Kürze die Vorschläge erwägen, die ich mir erlaube, Ihnen zu unterbreiten. Z u n ä ch st muffen wir uns darauf besinnen, daß wir protestantische Christen sind. Wir muffen deshalb Juden, und mögen sie noch so wohlhabend und wohlthätig sein, grundsätzlich von unserm Verein fernhalten.(Geheimer Kommerzienrat Mendelssohn : Sehr richtig.) Zweitens: Jedes Mitglied unsres Verems muh sich der- pflichten, keinerlei Titel, Orden, Beförderungen anzunehmen, auch wenn sie ihm ohne sein Zuthun angeboten werden.(Bravo I) Drittens: Jede Person, die für unsren Verein einen Bei- trag spendet, muß sich gleichfalls verpflichten, alle Titel, Orden, Beförderungen oder sonstige Spenden und Vorteile zu verweigern. (Bravo I) Viertens: Die Namen der edlen Spender werden nirgends verzeichnet, sie werden gegen jedermann geheim gehalten. (Bravo I) Fünftens: Beiträge werden in der Regel nur in Kupfer und Nickel entgegen genommen. Der Höchstbetrag darf 200 M. nicht übersteigen. Jedem soll es möglich sein, sein Scherflein beizutragen zu den Werken christlicher Liebesthätigleit. Aus den Pfennigen der Millionen Armen sollen unsre Kirchen sich aufbauen, nicht aus den Tausendmarlscheinen des protzenden, unchristlichen Reichtums.(Hände- klatschen.) Und nunmehr, hochehrwürdige Versammlung, beginnen wir die neue Aera unsres Wirkens mit der Errichtung einer Kirche, die Herr- licher und gewaltiger rage denn alle andren, als ein Denkmal der Sühne vergangener Schuld, als ein Wahrzeichen unsrer geläuterten Gegenwart erhebe sich hier in Berlin , mitten in dem Bankviertel zwiichen Behrenstrahe- und Unter den Linden eine.Kirche der r einen Händel*(Jubelnde Zustimmung.) In diesem Sinne bitte ich Sie, einzustimmen in den Ruf: Die Kirche der reinen Hände hurra, hurra, hurra I Die Vorschläge des Vorsitzenden werden debattelos einstimmig angenommen. Die erste Sammelliste für die Kirche der reinen Hände bedeckt sich schnell mit den Beitragen der Anwesenden: es werden durchweg Summen von 5, 10 und 50 Pfennig gezeichnet. Nur der Hofschneidern, eister, der Hofsriseur, der Hofbuchbmder und der Hofschlächtermeister steuern je eine Mark bei. IL Ein Jahr später. An der Generalversammlung des Central' Kirchenbau- Vereins nehmen sieben Personen teil: der Vorsitzende Kammerherr v. Behr, zwei Superintendenten , zwei Professoren sowie die drei Hofhandwerker. Der Vorsitzende erstattet den Kaffenbericht. Er stellt mit Aus- drücken des Bedauerns fest, daß die Sammlung für die Kirche der reinen Hände bisher insgesamt nur die bescheidene Summe von 137 Mark und 30 Pfennigen ergeben habe. Es seien darin ein« geschlossen noch einige aus Blei gefertigte Zehn- und Fünfzig- Pfennigstücke, die er jedoch mit Hilfe nicht genannt sein wollender Wohlthäter stillschweigend durch vollwertige Münze ersetzt habe. (Bravo I) Der Vorsitzende schlicht die Versammlung mit der Mahnung, in der Fortsetzung der Sammlung nicht zu erlahmen, damit die Kirche der reinen Hände sobald wie möglich in ihrer Pracht und Gröhe sich erhebe. IH. Noch ein Jahr später. Auherordentliche Generalversammlung des Central-Kirchenbauvereins. Der Saal ist dicht besetzt. ES herrscht grohe Erregung. Alles spricht und schreit durcheinander. Der Vorsitzende