die Kraft gebrochen. Er ist ein unheimlicher Gesell, dem man abereigentlich nie bös sein kann. Die Rebe gedeiht hier nicht. Statt desWeinstocks, der in meiner Heimat die Wände deckt und die Fensterumrankt, hat man hier Spalierobst gepflanzt. Die Südseite derHäuser ist meist damit bedeckt. Wunderbare Birnen fast immer.Ersatz für die Weintraube.Nun kommt der Herbst, golden und kühl. In Abendröten kommter übers Meer, sein Wiederschein� umfliestt die steilen Felsen derKüste. Und das Meer selbst schäumt unter seiner Sturmgeitzel.Draußen im Feld« stehen überall die Meulen— Stroh- und Fruchthaufen— aufgebaut, groß und rund, mit spitzen Dächern. Auch dieScheune fehlt im normannischen Bauerngute. Viele Weidefeldersind umgepflügt und werden mit Salz gedüngt. Die ersten Island-fischer sind heimgekehrt, so konnte das Dungsalz geliefert werden.Bald kommen die Neusundlandfahrer. Der Bauer eggt um. Dasist ein ganzes Schauspiel. Vier bis fünf Eggen von ebensovielPferden gezogen, ancinandergekoppelt, durchqueren die Felder. Aufallen Höhen und Hängen kehrt das Bild wieder. Die stacheligen,Ginster in den Heideteilen dürren. Die Brombeeren sind reif, dieAepfel in den Höfen sind rot. Das Sterbenslächeln der Natur. DieAstern prangen, lind das Laub, durch das so stark und sommerfrohder Wind gerauscht, es raschelt schon, und wir lauschen.—Wilhelm Holzamer.KUitice■pcuUlcton.tp. Ein Streber. Als die kleine Wanduhr des Bureaus ebensieben geschlagen, legte der kleine, rotwangige Bureauvorsteher mitdem schwarzen Schnurrbart als einer der ersten die Feder niederund eilte zum Waschbecken.„Gott sei Dank," seufzte er und zogdabei eine recht vergnügte Miene,„wieder ein Tag hinl Kinder,Kinder, ist der Mensch ein Hornochs I Die beste Zeit verschwendeter beim Arbeiten. Jetzt langt's g'rad' noch zu drei Nasen vollfrischer Straßenlust, dann die Bratkartoffeln'runtergewürgt, denBettzipfel umarmt und dann„Gut' Nacht 1" Morgen dieselbe Chose.Lieblich. Bezaubernd schön!— He, Herr Bramelveig," er trocknetesich die Hände und rief zu einem Pult hinüber:«Die Klock' hatsieben geschlagen 1"Der Angerufene beugte seinen Kopf nur noch tiefer auf dieArbeit.„Lassen Sie ihn nur," sagte ein andrer,„Bramelveig arbeitetaus Leidenschaft."„Federn ruiniert erl" spottete der kleine Schwarze.„Und dieTinte säuft er, glaub' ich. Nehmen Sic sich dies Exemplar treucsterPflichterfüllung zum Beispiel, meine Herren, wenn Sie es zu etwasbringen wollen. Oder Herr Bramelveig überflügelt Sie. Er arbeitetfür drei."„Ja," mischte sich ein dritter inS Gespräch,«wenn die andernaufhören, fängt er an."Bramelveig schien auf nichts als auf seine Arbeit zu achten.' Aber die Finger zitterten ihm und in den kleinen, grauen Augenflimmerte etwas wie Haß und unterdrückte Wut. Er antwortetenicht auf die spöttischen Gutenachtgrütze der Abgehenden, und derRat eines Kollegen, sich die Bettstelle im Comptoir aufzuschlagen,prallte ebenfalls an ihm ab. Erst als die Thür sich hinter demLetzten geschlossen hatte, erhob er den Kopf und sah lauschend umher.Außer seiner Lampe brannte keine mehr. Still und tot lag dasBureau, in dem am Tage sich ein halbes Dutzend eifriger Federnregte. Tiefer Schatten breitere sich über die Pulte. Ein schwacherLichtschein drang durch die Milchglasscheiben einer Thür, die zumZimmer des Chefs führte.