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bier Bushel

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Rotenturms aufgehängt war. Warum ein so eigenartiges Wahr -| einem halben Quarter Weizen, die jedem neus zeichen dort angebracht wurde, darüber giebt uns die Ueberlieferung vermählten Paare zu verabreichen waren, das ein Jahr und einen nachstehende Einzelheiten bekannt. Es sollen einstmals die Weiber Tag verbunden gewesen und erklären wollte, daß keines von beiden der Stadt Wien eine derartige Herrschaft über ihre Männer sich seine Ehehälften vertauschen möge, mit niemandem auf Erden, weder errungen haben, daß der Nat der Stadt sich veranlaßt sah, eine mit reicherem noch ärmerem, weder mit hübscherem noch häßlicherem, Specseite oben am Turm aufzuhängen mit der Aufforderung, daß noch mit jemandem aus hoher Familie, weder wachend noch schlafend, jeder Ehemann diese herabholen und heimtragen dürfe, der sich zu feiner Zeit." bewußt sei, Herr in seinem Hause zu sein. Aber es habe sich, wie der Chronist berichtet, keiner gefunden. Nur von einem einzigen Verfuche, der aber jämmerlich mißglückt sei, erzählt die Sage. Noch im Anfang des 18. Jahrhunderts befand sich neben dieser Speckseite eine Aufschrift, auf der nachstehender Reimbers zu lesen war: " Befindet sich irgend hier ein Mann Der mit der Wahrheit sprechen kann, Daß ihn seine Heirat nicht gerauen, Und fürchtet sich nicht vor seiner Frauen, Der mag diesen Backen herunterhauen." Jahrhunderte lang, so wird berichtet, hat die Speckseite un­berührt in ihrer Höhe gehangen, ohne daß auch nur einer sich getraut hätte, sie herabzuholen. Und der oben angedeutete einmalige Versuch scheiterte, fomisch genug, eben an der Furcht vor der Frau des un­bedachten Unternehmers. Als man nämlich eine Leiter herbeigebracht hatte, mittels der er das Werk vollbringen wollte, trat er mit der Entschuldigung zurück, ein andrer möchte es vor ihm thun, denn wenn er es thäte, möchte er seinen Rock beschmutzen und von seiner Frau übel angefahren werden.

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Wie lange Zeit die natürliche Speckseite unter dem Rotenturm gehangen, oder wie oft sie infolge Verwitterung hat ergänzt werden müssen, wird leider nicht erwähnt. Später wurde die natürliche Speckseite durch eine solche aus Holz ersetzt, deren Aussehen durch Bemalung einer natürlichen ähnlich gemacht war. Unter ihr war die Inschrift zu lesen:

" Welche Frau ihren Mann oft rauft und schlagt Und ihn mit solchen kalten Laugen zwagt,*), Der soll den Pachen**) lassen henken,

Ihm ist ein anderer Kirchtag zu schenken."

Auch in Deutschland scheint dieser sonderbare Brauch während des Mittelalters unsern Vorfahren nicht unbekannt gewesen zu sein. Es muß dies aus einer in dem Fastnachtsspiele Der böse Rauch" vorkommenden Stelle geschlossen werden, die auf eine ähnliche Sitte hinzudeuten scheint. Ein von seinem Weibe geschlagener Mann nämlich läßt sich dort also vernehmen:

Ich ließ mein Weib sein Herr und Mann, Namb mich der Herrschaft gar nicht an,

Derhalb ich seyther gar durchauß

Der Narr hab müssen sein im Hauß.

Daß ich sehther hab dieser Sachen

In Teutschen Hof den schweinen Bachen Nie holen dürffen auff mein Eyd."

Außer dieser Bezugnahme auf das Bachenholen" in einem Fast­nachtsspiele hat Hans Sachs diese Sitte noch in einem besonderen Fastnachtsspiele zum Gegenstande der Bühnenbearbeitung aus­ersehen. Dies führt die Titelangabe: Ein schön kurzweilig Fastnachts­spiel mit dreyen Personen, nämlich: Ein Kelner und zwen Batoren ( Bauern), die holen den Bachen im Teutschen Hoff". Auch von einem neueren Dichter, J. N. Vogl, ist derselbe Gegenstand als Ballade bearbeitet worden.

