— 711 gründe sehr gut zu erkennen. Es ist nun keine einzige Wlagerung auf den heutigen Festländern bekannt, die in der Tiefsee entstanden sein könnte. Danach waren also die heutigen Kontinente niemals Tiefseeboden. Sie waren Wohl zeitweise vom Meere überspült, aber das Wasser über ihnen war immer nur flach. Andrerseits aber ist es Thatsache, daß frühere Landmassen heute Tiefseeboden geworden sind. Früher war Nordamerika und Europa verbunden, auch der indische Ozean war früher durch Landbrücke» von Indien nach Australien abgeschlossen. Sizilien war mit Afrika verbunden, während heilte ein tiefes Meer zwischen beiden liegt. So hat sich denn das Gebiet der Tiefsee vermehrt. Das Wasser auf der Erde bekam also tiefere Becken, in denen es sich sammeln konnte. Eine Folge dieses Ansammeins muhte sein, dah im übrigen die Festländer auf Kosten der Flachsee zunahmen. Und that- sächlich kann mau seit der Jurazeit eine Verlandung Europas , Nord- amerikas und selbst Asiens beobachten. Die reiche Entwicklung der Landtiere zu Beginn des Tertiärs, Säuger, Vögel, Insekten kann man mit der Zunahme des festen Landes in Zusammenhang bringen. So kondensieren sich denn die Betrachtungen Walters in den Haupt- sähen: In den ältesten geologischen Zeiten gab es noch keine Tief- see. Das Meer breitete sich weiter wie jetzt, jedoch in flacher Wasser- bildung über die Erde aus. Zu Beginn des geologischen Mittel- alters etwa entstanden die großen Tiefseebecken, die sich noch heute erhalten haben. Im Laufe der Zeit erfuhr die Tieffee einen nicht unbedeutenden Zuwachs, während die Flachsee zu Gunsten der Fest- landsmassen an Ausdehnung verlor. Die Veränderlingen des Meeresniveaus scheinen viel schneller zu erfolgen als man früher annahm. Gerade daS Meeresniveau hielt man für eine recht stabile Fläche, die man als Grundlage für die Höhen auf dem Festlande benutzen konnte. Alle Höhenangaben beziehen sich darum auf die Meeresoberfläche. Leider ist diese nur keine so ruhende Größe wie etwa der Meridian von Ferro oder der Gefrierpunkt des Wassers. Es scheint sogar, daß sich das Niveau des Meeres in sehr kurzer Zeit verändern kann. Das beweisen die Bodenbewegungcn, die sich in der Nähe von New Dork vollziehen und die von George W. Tuttle im..American Journal of Science" 1804(XVII, 333) behandelt werden. Danach weist zunächst das mittlere Meeresniveau eine periodische Schwankung von acht Jahren auf. Diese Perioden heben einander derart auf. daß im ganzen keine bestimmte Richtung der Bewegung weder nach der Höhe noch nach der Tiefe zu beobachten ist. Allein einige Häfen der benachbarten Küste lassen eine ziemlich einheitliche Hebung des Landes erkennen, an andern Orten dagegen senkt sich die Meeresoberfläche, an noch andern bleibt sie konstant. Daraus, daß in verschiedenen Häfen der Wasserstand derselbe bleibt, kann man schließen, daß es sich bei den Bodenbewegungcn, soweit sie nicht periodisch sind, um Veränderungen des Landes handelt. An einzelnen Stellen hebt sich die Küste, an andern senkt sie sich. In New Uork selbst zum Beispiel ist das Land gegenüber dem mittleren Meeresniveau um 1,45 Fuß gesunken, dagegen war in der Zeit von 1853 an keine Veränderung des Bodenniveaus wahrgenommen worden. Vielleicht sind auch hier die Schwankungen nur vorüber- gehend, so daß auf die jetzige Senkung wieder eine Hebung folgt, so wie jene erwähnten Schwankungen des Meeresniveaus bestimmte Perioden innehalten. Wenn Walther annimmt, daß den Emportreibungen des Erd- bodens ebensolche Erdsenkungen entsprechen, so setzt er voraus, daß die Erdrinde aus Erdschollen besteht, die in einem gewissen Gleich» gewichtszustande auf einer flüssigen Materie ruhen. Sinkt irgendwo eine Scholle tiefer ein, so muß sie dort die