Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 191.
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Die flucht.
Mittwoch, den 28. September.
( Nachdruck verboten.)
Von K. Bagrynowski.
11.
Am folgenden Tage kam der Steuermann Bartels zu ihnen ein Mann, der fast ebenso breit wie lang war. Er nahm die Mütze nicht ab, denn seine Hände waren damit beschäftigt, in den Taschen zu stecken", und er sagte auch nichts, Denn er ließ seine brennende Pfeife nicht gern aus dem Munde. Er nichte nur und sah sich in der Jurte um. Das vertrauenerweckende Gesicht, die intelligenten, kecken Augen und das originelle Wesen des Seebären gefielen den Verbannten aus
nehmend.
1904
Waschfaß davonsegeln. Da sagt Mister Morley gestern abend, als er von Euch zurückfommt: weißt Du, Bartels, die armen Burschen haben keine Idee davon, wie ein Boot gebaut wird; hast Du mich verstanden, mein Junge? Ein Walfischboot mit einem Mast und einem gewöhnlichen, einzelnen Segel... Da wußte ich, daß es sich um ein Geheimnis handle. Ho! ho!. Mister Morley ist ein echter Seemann . Von allen unsern Offizieren behandelt er die Mannschaften am besten Nest denkt Euch selbst hinzu, denn dazu hat Euch Gott Verund sagt nie ein müßiges Wort... Eins, zwei... und den stand gegeben."
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Berbannten bis spät in die Nacht hinein, wie sie das Boot Mister Bartels wurde immer redseliger und belehrte die bauen, sich auf dem Meer verhalten, das Segel hissen und den Wind darin einfangen sollten. Der Gegenstand war unerschöpflich, um so mehr, da Mister Bartels seine Erzählung gern mit malerischen Schilderungen der bestandenen Abenteuer Sie boten ihm höflich einen Sitz an und umringten ihn illustrierte und den Eindruck wiederzugeben suchte, den die fröhlich. Er setzte sich rittlings auf den Stuhl, rauchte ſein die kein Wort englisch verstanden, konnten sich diese LandPolargegenden auf ihn gemacht hatten. Selbst diejenigen, Pfeifchen, schüttelte den Kopf, betastete die Kleider der Näher- schaften bald ausmalen, denn der Seemann streckte die Hand stehenden und schüttelte den Kopf wieder. Sie wußten nicht, immer wieder mit einer großartigen Geste aus und begleitete wie sie ihn anreden sollten, denn Samuel war nicht da, und feiner von ihnen sprach englisch . Aber der Matrose wußte sich diese unverbrüchlich mit den Worten: Rat; er blinzelte verschmitt mit den Augen, schob die Pfeife in den einen Mundwinkel und sagte endlich in scheußlichem Russisch: Wsio... inai!"*) Was snaj?" forschte Niehorski belustigt.
Der Seemann schloß die Lippen fester um die Pfeife und 30g seine roten, knotigen Hände aus den Taschen; die eine hielt er mit der flachen Hand empor, und mit den Fingern der andern machte er die Bewegung des Gehens nach. Da ging die Thür auf und Eugenie trat ein. Der Matrose sah sie aufmerksam an, erkannte eine Dame und sprang auf. Plötzlich war die Müße von seinem Kopfe und die Pfeife aus seinem Munde verschwunden, ohne daß die Anwesenden wußten, wann das geschehen war. Er grüßte galant und blieb in der nachlässig wartenden Stellung eines Seemannes stehen, der auf unbekannten Gewässern von gefährlichen Nebeln überrascht worden ist.
Eugenie schüttelte ihm fröhlich die Hand. ,, Mister Bartels
" Ja!... Bitte!..." fügte er kurz hinzu und zog ein vierfach zusammengelegtes Blatt aus der Seitentasche.
Neugierig falteten die Verbannten das Papier auseinander und erblickten die sorgfältige Zeichnung eines Segel bootes . Dieselbe war nach einem gegebenen Maßstab, in mehreren Durchschnitten ausgeführt und mit Erklärungen und den nötigen Anweisungen versehen. Strassusti machte einen Freudensprung und erfaßte die Hand des Seemannes, um ihm seine Dankbarkeit einzupumpen". Auch die andern schüttelten ihm der. Reihe nach die brave Rechte, und wußten kaum, wie
sie ihm danken sollten.
Der Seemann war ganz gerührt von ihrer Erkenntlichkeit, obgleich er that, als machte er sich gar nichts daraus. Wie haben Sie das mur fertiggebracht?"