Kammerherr v. Behr eröffnet die Versammlung, die unruhig bleibt, so daß er nur nach langem heftigen Läuten sich mühsam Gehör verschafft. Er macht die betrübende Mit- teilung, dah der Kassenbestand des Verein? sich leider infolge not- wendiger Ausgaben von 187 Mark 30 Pfennig im Vorjahre auf auf 184 Mark 17 Pfennig vermindert habe. Es entsteht ein ungeheurer Lärm. Schrille Pfui-Rufe. Plötzlich schreit jemand: Mirbach soll wiederkommen! Und nun ruft die ganze Versammlung minutenlang im Chor: Mirbach, Mirbach, Mirbach! Endlich fährt der Vorsitzende Kammerherr v. Behr fort: Meine Herren I Wenn Sie meine Dienste nicht mehr wollen, so trete ich natürlich, wenn auch blutenden Herzens, zurück und überlaste dem Frciherrn v. Mir- bach wieder die Leitung unsrer Geschäfte. Aber(laut und feierlich) was der Freiherr v. Mirbach konnte, kann ich auch noch. Und ich kann mehr! Meine Herren! Ich bin in der Lage, Ihnen eine Mitteilung zu machen, die für die ganze Zukunft unsrer christlichen Liebesthätigleit von entscheidender Bedeutung sein wird.(Atemlose Spannung.) Hochehrwürdige Versammlung! Ich war heute ftüh bei unsrem allverehrten Kommerzienrat Sanden . Nach langer, schwerer Leidenszeit ist er den Seinigen, ist er uns wiedergegeben worden. Dieser hochherzige Mann hat sich sogar bereit erklärt, die ganze Bausumme 30 Millionen Mark in bar, nicht etwa in Hypotheken-Pfandbriefen, für die Kirche der reinen Hände herzugeben. Er hat keinerlei Bedingung an diese grohmüttge Spende geknüpft. Er at im Gegenteil hinzugesügt, er verlange nicht, dah das neue Gottes- aus statt.Kirche der reinen Hände*.Sankt-Sanden-Kirche" genannt werde, und er wünschte lediglich, daß man ihm vor der Zahlung mitteile, wie der Verein die Kirche endgültig nennen wolle. Hochehrwürdige Versammlung! Es bedarf wohl keines Wortes, dah wir trotz der Weigerung des edlen Stifters die Kirche nunmehr: S a n K Sanden-Kirche taufen.(Stürmische, allseitige Zustimmung.) Ich stelle Ihr Einverständnis hiermit fest. Hochehrwürdige Versammlung! Eine neue Morgenröte bricht für unsre christliche LiebeSthätigkett an. In diesem Sinne bitte ich Sie, einzustimmen in den Ruf: Die Sankt Sanden-Kirche hurrch Hurra, Hurra 1.. Joo. kleines femüeton. st. Eltern.Ach Gott , da sind Sie ja schon wieder!* Die junge Frau lieh nur widerstrebend das alte Weibchen eintreten, das ganz aufgeregt an der Flurthür gewartet hatte. Nun starrte es scheu und verwundert die Oeffnende an und stotterte:'Das Lottchcn." Na, kommen Sie nur. Aber ich habe wenig Zeit, Frau Heinichen. Sie sehen, ich bin gerade bei der Toilette. Mein Mann und ich wollen ins Theater." Sie führte die Angekommene ins Zimmer, ergriff die Lockenschere und wärmte sie über der Spiritus- lampe:Also, was ist schon wieder mit Lottchen?* Wieder?* Frau Heinichen sah auf dem äußersten Ranoe eines Stuhles, sah betrübt zur Erde und schüttelte den Kopf, als begriffe sie das Wesen der jungen Frau nicht.Vorhin war der Arzt da. Er sagt, daß es jeden Augenblick alle sein kann mit dem Kind. Mit Ihrem Lottchen, Frau Köhnel* Das letzte klang merkwürdig betont. Ohl" Frau Köhne sagte es bedauernd und machte eine halbe Wendung vom Spiegel fort, die Brennschere im Haar haltend. Ja. Und ich dachte dachte. Die Stimme der alten Frau zitterte.Jetzt jetzt werden Sie doch wohl kommen und sie noch mal sehen wollen.