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Das Glas wurde Bater Afatij aus der Hand genommen und der unglückliche Doktor mit Beileidsbezeugungen überschüttet.
Aber kaum hatte sich die allgemeine Bewegung gelegt, als die Anwesenden wieder von einem Schrei aufgescheucht wurden, der diesmal von der Thür herkam.
„ Der Amerikaner!... Ich bin ein freier Amerikaner... Platz da! Ich komme!"
Alles sah sich erstaunt um; die Frauen aber flohen, sich die Augen zuhaltend, aus dem Saal. In der Thür stand Denisoff im Adamskostüm.
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ne Einige Stunden später kam der echte Amerikaner. Es war der Offizier eines Schiffes, das im nördlichen Eismeer gestrandet war. Der Jsprawnik wurde aus dem Schlafe geweckt, tauchte den Kopf schnell in kaltes Wasser, kleidete sich an und trat ins Wohnzimmer, in dem sich die Düfte des Trink gelages noch fühlbar machten.
Der Fremde saß am Tische und sah mit einem schwarzen, blizenden Auge wie abwesend vor sich hin. Das andre war mit einer schwarzen Binde verbunden. Seine Bewegungen, die Art, wie er aufstand und den Hausherrn begrüßte, sagten dem Isprawnik, daß er einen Mann der besten Gesellschaft vor sich habe. Das ernüchterte ihn vollends, und er empfing den Gast mit ausgesuchter Höflichkeit.
Aber in der Küche wurde seine Ansicht keineswegs geteilt.
Dent' Dir nur, meine Liebe: er hat die Kuchen auf gegessen... meine schönsten Kuchen!" klagte die Haushälterin einer Nachbarin ihr Leid.
Alle?"
" Ja, alle, die ich auf den Tisch gestellt hatte." Was Du sagst! Wie ich sehe, haben diese Amerifaner nicht nur feinen Gott und feinen Kaiser, sondern sie sind auch scham- und sittenlos!" meinte die Bürgerin, und dieses Urteil wurde vom ganzen Städtchen eifrig bestätigt.
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Berliner Kunstfalons.
Der Kunstmarkt Berlin erfreut sich anscheinend eines so regen Interesses von seiten des Publikums, daß selbst die Sommermonate in die Ausstellungen feinen Stillstand bringen. Die Konkurrenz zwingt dazu, immer wieder die Bilder zu wechseln. Und wenn auch biel Neues nicht dabei herauskommt, so ist doch der Ruf eines umsichtig geleiteten Salons gewahrt. Man kann Monate abwesend daß diese Bildergeschäfte wie jedes andre geschäftliche Unternehmen sein, und wenn man dann wiederkommt, sieht man mit Erstaunen, kein Ausruhen kennen. Früher brachte der Sommer Erholung und Ruhe. Jetzt fällt auch diese Rücksicht.
Dabei fällt eines auf. Gerade wenn man aus den Gegenden zurückkommt, in denen Kunst und Kultur traditionell zu Hause ist, aus Süddeutschland , bemerkt man mit Erstaunen, wie einseitig eigent lich das Bild ist, das die Berliner Salons ihrem Publikum vorführen. Eine Stadt wie Berlin sollte seinen Ehrgeiz darin feßen, umfassend die malerischen Bestrebungen Deutschlands zur Geltung zu bringen. um die zu sehen, muß man jedoch von Berlin Abschied nehmen. Es regen sich in den andern Teilen Deutschlands so biel neue Ansähe, die Berlin ignoriert. Und so ist schließlich Berlin nicht ein Mittelpunkt künstlerischen Schaffen, sondern auch nur ein Teil für sich, nichts Umfassendes, sondern ein Einzelnes. Wenn die Kräfte, die in Süddeutschland und am Rhein sich regen, erst ganz ihrer Bes deutung sich bewußt sein werden und aus ihrer begonnenen Lethargie aufgerüttelt find- Zeichen davon sind allenthalben bemerkbar dann wird es um Berlins künstlerischer Führerschaft ängstlich be= stellt sein. Städte wie München und Düsseldorf , die politisch und und die Kultur dieser Länderstriche, die auf dem Altertum und dem social nicht so beengt sind, werden einen großen Vorsprung gewinnen. Mittelalter fest ruht und organisch aus ihnen hervorgewachsen ist, giebt ganz andre Gewähr für freie Entwicklung, als das sich international gebärdende und doch fleinstädtische Berlin . Eine so feine und vorurteilsfreie Ausstellung wie sie Dresden dies Jahr zusammenbrachte, wird Berlin nie haben. München leistet sich die erste Ausstellung des deutschen Künstlerbundes. Darmstadt hat seine auf Erneuerung der Architektur und des Kunstgewerbes gerichteten Bestrebungen. Weimar beruft van de Velde, L. v. Hofmann, Olde, Schulze - Naumburg; Düsseldorf Peter Behrens . Hier, in Düffeldorf, bildet sich allmählich ein festes Centrum zur Erneuerung nadi rheinischer Kultur. Stöln baut sich ein eignes Ausstellungsgebäude. Das Bayreuth des Schauspiels foll in Düsseldorf gebaut werden. Sturz, wenn wir ehrlich sein wollen, müssen wir zugeben, daß über feinen klimatischen Verhältnissen so begünstigt ist, allmählich sich ein ganz Süddeutschland , das schon in seiner geographischen Lage, in Netz ausspannt, das seine festen Punkte in den genannten Städten befißt. Werden diese Städte erst, wie es jetzt beginnt, fich ganz flar über ihre Leistungsfähigkeit sein, werden sie die mangelnde Technik in gründlicher Arbeit nachgeholt haben der ganze Bors sprung Berlins beruht im Grunde auf der geschäftsmännisch flugen Erkenntnis, wo augenblicklich Gutes eristiert, das importiert werden und rasch zu sehen. Wer mit Gewandtheit sich im Ausland umfann, eine Uebersicht, die erleichtert wird durch die Möglichkeit, viel sieht, wird gegenüber dem, der in seinen Pfählen bleibt, im Vorteil fein. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß der gewandte Reisende, bei dem man aus Unkenntnis oft für Originalität nimmt, was nur Nachahmung ist, deren Quelle man nicht kontrollieren kann, mehr ist als der aus dem Eignen schöpfende ruhende Geist. Es wird sich über turz oder lang zeigen, daß die fest im Eignen wurzelnde Originalität nicht in der Berliner Kunst zu suchen ist, sondern in den Städten, die über eine Kultur der Vergangenheit verfügen. Und gegen die großzügige Art mit der jetzt dort unten, wenn einmal ein Ziel erkannt ist, die Verwirklichung desselben ohne offizielle Rücksicht durchgesetzt wird, wo wirkliche Stünſtler die Aufgaben beſtimmen und lösen, während das bei uns Sache der Ministerien, Akademien und höfischer Günstlinge ist und bleibt, wirkt Berlin fleinstädtisch. Die fünstlerischen Aufgaben, die einer Großstadt wie Berlin gestellt sind, liegen nach ganz andrer Richtung und richten sich hauptsächlich auf die Ausgestaltung einer neuen und mächtigen Architettur. Aber auch hier wird es immer wieder durch die Faktoren beengt, die ihm auch in den oben angegebenen Fällen hinderlich sind. Kurz gesagt, es muß entschieden werden, ob Berlin nur Residenz ist oder außerdem auch ein großes, mächtiges, sociales Gemeinwesen. Während hier die künstlerische Entwidlung zur Marktfrage herabfintt und so die ganze Zukunft dem Zufall der nicht urteilsfähigen, der Mode nachlaufendenreichen Kauffreise überliefert wird, während die großen architektonischen und plastischen Aufgaben von offiziellen Rücksichten geleitet sind, giebt es jest oder es beginnt es wenigstens zu geben im Süden Deutschlands , Centren, Sträfte, die mit fester Hand das Schifflein steuern wollen, die nach bestem Wissen und Gewissen das suchen, das der großen, socialen Vielheit dienen soll.
Der einäugige Offizier war die erste Schwalbe gewesen, die das Nahen der Schiffbrüchigen angekündigt hatte. Die gemächlichen Bürger von Dschurdschni fanden, er sei geschwind wie der Wind durch die Stadt geflogen. In Wahrheit aber hatte er zwei Tage dort bleiben müssen, denn es war unmöglich gewesen, die nötigen Pferde schneller aufzutreiben, oder den Proviant, der für die Weiterreise nötig war, eher herbeizuschaffen und zu verpacken. Als sich die Einheimischen überzeugt hatten, daß der„ Merifaner" weder auf allen Vieren kroch, noch Menschenfleisch as, hätten sie ihn für ihr Leben gern länger dabehalten, denn selbst ein überseeischer Ketzer" konnte Abwechselung in ihr einförmiges Leben bringen. Aber der Offizier hatte es eilig gehabt.
Mein Auge," hatte er höflich auf alle Aufforderungen, länger dazubleiben, geantwortet.„ Mein Auge!"
"
Samuel, der sein Dolmetscher gewesen war, meinte zwar, es sei ihm weniger um sein Auge zu thun, als um ein Telegraphenamt, von dem aus er eine Kunde in die Heimat schicken könnte, eine Kunde von denen, die da leben, und denen, die gestorben find". Trotzdem hatte er alles gethan, was in feinen Kräften stand, um den Fremden so bald wie möglich in die Lage zu bringen, Dschurdschnj den Rücken kehren zu tönnen.
Die Genossen hatte ihm aufgetragen, den Amerikaner um tausenderlei Dinge zu befragen, ja sogar verlangt, er möchte den Fremden zu ihnen bringen, aber Samuel hatte darauf stets geheimnisvoll geantwortet:
„ Sein Auge!.
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" Ach, was geht uns sein Auge an!" rief dann Niehorsti mißmutig. Wir würden ihn doch nicht zwingen, ins Teleskop zu sehen. Es handelt sich um einige Winke.
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Bald kommen andre nach. Wartet lieber!" suchte ihn Samuel zu überzeugen.
Natürlich, das ist doch selbstverständlich!" meinte
Arkanoff.
" Ihr sollt sehen, das Ende vom Liede wird sein, wir werden alle einzig um des Redens willen arretiert. Kennt Ihr den Mann? Wißt Jhr, ob er Vertrauen verdient? Er ist im stande, uns beim Isprawnik anzuzeigen!"
" Fragen heißt noch nicht alles sagen" wehrte sich Niehorsti, aber er mußte doch einsehen, daß es geratener fei, noch zu warten. ( Fortsetzung folgt.)]
Es sind immer die gleichen Richtungen, denen wir jahraus, jahrein in den Salons begegnen. Jeder Salon pflegt sein Genre. Und so finden wir auf dem ersten Rundgang nach der sommerlichen Bauſe überall die bekannten und längst geprägten Physiognomien. & bringt das Geschäftsleben mit sich. Jeder, der etwas erreichen will, muß klar seinen Willen zur Schau tragen, wird er dadurch auch zu einer Einseitigkeit gezwungen, die dem Ganzen schadet. Um der Deutlichkeit willen müssen die Feinheiten fallen. Feind schaften und Excentricitäten werden aufgezwungen. Und so ver