So selten nun auch dieses Brauchs in unsrer Literatur Er­wähnung geschieht, so muß man gleichwohl sich zu der Annahme für berechtigt halten, daß er in Deutschland , wenn auch teilweise in andrer Form, verbreitet gewesen sei. In einer Chronik der Städte Calbe , Afen und Wankleben( Halberstadt ) nämlich wird erzählt, die Ein­wohner von Brumbi, einem Dorfe im Amte Calbe , waren schuldig, dem heiligen Antonius ein Schwein zu halten und zu ernähren, das den Tempelherren , die ein Gut bei Brumbi besaßen, zuständig ge­wesen, mit dem Bedeuten, daß, wer in demselben Dorfe in seinem Hause absoluter Herr wäre, dem solle dieses Schwein zu eigen werden. Als nun einmal ein Bauer solcher absoluten Herrschaft sich rühmte, wurde ihm zivar das Schwein zu holen vergönnt. Weil es aber im Heimholen sich sträubte und ihm die Strümpfe beschmußte, und er forgete, es werde seine Frau mit ihm deshalb nicht zufrieden sein, mußte er diesmal das Schwein fahren lassen und sich zur absoluten Herrschaft in seinem Hause besser legitimieren." Die Grundidee der eigentümlichen Sitte ist also auch hier festgehalten, wenn auch dabei nicht von dem Herabholen einer in der Höhe aufgehangenen Speckseite die Rede ist, sondern wenn es sich vielmehr um das Heim­holen des ganzen noch lebenden Tieres mit seinen beiden Speck­feiten handelt.

In dem eingangs bereits erwähnten Dunmow in der Grafschaft Effer ist es beinahe sprichwörtlich geworden, eine zufriedene Ehe mit dem Verdienen der Dunmower Speckseite in Verbindung zu bringen, eine Thatsache, die bei verschiedenen Schriftstellern den Glauben er= weďte, der Brauch sei nur dort eigentümlich und überhaupt nur in England heimisch. Bei der kirchlichen Einsegnung der Che waren beide junge Eheleute verpflichtet, ihren Entschluß in friedfertiger Gemeinschaft miteinander leben zu wollen, durch eine hierauf ge= richtete Eidesformel zu bekräftigen. Diese Eidesformel mußte knieend auf zwei spigen Steinen" geleistet werden. Die Steine werden noch heute im dortigen Kirchhof gezeigt. Mit wie lebhaft freudiger Anteilnahme stets eine derartige Eidesleistung ganz allge= mein von der Bevölkerung begrüßt wurde, erhellt aus den hieraus folgenden Veranstaltungen. Das Ehepaar wurde von einigen starten Männern auf die Schulter emporgehoben und um das Dorf herum­getragen, woran sich der ganze Troß des Klosters und der Gemeinde, Alte und Junge, mit lautem Freudengeschrei beteiligte und Speckseite vorangetragen wurde. Aufzeichnungen über solche Vor­gänge scheinen jedoch nur selten niedergeschrieben worden zu sein, denn den Papieren jenes Gutes ist zu entnehmen, daß bis zur Ein­führung der Reformation im Jahre 1521 der Bache nicht mehr als dreimal eingefordert worden ist. Wohl aber giebt es in England weit ältere Erwähnungen des Gebrauchs der Speckseite in ihrer Be­deutung für das Eheleben, von denen eine bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts zurückreicht, während eine andre noch älter ist. Es darf aber die Seltenheit des Bachenholens" feineswegs als ein günstiges Zeichen für den Bestand friedfertiger Ehegemeinschaft an­gesehen werden, wie sich dies aus dem Wortlaut einer unverkennbaren Klage in einem ungedruckten Coder zu Orford ergiebt, wo es in deutscher Uebertragung heißt:

,, Es findet sich niemand, der jetzt befahre Nach Dunmows Kloster den rechten Weg; Denn alle bereuen in einem Jahre,

Und viele schon früher. Drum Pfad und Steg Bon wildem Gestrüpp sind rings umwunden; Die rechte Spur wird nicht mehr gefunden."

die

Dat infolgedessen der Brauch, die Speckseite einzufordern, mit der Beit zu einem Scherz und lustigen Schwant wurde, tann nicht be= fremden, ebensowenig die Thatsache, daß später angestellte Versuche, ihn wieder zu beleben, erfolglos blieben.-

Ernst Floeßel.

