karte, es waren e'm Paar Forster unter uns. also richteten wir uns nach den Sternen. So waren wir lange glücklich gewandert, bis der Zwieback alle war und wir in die Dörfer gehen mußten, Brot kaufen. Jetzt fing erst das Elend an: sowie einer hingeht, kommt er selten wieder! Unsre Sprache verriet uns! Als wir zum erstenmal sahen, wie die„Muschiks" einen von uns gefesselt nach dem Dorfe führten, wollten wir über sie Herstürzen, das Dorf anstecken und den Jungen be- freien. Schmitt hielt uns zurück: er stellte uns vor, es fei nicht recht, um eines Menschen willen so viele unglücklich zu machen. Ach, dieser Schuft von Schmitt! Wir beschlossen, zu losen, wer von uns Brot holen sollte, und von dem, der ging, nahmen wir Abschied, wie von einem Sterbenden. Und diese Freude, wenn er wiederkam! Die Mützen flogen in die Luft, Hurra!... Und denn gab's Umarmungen und Freuden- gelage. Aber je weiter wir kamen, desto schlimmer wurde es. Ein paarmal stießen wir auf Militär, aber wir ent- schlüpften. Einmal wollten uns Holzhauer alle zusammen festnehmen, aber wir kriegten sie unter, nahmen ihnen die Aerte ab und banden sie alle, obgleich ihrer mehr waren. In Dörfer zu gehen, wo ein Amt war, daran war erst gar -nicht zu denken! So wanderten wir hungernd weiter, und nährten uns von Kräutern und Sauerampfer. Und seht, in solch' einem Augenblick ließ uns Schmitt im Stich! Als wir eines schönen Morgens auswachten, ist unser Hauptmann aus und davon! Das Geld, die Landkarten, die Papiere, ja, sogar die besten Sachen hat er mitgenommen und ist verschwunden! Im ersten Augenblick waren wir wie vor den Kopf ge- schlagen... Wir haben keine Ahnung, wo wir bleiben, wohin wir uns wenden sollen, denn er hatte für uns alle gedacht. Dieser rät, sich den Russen zu ergeben, jener, den Verräter zu verfolgen, ein andrer, sich weiter zu schleppen, so lange's geht. Einer hat sich sogar in der Verzweiflung erhängt. Er ging schweigend beiseite, und ehe wir zu Ende geredet hatten, — war er fertig! Da erfaßte mich solch ein Kummer, daß ich die Finger an den Strick legte und schwor, das sollte dem Verräter nicht geschenkt werden, und wenn ich ihn: aus der Erde herauskratzen müßte. Und was sagt Ihr dazu: wir haben ihn richtig gefangen!... Er ging durch's Korn, trug ein Bündel am Stocke über der Schulter und pflückte die Nehren , die ihm unter die Hand kamen, ruhig ab und steckte die Körner in den Bdund. Als wäre nichts geschehen, summte er sogar ein Liedchen vor sich hin, bis wir aus unserm Versteck im Grase aufsprangen. Er wurde weiß wie die Wand, kreideweiß: er sagte kein Wort und streckte nur die Hand aus, als wollte er uns zurückstoßen! Wir aber," hier lächelte Herr Jan vielsagend und langte bedächtiger, als es sonst seine Art war, nach seiner Dose. „Ihr aber?" fragte einer der Zuhörer ungeduldig. (Fortsetzung folgt.), (Nnchdruck verboten.) Alle man ein kielcl wird. Von Leon X a n r o f. Autorisierte Ucbersetzung aus dem Französischen. l. Herr Marbrier(nach dem Frühstück sein Gläschen Chartrcuse leerend und vergnügt vor sich hinsingend):„Tralala.. lala... tralala... lala..."(Er setzt den Hut auf und küßt seine Frau ehrbar aus den falschen Scheitel, welcher ihre ernste Stirn krönt.)„Auf Wiedersehen, liebes Kindl Auf Wiedersehen!" Madame Marbrier:„Ach, Liebsterl Ich muß gerade auch ausgehen, einen Einkauf machen. Da könnte ich Dich ja bis zum Comploir begleiten?" Herr Marbrier(wird plötzlich scharlachrot, bekommt aber glücklicherweise gleichzeitig einen heftigen Niesreiz, der ihm ge- stattet, die verräterische Röte in einem ungeheuren Taschentuch zu verbergen):„Hatschil Hat— schil"(Etwas gefaßter):„N— einl Ich gehe nicht direkt ins Comptoir. Und dann habe ich es auch sehr eilig. Am Sonnabend, weißt Du, muß ich immer Kunden bc- suchen. Ich habe den ganzen Tag herumzulaufen!" Madame Marbrier:„Schade! Also dann auf Wieder- sehen heute abend?" HerrMarbrier(im Fortgehen):„Auf Wiederschen heute abend!... Tralala... lala... tralala... lala..." Herr Marbrier steigt fröhlich die Treppe hinab, betritt vcr- gnügt die Straße und macht sich in brillanter Laune auf seinen Geschäftsgang. Man kann lange suchen, bis man einen Kaufmann findet, der sich mit solchem Eifer an seine Arbeit bcgicbt. Es muß ein sehr angenehmes Geschäft sein, das Herrn Marbrier erwartet. Vor dem„kkentralhotcl" angelangt, tritt er ein. Vielleicht hat er einen durchreisenden Kaufmann zu besuchen, der hier ab- gestiegen ist? Aber neinl Er verlangt ein Zimmer, ein abgelegenes, stilles Zimmer, ganz am Ende eines einsamen Korridors. Er schärst dem Zimmerkellner ein, die Dame, welche nach Herrn Dubais — Louis Dubais— fragen werde, unverzüglich in dieses