Flüssiakeit verdrängen, welche an einer andren Stelle erscheint und die auf ihr befindlichen Schollen in die Höhe hebt. Man ist der Meinung, daß die ver- sinkenden Schollen sehr schwer find, daß eS überhaupt die Schwere ist, die sie niederdrückt, während andrerseits die leichteren Erdschollen in die Höhe getrieben werden. Mit dieser Anschauung steht die Thaffache in Einklang, daß die Schwere, die Anziehungskraft der Erde, über dem Meere viel stärker ist als über den Gebirgen. Noch find indes wenige und zum Teil einander widersprechende Messungen der Erdschwere vorgenommen worden. Um so wichtiger sind deshalb die Bestimmungen der relativen Schwere, die Ricco an 43 Orten des sizilischen Vulkangebietes aus- geführt hat.(II Xuovo Cimento VI, 297.) Gerade in diesen Gegenden, wo noch jetzt thätige Vulkane, der Aetna , Volcano , Stromboli vorhanden sind und auch der Vesuv in der Nähe ist, hier konnte man erwarten, daß die Erdrinde einen besonderen Aufbau befitze und daß sich dieser auch in der Schwerkraft aus- drücken werde. Wäre die Erde aus einer gleichmäßigen Masse zusammengesetzt, so müßte die Anziehungskraft überall auf der Erde m gleicher Ent- fernung vom Erdmittelpunkte dieselbe sein. Nun ist aber die Erde aus sehr verschiedenen Schollen zusammengesetzt, und die einen be- sitzen eine lockere Struktur, während die andern stark zusammen- gepreßt find. An der einen Stelle find wohl gar leere Räume vor- Händen, während auf der andern ein Ueberschuß an Masse vor- Händen ist. Da die Gebirge vom Erdmittelpunkt weiter entfernt sind als das Meeresniveau, so müssen, falls man über ihre Maße einen Ausschluß erhalten will, die beobachteten Werte auf den Meeres- spicgel reduziert werden. Die Schwerebestimmungen RiccoS stimmen nun mit der auch sonst gemachten Beobachtung überein, daß über dem Meere die Schwerkraft größer ist als über dem festen Lande oder daß sie wenigstens nicht kleiner ist. Da das Wasser eine sehr geringe Dichte besitzt, so müßte eigentlich unter dem Meeresspiegel die Schwerkraft kleiner sein als auf dem Lande. Daß dies nicht der §all ist, giebt uns den Beweis, daß die unter dem Wasser liegende rdmasse um so schwerer ist. Dadurch wird der Defekt ausgeglichen oder er wird gar in einen Ueberschuß verwandelt. Andrerseits ist das Festland leicht. Da wo heute und in historischer Zeit viele Erderschütterungen stattgefunden haben, werden große Anomalien der Schwere dicht neben einander beobachtet. Offenbar be- stehen hier in der Erdrinde große Gleichgewichtsschwankungen, die ja zur Genüge die Erdbeben erklären lvürden. Ein starkes Zusammenrücken und Sichkrümmen der Linien, welche gleiche Anomalien der Schwere anzeigen, finden sich namentlich im ostlichen Sizilien und westlichen Kalabrien , ferner in der Bastlicata, den Abruzzen und der Gegend von Gargano , alles Gebiete, die oft von Erderschütterungen heimgesucht werden. Auf dem Aetna , viel- leicht auch auf andren Vulkanen findet eine starke Abnahme der Schwerkraft statt. Das könnte möglicherweise auf hohle Räume hin» deuten, die man ja im Innern solcher Berge vorauszusetzen. pflegt. Mit der Bestimmung der Schwerkraft hat man jedenfalls ein gutes. bis jetzt leider noch viel zu wenig angewandtes Mittel gefunden, um über die imiere Struktur der Erdrinde loertvolle Aufschlüsse zu er- halten und damit die Anhaltspunkte für die Erklärung auch ihrer äußeren sichtbaren Gestalt zu gewinnen.