Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 154.
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Sonntag, den 7. August.
( Nachdruck verboten.)
Im Vaterbause.
Socialer Roman von Minna Kautsky . Johanna zuckte die Achseln.„ Natürlich, und dann will ich mein Kind auch selbst haben; den ganzen Tag freu' ich mich d'rauf und die Peperl freut sich auch und auf den Vater erstund sie ist g'wöhnlich sehr brav g'rad heut na ja, sted' nur Dein Daumerl in' n Mund- so- das ist auch gut und jetzt schlaf' hübsch." Johanna neigte sich zärtlich über die Kleine, die sich beruhigt hatte, und füßte sie.
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" Na, und wie wird's denn werden, wenn Sie ein zweites haben, werden's dann auch in die Versammlungen gehen?" forschte die Hübsche etwas höhnisch.
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strichen, jetzt fegte sie sie mit einem Ruck herunter zitterte.
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1904
ihre Hand
Die Lehrerin tätschelte sie beruhigend auf die Schulter. " Die Kathi hat's nicht bös gemeint, sie ist jung, denkt nur an sich, das Solidaritätsgefühl muß ihr erst eingepaukt werden."
,, Was hab' ich denn überhaupt g'fagt?" entgegnete Rathi andres, als daß ich froh sein werd', wenn die G'schicht' einmal von dieser leidenschaftlichen Zurechtweisung betroffen.„ Nig an End' hat."
fangt" erst an!" erwiderte Johanna barsch und entschieden. ,, Sie hat kein End', sie kann kein End' haben, denn sie lächelnd an Luise, die, nachdem sie sich gesättigt, mit Staunen „ Das ist eine Wehrhafte," wandte sich Fräulein Schwarz in der Partei nur mehr solche wären, die die Notwendigkeit und wachsendem Interesse den Vorgängen gefolgt war.„ Wenn eines festen Zusammenschlusses so gut begreifen würden, wie sie," und leiser, wie in heimlicher Bewunderung, flüsterte sie Luise zu:„ Sie ist so tüchtig, sie hat unter ihren Arbeitsfolleginnen bereits eine Art Organisation zusammengebracht." Was haben Sie für eine Arbeit?" fragte Luise, sich direkt
Dann hört's natürlich von selbst auf, aber heut' so viel auf dem Spiel steht, wo sich's entscheidet-" Gott sei Dankwerd' ich froh sein, wenn die G'schicht' einmal aus ist-!" rief die Junge, ihrem Temperament nachgebend, in hißiger Weise. Das war mir schon z' dumm. an Johanna wendend. Diese ewigen Wahlbesprechungen, diese Versammlungen und dabei die Schreibarbeit, bis spät in die Nacht der Meinige hat keine Zeit mehr zum Essen g'habt, keine Zeit mehr zum Schlafen wenn einer so schwer arbeit' und dann noch das dazu wozu hat man denn dann einen Mann
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Die vom Nachbartisch, die der lauter werdenden Sprecherin zugehört, lachten belustigt auf, und ein kleiner schwächlicher Jüngling mit einem markanten Gesicht rief:
" Na ja, die Kathi will halt nit teilen, die braucht ihren Mann für sich ganz allein, die laßt ihn nit aus."
Kathi schnitt ihm eine Frage:„ Gengen's, Ihnen lasset aus wenn Sie der Meinige wären jede Nacht müßten's anderswo aschitieren."
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„ Da hast es," lachten die Männer. " Der Schnabel," flüsterte eine ältere Frau ihrer Nachbarin zu. Und zur Kathi gewendet, sagte sie: Von der Agitation hab' ich dem Meinigen nie abg'redet, nit in der ersten Zeit, nit jetzt, wo wir fünf Kinder haben, das hätt' ich nie über's Herz' bracht, und heut' hätt' ich auch nicht daheim bleiben mögen, g'rad' wie die Frau da."
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binderei beschäftigt sei, schon seit Jahren. Sie arbeite in Stüd Diese erzählte ihr, daß sie als Falzerin in einer Buchlohn und könne mit der Maschine täglich 4000 Bogen falzen, ja auf 5000 habe sie es schon gebracht.
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Auf einen Gulden vierzig Kreuzer bin ich im Tag gedie so vi el verdienen, das spürt man im Haushalt." kommen," fügte sie nicht ohne Stolz hinzu.„ Es sind wenige,
,, Sie spüren's auch an der Gesundheit," tadelte die Lehrerin, und zu Luise gewendet, sagte sie: In dem Betrieb haben's nur junge Mädeln, weil dabei keine alt wird. Ich sag' Ihnen, Johanna, es ist die höchste Zeit, daß Sie ausspannen." ,, Will ich auch, in den letzten Wochen hab' ich nur mehr 2000 gefalzt und wenn jetzt das Kind kommt, dann mein Mann will, ich soll überhaupt zu Hause bei den Kindern bleiben
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ich möcht's ja auch und jetzt sind wir aus den Schulden heraus, jetzt können wir's probieren. Solange nicht Krankheit oder sonst ein Unglück uns trifft, wird's vielleicht gehen. Was haben denn Sie für eine Arbeit?" fragte sie Luise in freundlicher Neugier.