Zimmer zu führen. Im Zimmer angekommen, ordnet Herr Marbrier sorgfältig seine spärlichen Haare und unterzieht sich vor dem Spiegel einer eingehenden Musterung. Dann sieht er auf die Uhr, späht durch die Fcnstervorhänge und geht aufgeregt im Zimmer hin und her. Endlich klopft es. Herr Marbrier öffnet. Vor der Thür steht neben dem begleitenden Zimmerkellner ein Dämchen in extra- vaganter Toilette mit einem sehr großen Hut. Herr Marbrier grüßt ehrerbietig, die Dame erwidert den Gruß ccremoniell, aber kaum hat der Kellner die Thür geschlossen, als das Dämchen Herrn Marbrier an den Hals springt und ihn auf die Nasenspitze küßt. Welch sonderbare Art und Weise, eine geschäftliche Unterhaltung zu beginneu, und wie familiär diese Kundin ist!... Herr Marbrier:„Guten Tag, mein Aeffchen! Mein Lillichenl Mein geliebtes Mauseschwänzchen I" Villi(ihm vertraulich auf den Schädel klopfend, dessen glatte, weiße Haut trotz einer heroischen Zwangsanleihe vom Nacken her triumphierend in die Erscheinung tritt):„Guten Tag, meine dicke Billardkugel!" Herr Marbrier(ärgerlich):„Ra, weißt Tu. Lilli, Dir gebrauchst manchmal Ausdrücke, die mir gar nicht gefallen!" Lilli:„Nicht böse sein, Dickerchenl Wie soll ich Dich denn nennen? Soll ich Dich etwa Simson nennen?(Da er weiter schmollt): Na, na, umarme Deine Kleine und sei wieder gut!" Herr Marbrier(Villi einen Kuß gebend, der viel weniger keusch ist als der, mit welchem er soeben den ehrbaren, falschen Scheitel seines Ehegcsponscs beglückt hat):„Kleiner Teufel!" Lilli:„Und jetzt wollen wir es uns mal bequem machen.* II. Seit einigen Minuten herrscht in den Korridoren des Hotels ein verworrenes Geräusch: rasches Treppenlaufen, Stimmengewirr, kurze Befehle, die zunächst nur undeutlich bis in das entlegene Zimmer am Ende des Korridors dringen, die aber schließlich doch die geschäftliche Zusammenkunft Herrn Marbriers und seiner Kundin stören. Lilli(unruhig):„Aber was ist denn los? Was bedeutet der Lärm in diesem Kasten?" HerrMarbrier:„Was geht uns das an? Wahrscheinlich ein paar neue Reisende, welche..." Lilli:„Glaubst Du? Aber sonderbar— es hört sich gerade so an, als wenn Leute schreien?" Thatsächlich übertönen jetzt weibliche Schreie den wachsenden Tumult. Herr Marbrier:„Na ja. Jedenfalls hat irgend eine Dame einen Nervenanfall bekommen. Das kann. uns ja ganz egal sein." Lilli(lachend):„Sag' mal, wen» es nun die Polizei wäre, die uns einen kleinen Besuch abstatten käme? Deine Frau könnte Dir ja gefolgt sein und..." Herr Marbrier(unangenehm berührt):„Du hast ja sehr lustige Einfälle, weißt Du!" In diesem Augenblick— der Lärm im Hotel nimmt immer noch zu— erhebt sich auf der Straße ein lautes Geschrei. Herr Marbrier(geht ans Fenster und ficht die Trottoirs schwarz von Menschen, die heftig gestikulierend das Hotel betrachten): „Aber das... aber das ist doch... Was ist denn los, zum Teufel?" Lilli(von Furcht ergriffen):„Hier muß etwas Schreckliches passiert sein. Hörst Du es nicht so sonderbar knistern? Hörst Du nicht?"(Sie geht an die Thür, öffnet sie, blickt in den Korridor und stößt einen markerschütternden Schrei aus.)„Himmel!... Feuer! Feuer!" Herr Marbrier(kommt gerade noch zur rechten Zeit, um das Dämchen, welches ohnmächtig wird, aufzufangen. Auch er bc- merkt jetzt am Ende des Korridors blendende, schreckliche Fcucrgarben, vermischt mit schweren, grauen Rauchwolken, während ihm gleichzeitig glühend heiße Luft ins Gesicht schlägt. Er schreit wie wahnsinnig, aus Leibeskräften):„Zu Hilfe! Zu Hilfe!" Nichts als das dumpfe Knistern der Flanimen antwortet ihm. Augenscheinlich hat man die oberen Etagen schon verlassen, und auf Hilfe ist nicht zu hoffen. Herr Marbrier durchlebt einen schrecklichen Moment. Er fühlt, daß er dem Wahnsinn nahe ist. Aber im nächsten Augenblick hat er seine Fassung wiedergewonnen. Er fühlt, daß keine Minute zu verlieren ist. Ohne sich Zeit zu lassen, seine Toilette— er ist in Hemds- ärmcln— in Ordnung zu bringen, nimmt er Lilli und läuft bis an's Ende des Korridors. Gott ! wie schwer in gewissen Momentes solch eine leichte Person wiegt! Beherzt dringt er in die beißenden Rauchwolken ein, welche ihm den Atem rauben, durchschreitet und überspringt die züngelnden, heimtückischen Flammen, deren Glut ihm die Haut versengt, und steigt keuchend, stolpernd, geblendet die halbcingestürztc, brennende Treppe hinunter. Endlich ist die gefährliche Zone überschritten. Run hat er das Vestibül des Hotels erreicht, schreitet zwischen Feuerwehrleuten hin- durch, welche, eben angekommen, ihm im Vorübergehen eine Dusche
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21 (14.8.1904) 159
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