„Ter Alte" war also noch da.Nachdem Bramelveig dies bei sich konstatiert hatte, nahm ersein Tintenfaß, ging schleichend zur Wasserleitung, entleerte es halb,spülte die Spuren fort und begab sich wieder auf seinen Platz. Dannbegann er zu husten. Es war ein recht gewaltsamer Husten, der auseinem trockenen, arg angegriffenen Schlünde zu kommen schien.Bramelveig machte eine Pause und sah sich um. Hinter der Thürmit den Milchglasscheiben regte sich nichts. Also noch einmal. Vonneuem brach der Husten los, gequälter, ächzender als vorher.«Wer hustet denn hier so jämmerlich?" Der Chef stand plötzlichin der Thür.«Sind Sic das, Herr Bramelveig? Ist Ihnen schlechtgeworden?"Keine Antwort. Nur ein mitleiderregendes Aechzen und daseilige Kratzen einer Feder.„Ja, zum Teufel, was machen Sie denn noch hier? Es istlängst sieben Uhr und alles ausgeflogen, wie ich sehe. Also..."„Eine eilige Arbeit, Herr Weiler. Ich kann sie unmöglich liegenlassen." Die Feder Bramelveigs überschlug sich fast.«Was haben Sie denn da? Korrespondenz mit Brenzker u. Co.?Wenn das morgen abgeht, langt's auch noch."«Morgen wartet Anders. Was ich einmal angefangen habe,bringe ich gern hintereinander zu Ende, Herr Weiler."«Das ist ja sehr löblich. Aber ich möchte nicht gern dafür ver-antwortlich sein, wenn Sie sich die Schwindsucht an den Halsirbeiten. Mann, Sie haben ja jetzt schon einen Husten— einenHusten, daß sich der Himmel erbarm' I"«O," Bramelveig steckte eine Leidensmiene auf.„Es wäretraurig, wenn ich mich durch solche Kleinigkeiten abhalten ließe,meine Pflicht zu thun."„Ihre Pflicht ist, von acht bis eins und von drei bis siebenim Bureau zu arbeiten. Mehr verlange ich nicht."«Sie machen mir also auch Vorwürfe, Herr Weiler." Bramel»veig sagte es in einem weinerlich-resignierten Ton.«Sie auch."„Ach was, Vorwürfe. Ich erkenne Ihren Eifer durchaus an.Uebrigens: auch? Wer glaubt Sie denn sonst noch tadeln zudürfen?"„Herr Henze ist Ihr Bureauvorsteher."„Henze? Er hat Ihnen vermutlich dasselbe gesagt wie ich.Hat er recht."„Gewiß. Ich sehe ja ein, daß ich mehr Tinte verbrauche alsdie andern."„Mehr Tinte? WaS soll denn das nun wieder?"Bramelveig bewegte nur abwehrend die Hand und seufzte wieein Dulder.«Ja, wollen Sie mir nicht klaren Wein einschenken?"Die Stirn des Chefs faltete sich und er heftete neugierig dieBlicke auf den innerlich anscheinend sehr bewegten Bramelveig.„Ich bin kein Angeber, Herr Weiler. Trotzdem ich Ursache hätte,wirklich Ursache... Aber nein. Mögen die Leute ihren ganzenSpott über mich ausschütten... ich schweige. Wer wie ich so strengeAuffassungen von seiner Pflicht hat— strenger als andre—, dererntet immer Hohn und Undank."„Nicht in meinem Hause, Herr Bramelveig I I, das wäre janoch schöner.— Also s o liegen die Sachen I Das ist ja rechtfeierlich I Und Herr Henze, sagen Sie, ist auch dabei?"„Er meint es wohl nicht so. Ist ein humoristisch angelegterMensch. Macht gern sein Witzchen. Versüßt sich und den Kollegendie saure Arbeit mit netten Spätzchen. Freilich, meistens auf meineKosten. Aber man kann ihm nicht feind sein. Nein, Herr Weiler,"Bramelveig bat mit treuherziger Miene,«tragen Sie ihm seinglückliches Temperament nicht nach. Sein Humor..."„Den Humor, wo er hingehört, Herr Bramelveig I" Der Cheffiel ihm erregt ins Wort.