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Diese errötete start. Ich!?" „ Das Fräulein ist wahrscheinlich Comptoiristin oder Lehrerin," beeilte sich die gute Schwarz zu sagen, die ihre Verlegenheit merkte.
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Luise verneinte, und voll bitterer Verve, die sich selbst anflagt, sagte sie: Ich habe keine Arbeit ich habe mein Lebtag nichts gearbeitet auch nichts gelernt, womit ich mir etwas Arbeit und ich würde alles nehmen, das ehrlich ist- ich würde verdienen könnte... Und nun muß es doch sein, und ich suche mich mit dem Geringsten begnügen, wenn es-" fie stockte, ,, nur Brot!" fügte sie leiser hinzu, während sie mit einem unsäglich flehenden Ausdruck die Arbeiterin ansah, als wäre sie die einzige, die ihr helfen könnte. Diese verstand sie.
" Jeder hat sein' eigne Manier," entgegnete die Kathi, immer gereizter. Ident', wenn man amal Kinder hat, dann hört das auf- und ob wir um a Stund ' früher oder a Stund ' später die G'schicht' erfahren d'rauf kommt's nit an bei uns nit, das geht doch eigentlich nur die Männer was an." ,, Eigentlich ja," sekundierte ihr eine Zweite. " Oho!" protestierten die übrigen Frauen, die der Auseinandersetzung gefolgt waren. Johanna, die über ihr Kind gebeugt geblieben, blickte jetzt auf, die dunklen Augen funfelten in dem blassen Gesicht. " Sie wissen nicht, was Sie reden... begann sie schwerfällig, als ordnete sie ihre Gedanken nur mühsam zu Sägen, aber ihre Eregung riß sie mit fort.' s geht nur die Männer so- das is ja g'rad, als ob wir nicht alle unter der Wenn Sie in die Fabrik gehen wollen, ich könnte Sie Ausbeutung leiden müßten Männer- Weiber- Kinder schon rekommandieren. Ledige junge Mädeln nehmen sie gern -die Ungeborenen sogar und wenn die Männer im Kampf und jetzt vor Ostern ist mehr zu thun. Aber die ersten vierzehn borausstehen und zuerst getroffen werden und welchen Tage werden Sie nicht bezahlt, Sie müßten erst eine UnterGefahren sind sie nicht ausg'fekt!- heut' haben's Arbeit, morgen weisung bekommen." haben's feine dann kommen die Streits d'rauf folgen die Entlassungen oder wie, wenn's durch die Maschin' gleich ganz zu Krüppeln werden wer hat dann die Kinder am Hals? Wir Weiber wir, wir haben für sie zu sorgen wir haben nicht nur uns zu ernähren, sondern auch die Kinder und die Männer dazu! Und d'rum geht das uns g'rad' so an, wie sie und jedes Recht, jede kleine Verbesserung haben wir mit erkämpft, mit erkauft unter tausend Entbehrungen- and wir halten es fest- wir wollen noch mehr und wenn fich's um Sieg oder Niederlage handelt, wie heut', dann wird auch uns jede Minute zu einer Ewigkeit. Da kann man nicht ruhig zu Haus fizen und warten da ist's einem nicht gleich gültig, ob man's um eine Stund ' früher oder später erfährt mir wenigstens nicht mir nicht-!"
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„ Nicht bezahlt? Dann weiß ich mir nicht zu helfen!" Es klang schier verzweifelt.
Johanna sah sie mitleidig an. Wenn ich Sie anleite, dann werden Sie's vielleicht früher erlernen. Sie sind ja gescheit, aber es werden Monate vergehen, ehe Sie's höher als auf Zweitausend bringen- das braucht Uebung."
Luise senkte den Kopf noch tiefer unter einem Seufzer. Da fühlte sie eine kleine, weiche Hand, die die ihrige drückte, und eine sanfte Stimme flüsterte ihr ins Ohr: Nehmen Sie's nur an, an der Johanna werden Sie eine gute Lehrmeisterin haben und mehr noch, wir werden Ihnen schon über die erste Zeit hinweghelfen." Und als Luise die Sprecherin überrascht ansah, nickte sie mit ihrem traurigen Lächeln ihr zu:" Ich kann mir schon Sie hatte, während sie sprach, vor sich hin blickend, die denken, wie Ihnen zu Mute ist mir ist's ähnlich ergangen, Brotfrummen am Tisch mit einer Hand eifrig zusammen ge- wir sind ja alle so wenig ausgerüstet fürs Leben, und ich we'k
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