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meisten frant, ganz aus dem Taft, und alle andern überschreiend, sang er vollständig auf eigne Faust.
" Der blött aber!"
Und wie falsch dazu!" „ Unerträglich!" Still!"
' s ist ne Schande!"
Unter die Bank mit ihm!" riefen sie ihm lachend zu. " Was versteht Ihr davon, Ihr Grünschnäbel! Das ist ja erst das echte, rechte!" fauchte er sie an. Wir haben's gefungen, als wir, die Sense in der Hand, auf die Kanonen losgingen!" Er stemmte die Hände in die Seiten, stellte die Beine noch weiter auseinander und brüllte, die" Doppelflinte" in die Luft streckend:
„ Wie der Leu
In der Wüste frei!
Hange, hange, hange, hange!
Noch ist Bem*) uns nicht verloren, Drum den Schrecken abgeschworen! Hange, hange, hange, hange."
Die weiteren Worte des Liedes waren ihm entfallen, aber Sie hatten alle genug davon, denn das: Hange, hange! konnte fich ins unendliche wiederholen. Sie versuchten, ihn zum Schweigen zu bringen, aber als fie sahen, daß es unmöglich war, sagte Samuel refigniert: " Laßt ihn in Ruhe! Mag er singen dem Feste zu Ehren...
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( Rachdrud verboten.)
Der Anekdoten- Veteran.
Von Hans Isarius.
Noch höre ich sein letztes:" Hab' ich Ihnen schon die Geschichte erzählt von dem und dem?" Wenige Tage darauf hat ihn ein schnelles Altersende hinweggeführt in das Land der großen Peinte. Mit ihm ist die Freude un der Schreck aller seiner Freunde und Bekannten davongegangen, ein Einer, in seinem Fach" so groß wie ein Napoleon in dem feinigen. Daß wir ihn nur ja nicht verwechseln mit den an allen Wegrändern wild wachsenden Anekdotenrittern, die ewig ihre paar Erinnerungen aus Meidingers erster Auflage so aufdringlich und so wenig eindringlich wie möglich zum besten oder schlechtesten geben! Er war kein Lieutenant, Archibald de Zornoza aus der Operette" Der Hofnarr", der die Menschheit mit zwei Anekdoten verfolgt: der einen( die doch nie kommt) von der Kardinalswitwe, und der andern, wie er mit Kolumbus Amerika entdeckt hat bis man beide Anekdoten in einem
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Knallerbsenbuch in seine Rocktasche findet.
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Nein: unser Held war ein Künstler der Anekdote, ein Vers ächter der Pfuschertums in seiner Kunst und Wissenschaft, ein Hasser des Dilettantismus. Ich höre, den letzten Anstoß zu seinem Ende soll einer der krampfhaften Aergeranfälle gegeben haben, in die er verfiel, wenn jemand eine Anekdote auch nur mit einem einzigen Kunstfehler" erzählte. Diesmal soll es die Geschichte gewesen sein bon dem Kranken, den der Wärter beim Baden unters Wasser tauchte." Untertauchen," rief der Heraufgekommene atemlos. „ Untertauchen, hat der Doktor gesagt," rief er, als er das zweite Mal aus dem Wasser emporgekommen. Untertauchen, hat der Und der Chorgesang zerstreute sich, löste sich in einzelne Doktor gesagt, sollen S' mich," rief er zum drittenmal und Melodien, Wörter, Töne auf. Jeder sang, was er wollte, was" Untertauchen, hat der Softor gesagt, soller Smich nicht." ihm im Gedächtnis haftete, was er am liebsten hatte, und mit zum viertenmal. Nun mußte unser Held den Schmerz erleben, zu den Liedern kamen unmerklich auch die Erinnerungen daher- hören, wie dieser die Geschichte s erzählte, als sei fie einem gezogen. Die Melodien verstummten eine nach der andern. Stotterer passiert. Er soll so wütend geworden sein, daß er schon anfing, die Pointe dieser Anekdote zu erklären Nur Jan brüllte noch, obgleich er schon ganz heiser war. End- feine feine eigensten Principien war. Ich kann ihm den tödlichen lich brach auch er, erstaunt von dem eingetretenen Schweigen, Schmerz nachfühlen. Schon einmal war es ihm ähnlich ergangen. ab und sah sich um. Das geschah mit der Geschichte von den Münchener im Hofbräu, den ein Norddeutscher fortwährend vergebens zum Reden bringen wollte, bis er auf den schließlichen Verwunderungsausbruch des Fremden mit aller Maßtrugruhe antwortete: red' net." Damals erzählte jemand diese Geschichte mit dem Schlußtert:„ Heut red' i Unser Freund wartete gar nicht ab, daß jenem Unglüc nig." menschen erst noch der Standpunkt flar gemacht wurde. Erging
„ Na, was ist los?"
„ Nichts!"
" Ich will's Euch sagen," sagte Niehorski mit etwas unficherer Stimme; es... ist doch etwas los... denn mir fliehen. ich muß es Euch jetzt sagen... ich will die Gelegenheit benußen... da wir.. alle zusammen sind. Wir kommen alle um vor Sehnsucht, wir gehen zu Grunde. it's also nicht besser... statt hier langsam zu verglimmen... sich aufzuraffen und
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Ein tiefes Schweigen herrschte in der Stube. " Ich fliehe," sagte Woronin entschieden, indem sein düsteres Antlitz aus der Dunkelheit auftauchte. Aber niemand unterstützte ihn; es schien, als warteten sie alle noch auf etwas: Wir fliehen, gewiß fliehen wir!" wiederholte Niehorski begeistert." Dieser Plan ist sicher nicht wahmvizig. Hört zu; Ihr werdet bald überzeugt sein."