— kleines feuilleton. — Ueber die Gräben in den Marschen wird der„Köln . Ztg." geschrieben: Zweifellos wurden die Gräben schon bei der ersten Fluraufteilung mit gezogen, und zwar im Anschluß an die bereits früher vorhandenen Wasserläufe, welche, den Prielen der Halligen ähnlich, vor der Eindeichung der Marschen die letzten Reste der Fluten den Flüssen und der See wieder zuführten. Jedoch zeigt das Grabemietz nicht in allen Marschen das gleiche Gepräge, was daher kommt, daß bei seiner Anlage schon auf die besonderen Bedürfnisse der entsprechend der jeweiligen Bodenbeschaffenheit gewählten Art der Bodenbenutzung Rücksicht genommen wurde. Beispielsweise sind in denjenigen Marschen, welche seit undenklichen Zeiten ganz überwiegend Ackerbau treiben, die Gräben so angelegt, daß sie die Fluren in außergewöhnlich lange und schmale Streifen zerlegen. Im Lande Hadeln belvcgt sich die Breite dieler Streifen, dort„Stücke" genannt, durchweg zwischen 15 bis 25 Meter, während ihre Länge hin und wieder die von 2 bis 3 Kilometer erreicht, im übrigen aber meistens zwischen 290 bis 1500 Meter schwankt. Der offen- sichtliche Zweck dieser Art Fluraufteilung wird einleuchtend, wenn man bedenkt, daß, je länger die einzelnen Streifen sind, desto seltener der Pflug gewendet zu werden braucht. Dies ist aber um so wichttger, als das Wenden der 4 oder auch 6 Pferde, welche in dem schweren Marschboden dem Pfluge vorgespannt werden müssen, natür- lich viel Zeit in Anspruch nimmt, die jedoch in den Marschen immer besonders knapp bemessen ist, da die Bestellungsarbeiten infolge des großen Feuchtigkeitsgehaltes des Bodens meistens erst spät vor sich gehen können und dann mit großer Eile betrieben werden müssen. In denjenigen Marschen, in welchen seit altersher die Viehzucht obenan steht, ist das Grabennetz dagegen so angelegt, daß es die Feldmarken in mehr quadratische Parzellen zerschneidet. Diese Art der Flur- austeilung widerspricht einerseits ebenso den Interessen der Bcackerung, wie sie anderseits denen der Weidewirtschaft entgegenkommt, indem sie der Beweglichkeit des Weideviehes relativ enge Grenzen zieht und damit seinen Fettansatz begünstigt. Namentlich für heiße Sommer ist dies von Bedeutung, weil dann das Vieh, besonders bei arger Belästigung durch die sogenannte Biesfliege vielfach wie toll in den Weiden uniherzurennen pflegt. In Weiden von mehr quadratischer Form gerät es dabei häufiger vor einen Graben, muß seinen Lauf unterbrechen und beruhigt sich infolgedessen eher wieder, während es in langen und schmalen Weiden unaufhörlich auf und ab rennt und dementsprechend eine viel größere Ermattung sich zuzieht.- Theater. Lessing-Theater.„Der Richter von Zalamea." Schauspiel in drei Akten von Caldcron de la Barca. Ueber- setzt und bearbeitet von Rudolf Presber . Mit einer aus- gezeichneten Aufführung von Ibsens „Frau vom Meere" hat Brahm, der bei der Uebersiedelung ins Lessing-Theater die besten Kräfte seiner alten Truppe behalten und neue, darunter einen Reicher. hinzugenommen, die Saison eröffnet. Auf diesem Felde des mo- dernen Seelendramas, in der Wiedergabe von Ibsen und Haupt- mann, ist ihm der Sieg von vornherein gewiß. Der Darstellungs- stil des Deutschen Theaters ist da vorbildlich geworden und als vorbildlich allgemein anerkannt. Es kommt nur darauf an, das reiche Erbe zu wahren. Eine Ueber- raschung aber war der Triumph, den die neue Brahm-Bühne abseits von dem, was als eigentliche Domäne und gesicherter Stammbesitz des Deutschen Theaters galt, in der Aufführung von Calderons „Richter von Zalamea" errang. Mit dem romantischen und Vers- drama war eS bei dem auf den modernen Naturalismus zu- geschnittenen Ensemble in den letzten Jahren übel bestellt. Die gehobene Phrase in Maeterlincks„Monna Vanna", die Jamben in SchnitzlerS„Schleier der Beatrice" klangen glänz- und leblos ans dem Munde der Schauspieler. Die Virtuosität des Deutschen Theaters in einem Stil schien mit einem
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21 (9.9.1904) 178
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