„Bei der Arbeit verlange ich Ernst, auf-merksamen, hingebungsvollen Ernst l Nun, ich rede morgen eindeutliches Wort mit diesem— diesem lustigen Bureauvorsteherl'„Sie werden ihn doch nicht entlassen?" Das kam lauerndheraus.„Ich werde das thun, was im Interesse des Geschäfts not-wendig istl"„Hätte ich doch geschwiegen I"«Geschehene Tinge sind glücklicherweise mqr zu äuoern. Siehaben mir einen Dienst geleistet, Herr Bramelveig, den ich Ihnennicht vergessen werde."„O, Herr Henze ist, im Grunde genommen, ein so tüchtigerMensch."„Das glaubte ich auch bisher. Aber mir scheint, es gicbttüchtigere Leute in meinem Bureau."Der Chef überlegte.„Und so gesund." Bramelveig konnte eil...azeln nichtganz unterdrücken und begann wieder krächzenü zu husten.«Ja, sol" Weiler wiegte plötzlich nachdenklich den Kopf.„DieGesundheit I Sie haben recht. Das ist etwas sehr Wichtiges beidiesem Posten. Ein Vorsteher, der sich womöglich plötzlich hin-legt... und hier stockt alles? Nein. Ich habe nämlich an Sie ge-dacht, Herr Bramelveig..."„O, meine Gesundheit ist vortrefflich I" Bramelveig hustetenicht mehr.„Wirklich, ausgezeichnet..." Das Gesicht verzerrtesich in schrecklicher Angst.„Nein, lieber Br-n>:.?lveig I Ich will Ihnen ja diese Illusionnicht nehmen. Aber, wer solchen Husten hat... nein! Sie knickenzusammen I Es geht nicht. Ich glaube, da ist es doch besser, ichlasse den Henze an seiner Stelle."—1k. Zwischen Biesenthal und Eberswalde. Nach den heißenTagen des Sommers, der kaum rechte Wanderfreudigkeit aufkommenließ, fordern kühle Herbsttage zu neuen Streifzügen auf. ZwischenBiescnthal und Ebcrswalde dehnt sich in gekrünimter Linie eineReihe von Seen aus. Wasserläufe verbinden sie miteinander. VomBahnhof Biescnthal folgen wir der vMenverziertcn Straße zumStädtchen und biegen kurz vorher bei der Windmühle zum Wegenach Schöpfurt ab. Bald ist der Wald erreicht und nicht langedarauf auch die Brücke über die kleine Finow, die später in kanali-sicrtem Zustande einen bekannten Namen erwirbt, hier aber nochvöllig unfrisiert durch ausgedehnte Sumpfwiesen fließt. Vor derBrücke schwenken wir rechts ab, um, einen Waldpfad benutzend,neben den Wiesen weiterzuschlendern. Ständig haben wir durch denWaldsaum hindurch den Blick auf die Wiesen der Finow, und baldtaucht auch der Spiegel des ersten Sees, des Lehnssees, auf. DieLandschaft bleibt nun immer dieselbe und ist doch immer wiederverschieden, denn die samtgrünen Wiesen, der Seespiegel und dieangrenzenden Wälder kommen in immer neuen Gruppierungen zurGeltung. Auf der Karte erkennen wir, daß rechts ab ein Waldseeliegen muß, der sich aus der Verbindung der übrigen gelöst hat undein selbständiges Dasein führt. Nur mit Mühe finden wir ihn, denner ist gut versteckt; man sieht ihn erst, wenn man sich durch dasGebüsch gearbeitet hat, plötzlich aufblitzen. Kein Name nennt ihnauf der Karte, weiner wundervollen Wirkung in der Einsamkeitdes Waldes thut das keinen Eintrag. Wir kehren zu den Finow-wiesen zurück und verfolgen den Waldrand weiter, bis schließlich dergroße Samithsee auftaucht. Wir werden an die Grunewaldscenerinnert, aber die Landschaft ist hier ernster, freier, eindrucksvoller.So geht die Wanderung stundenlang weiter bis zum Großen Stadt-see, der wieder ein andres Bild aiebt. Indem wir dann der