"
" Ich habe in der Nacht gezeichnet," antwortete er bescheiden. Ich wollte nicht, daß die andern es sähen. Von Berrat fann natürlich unter der Mannschaft der Juliette" nicht die Rede sein, aber einer der weniger erfahrenen Kameraden könnte unvorsichtig sein und sich verplappern." Eugenie übersetzte seine Worte.
Oh ja, ja!... Wir sind Ihnen unaussprechlich dankbar! Bitte, setzen Sie sich. Vielleicht können wir Ihnen mit Thee
dienen," riefen die Verbannten.
"
Wenn Sie erlauben, steck' ich mir lieber mein Pfeifchen an," antwortete der Seemann freimütig, zog seine Freundin aus der Tasche und klopfte sie am Herde aus.
Alexandroff reichte ihm seinen Tabaksbeutel. " Ich hab' schon lange darüber nachgedacht. Sowie ich Euer Unglück sah, dachte ich in meinem Sinn: was zum Kuckuck siten sie hier, da sie doch einen Fluß vor der Nase haben, der ins Meer mündet In Frisco lebt sich's doch viel angenehmer, als in diesem Nest! Ich würde mich hier nicht halten lassen, und sollte ich auf einem Holzkloz oder im
Ich weiß alles.
,, Ice... ice
ice plenty of ice!"
mitzubringen, aber er fügte hinzu, sie müßten, um allesammt Als er Abschied nahm, versprach er, seine Kameraden erscheinen zu können, um die Erlaubnis Mister Morleys einfommen.
mit seiner Schar. Die Jurte konnte die vielen Gäste kaum Mister Morley erteilte dieselbe gern und kam sogar selbst fassen, und es ging lebhaft darin zu. Sie waren alle geommen: es fehlte weder der Chinese mit seinem aufgesteckten Zopf, noch der Indianer von Alasta mit dem kupferfarbenen Gesicht. Niehorski, der am heißesten mit ihm gestritten hatte. ,, How is your socialism?" begrüßte Mister Morley
,, How is your capitalism?" übersetzte Samuel die Gegenfrage des Genossen.
Er ist
,, All right!" antwortete der Seemann lustig. ganz gesund und bis jetzt geht es ihm nicht schlecht." ,, Und wie lange wird's ihm noch so gehen?" bleibt, fann er noch Hunderte von Jahren leben!" " Das hängt von ihm selbst ab. Wenn er hübsch mäßig
,, Das glaub' ich doch nicht!" antwortete Niehorski ebenso. unterbrochen, denn der Tisch war schon gedeckt, und die Der Streit, der wieder aufzuflammen drohte, wurde Matrosen hatten bereits Platz genommen. Die Gäste rauchten biel, aßen und tranken aber wenig und erzählten gut gelaunt von ihren Erlebnissen, indem sie, wie Mister Bartels, oft die Hand weit ausstreckten und das Wort„ plenty" wiederholten. Samuel und Eugenie waren von dem vielen Uebersetzen ganz Jeder der Verbannten wollte etwas von ihnen wissen. heiser geworden. Am besten waren die Deutschen daran, die sich mit der Mehrzahl der Anwesenden ohne Dolmetscher unterhalten fonnten. Nur Mister Bartels schien enttäuscht, denn die geheimnisvollen Zeichen, die einer der Matrosen den Verbannten vormachte, blieben alle unverstanden. Erstaunt saben sie ihn mit großen Augen an und gaben keine Antwort, worüber die beiden sehr entrüstet waren.
„ Nein," sagte der Matrose endlich, es ist kein einziger darunter!"
,, Vielleicht machst Du Deine Sache schlecht!" Wie, ich sollte meine Sache schlecht machen? So wird's
bei uns in Portland gemacht und so muß es in der ganzen Welt gemacht werden."
Schließlich näherten sie sich Mußja; dieser gab ihnen ein Zeichen mit den Fingern, flüsterte dann dem Matrosen merkwürdige Worte zu, und nun wichen die beiden nicht mehr von einander. Mister Bartels Gesicht heiterte sich auf und er warf nur so mit Wigworten um sich.
Die Amerikaner blieben noch einige Tage in Dschurdschni und waren die ganze Zeit über in stetem Verkehr mit den Verbannten. Einer von ihnen saß immer bei Alexandroff, während die andern bald Glitsberg, bald Pietroff, bald Woronin aufnahmen. Krassuski pflegte, von Eugenie unterstützt, lange Beratungen mit Mister Bartels. Am häufigsten