Kupferstecher Carlo Gerli Nachbildungen versucht.

-

Das französische   Kolonialmuseum zu Paris   hat aus Indochina   Kunstwerke erhalten, die zum Teil aus dem alten Reich der Khmer stammen. Sie bestehen aus teilweise sehr alten Statuetten aus Bronze, Holz und einem aus Sägemehl und Kitt bereiteten Stoff, der durch die Austrocknung sehr hart geworden ist. Diese meist in lebhaften Farben prangenden fleinen Gestalten sind auffallend durch eine große Naturtreue. Sie stellen Eingeborene der verschiedenen Stämme vor, Flötenspieler und andre Mufifer, Wasser­träger, allerlei Arbeiter. Dazu Modelle verschiedener Häuser, Pacht­höfe, Barken. Besonders bemerkenswert sind alte khmersche Bronzen, welche Götter, kämpfende Krieger, Fabeltiere und Un­geheuer darstellen.

- Der Wiener Chirurgie Profeffor v. Eisels. bera hat eine Berufung an die Berliner   Universität 32 000 M. sowie ein garantiertes Kollegienhonorar von 25 000 M. abgelehnt. Mau hatte ihm hier ein Jahresgehalt von geboten.

"

-

Berantwortl. Nedakteur: Paul Büttner  , Berlin.- Drud und Verlag: Borivärts Buchdruderei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin   SW.