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Er ergriff die Kerze, ging schnell auf die an der Wand hängende Landkarte zu und zog die andern mit sich fort.
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Hier ist Dschurdschni," sagte er, mit dem Finger darauf zeigend, und hier der Fluß und dies ist die Tichelemsja, sein Nebenfluß. Seht Ihr, wie weit nach Westen seine Quellen reichen? Von dort bis an die Lena ist's nicht weiter, als hundert bis hundertfünfzig Werst! Eine Kleinigkeit! Und der Bergrücken ist auch leicht zu überschreiten: er ist niedrig und schmal, ich hab' die Eingeborenen gefragt. Auf diesem Wege pflegen die Tungusen ihre Waren nach Dschurdschni zu bringen. Nur eins ist nicht günstig meinen fie: außer in der nächsten Umgegend der Städtchens giebt's nirgends Menschen.... Aber das paßt uns ja gerade... Was meint Thr? Also ich nehme an, wir gelangen das Thal der Tichelemsja entlang an den Bergrüden und passieren ihn; am westlichen Abhang des Gebirges hier, dicht dabei, sind die Quellen eines andern Flüßchens, eines Nebenflusses der Lena. Der ganze Weg führt also an Flußthälern entlang. Wir werden ungefähr neunhundert Werst zurückzulegen haben, nun, sagen wir: ein ganzes Tausend. Im schlimmsten Falle wird uns der ganze Sommer darüber hingehen. Dann wählen wir einen geeigneten Platz, um zu überwintern. Alexandroff und Krassusti verstehen ganz gut mit der Art umzugehen, die andern werden's lernen. Wir bauen ein ganz fleines, enges Haus, nur um einen Unterschlupf zu haben. Wir werden jagen, Fische fangen. Dort giebt's viel Wild.
*) Joseph Bem. Polnischer General. Leitete 1848 die Verteidigung Wiens und wurde Nachfolger Görgehs im Oberkommando des ungarischen Revolutionsheeres.
( Fortsetzung folgt.)]
heim, legte sich und blieb tagelang frank.
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was gegen
In seiner damaligen Krankheit beschäftigte er sich mit einer Gedankenarbeit, die ihm ebenso wichtig schien, wie andern die Bes freiung der Sflaven oder die Errichtung automatischer Restaurants. Er klassifizierte nämlich die Feinde des Menschengeschlechts. Lange schwvantte er, ob er an erster Stelle die nennen sollte, die beim Erzählen einer Anekdote die Pointe zuerst bringen, oder die, welche die Pointe zwar an richtiger Stelle, aber falsch angeben. Endlich entschied er sich dafür, diese doch noch milder zu beurteilen als jene; denn, meinte er, bei jenen ist alles rettungslos verloren, während bei diesen doch noch ein Helfer in der Not berichtigend und rettend einspringen fann. Dann tamen weiterhin die Klassen derer, die beim Erzählen nicht ernst bleiben können( die" Lachtöter", wie er fie nannte); weiterhin die, welche beim Hören zu frühe lachen, weil sie die Pointe schon gekommen glauben( fie„ effen unreifes Obst"); ebenso die, die sich mit dem Erzähler um die logische Berechtigung der Pointe herumstreiten, wie zum Beispiel bei der Antwort auf die Frage, was ein Theaterbillet sei es sei aufzubewahren und auf Berlangen vorzuzeigen; usw. usiv. Noch eine wichtige Klaffifitation beschäftigte ihn während dieser Krankheit. Er brachte seinen Vorrat in eine systematische Ordnung. Ich brauche wohl nicht erst zu sagen, daß er sich jede Anekdote, die er fennen lernte und des Behaltens würdigte, notierte erst mit furzen Schlagworten und dann in ausführlicher Tertierung; wobei es ihm allerdings manchmal passierte, daß er den Zusammenhang Kurz, es wurde nun der Vorrat gegliedert, und zwar ganz biologisch in Familien" usw. der notierten Schlagworte vergessen hatte. So gruppierte er denn seine Schätze fein fäuberlich als„ Mitoschgeschichten", Stottergeschichten",„ Hotelwandgeschichten"( wie Einer durch die Wand hindurch hört, was drüben vorgeht), polnische Judengeschichten"," bayrische Pfarrergeschichten"," sächsische Dialettgeschichten", und was weiß ich, wie viele noch! Der Umstand, daß er fort und fort mit lebergängen" zu thun bekam, die er nicht leicht einreihen konnte, machte ihn zum leidenschaftlichen Darwinianer. So oft er von einem Anti- Darwinianer hörte, fragte er sarkastisch:" Der hat wohl nicht viele Anekdoten zu erzählen?!" Allein das„ Einteilungsprincip" des Inhaltes war für ihn genug. Er benützte noch einige andre, teilte zum Beispiel seine Schäße danach ein, wem sie zu erzählen seien, und bildete auf diese Art neue Gruppen von Geschichten: für Kinder bis 7 und bis 14 Jahren, für unverheiratete, für jungverheiratete, für altverheiratete Damen, für Gebildete und Ungebildete, für Untergebene und Vorgesetzte und dergleichen mehr. Noch eifriger jedoch beschäftigte ihn die Vers teilung der Anekdoten auf die Tageszeiten, für die ihm ihr Vortrag am passendsten erschien. Dem arbeitseifrigen Berufsmenschen hatte er schon früh morgens zum Antritt. der Lagesschicht Arbeits- und Bureaugeschichten mitzugeben; für die Höhepunkte der täglichen
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