* Keine Antwort. Nur ein Stöhnen des Geplagtseins, lieber» eifrig beschäftigte sich die junge Frau mit den Locken. Das Kind hat Brechdurchfall. Wie ich s Ihnen gleich gesag* habe. Vorgestern war ich hier. Gestern zweimal. Sie hatten keine Zeit.* Die alte Frau nickte vor sich hin. Dann erhob sie den Kopf: Aber heute, Frau Köhnel Heute l" Ich Hab' auch heute keine Zeit! Und außerdem wiffen Sie doch: ich kann mich in Ihrem Hause nicht sehen lasten, ohne Ver- dacht zu erwecken. Ich muß an meinen Ruf denken, Frau Heimchen 1* Aber es ist doch Ihr Kind und ich bin doch man bloß die Pflegemutter. Und wenn's auch vor der Zeit gekommen ist Mutter ist doch Mutter, denk' ich. Wo das arme Wurm so krank ist! Nee, Frau Köhne, wenn ich denke, ich sollte." O, ich Hab auch Mutterliebe, Frau Heinichen I Glauben Sie nur nicht, daß es mir gleichgültig ist! Ich trage alles in der Brust, innen! Aber es ist doch nun mal so ein Kind, das vor der Hochzeit gekommen ist. Denken Sie: Die Stellung meines Mannes! Sein Ruf! Mein Ruf! Man müßte sich ja in den Boden hinein schämen, wenn das einer erführe!" Schämen? Sich wegen sein Kind schämen?" Frau Heinichen begriff es nicht.Davon versteh' ich denn wohl nichts, Frau Köhnel* Sie erhob sich fast trotzig.Ich kann bloß so viel sagen: jetzt, wo Sie und Ihr Mann verheiratet sind und jetzt noch das Kind in fremden Händen lasten darüber Hab' ich manchmal den Kopf so für mich geschüttelt, Frau Köhnel Wenn's auch gut bei mir aufgehoben war," fügte sie halb schluchzend hinzu.So ein liebes Balg!" Das verstehen Sie wirklich nicht, Frau Heinichen I" Die alte Frau stand zögernd an der Thür, als es klingelte. Sie ging hinaus, öffnete und kehrte gleich darauf ins Zimmer zurück. Die Stimme hatte einen harten, bebenden Klang, als sie sagte:So, Frau Köhnel Lottchen ist eben gestorben. Meine Tochter war da." Ohl" Die Brennschere sank hinab und die junge Frau setzte sich:Wie traurig! Und ich Hab' sie nicht noch einmal sehen dürfen I* Die Mienen zogen sich zu tragischen Falten und sie nickte: Also ist das arme Würmchen wirklich hinüber!" Sie fuhr mit dem Taschentuch über die trockenen Augen.Klopfen Sie doch, bitte, an die Thür rechts, ja, liebe Frau Heinichen? Mein Mann soll kommen." Herr Köhne kam, gerade im Begriff, sich den Ausgehrock über­zuziehen.Was ist, Lisbeth?" Denke Dir: Lottchen ist gestorben." Ohl" Der rechte Arm blieb halb im Nockärmel stecken. Dann fuhr er mit einer Gewaltanstrengung ganz hindurch und legte sich um die Schulter der jungen Frau:Tröste Dich, Lisbeth." Lisbeth schluchzte:Es ist so traurig." Sehr traurig." Ein Weilchen war es still. Dann sagte Frau Heinichen:Wann paßt es Ihnen am besten mit der Beerdigung?" Ach so, die Beerdigung I* Köhne kratzte sich den Kopf.Was meinst Du, Lisbeth? Wir müssen wohl mitgehen?" Nein, Karl, auf keinen Fall! Denke doch, wenn uns jemand sieht! Dann ist alles verraten I Deine Stellung! Unser Ruf!.'' Ja, der Ruf! Fatal, äußerst fatal, Frau Heinichen l" In den Augen der alten Frau glomm etwas wie Empörung und Verachtung auf:Was? Nicht'mal zur Beerdigung wollen Sie kommen?"