Kleines feuilleton.

Aus dem Köhlerleben des Harzes. Das Augustheft der illustrierten Zeitschrift" Der Tourist" bringt aus der Feder Pro­fessors Dr. Alfred Kirchhoff folgende interessante Schilderung: Wer den Harz noch aus Wanderungen in früheren Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts kennt, wird sich des überraschenden Anblicks erinnern, den mitten im Waldesgrün der kreisrunde, noch unbe­wachsene und kohlschwarze Bezirk eines alten, längst ausgenutzten Kohlenmeilers verursachte. Was jetzt in unsern deutschen Gebirgen überhaupt nur selten zu schauen, der hohe, nach oben tegelartig verjüngte, einem riesigen Bienenkorb ähnliche, wohlgefüllte Aufbau eines Meilers, war damals besonders im Oberharz eine gar häufige Staffage der Waldlandschaft. Schon von weitem bemerkte man den anheimelnden Duft der schwelenden Holzmasse, ehe man noch den bläulichen Qualm durchs Grün der Fichtenwipfel friedlich emporsteigen fah. Endlich stand man vor dem Meiler selbst und bei den spit kegel­förmigen Holzhütten, die, Indianer- Wigwams ähnelnd, den ruß­schwarzen Söhlern zum Obdach dienten. Die Kohlungsstelle, d. h. die Unterlage, auf der der Meiler errichtet war, maß gewöhnlich 10 bis 12 Meter im Durchmesser. Darauf erhob sich der Meiler in der besagten Gestalt eines abgeftumpften Regels; war das Gelände zu abschüssig, so war an der Thalseite eine Mauer gezogen und innerhalb deren der Boden mit Erde aufgefüllt, damit die Tragfläche für den Meiler streng wagerecht sei. Vom zu verkohlenden Holz sah man von außen gar nichts; es war meist sogenanntes Stubben- oder Stufenholz, also die untersten Teile der niedergefällten Waldbäume nebst ihrem vielverzweigten Wurzelwerk. Tüchtig in einander ge= rammt, sezten diese Holzmassen einen Aufbau zusammen, der selbst dem wütendsten Gebirgssturm troßte. Die Außenwände des Meilers waren ganz überkleidet von Nadelholzreisig, Moos, Laub oder Rasen, worüber noch ein fester Bewurf mit Erde lagerte. Die äußere Luft durfte ja keinen ungehemmten Zutritt erhalten, weil man sonst das alles fertig gerichtet, so begann man in mittlerer Höhe( am Quandel) mit Hilfe von trodenem Holz die Zündung, die man durch Stechen von Luftgängen zuerst in die Haube( den Oberteil des Meilers) leitete, dann auf die nämliche Weise tiefer und tiefer führte, bis die Glut endlich bis zum Fuß sich ausbreitete, worauf dann alle Zuglöcher dicht verschlossen wurden und der Meiler zur Gare ging.

Wenn nun auch allgemein bekannt ist, daß Sitten und Bräuche von einem Volte auf das andre sich leicht übertragen und nament­lich auf verwandte Stämme überzugehen pflegen, so muß es gleich wohl in hohem Maße auffällig erscheinen, daß die Sitte der Speck- Holz zum Verbrennen statt zum Verkohlen gebracht hätte. War seite auch jenseits des Kanals, in England, heimisch zu finden war. Auf einer Gutsherrschaft in Wichnore, auch Wichnover genannt, in Staffordshire ist an das Land- die Landbewohner. die Feudal­pflicht geknüpft, zu jeder Zeit eine Speckseite bereit zu halten nebst

*) Mittelhochd.= waschen.

Bache , Bache= Specseite des Schweins.

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