Ein Grün, so zart, wie es die Japan oft auf ihren Holzschnitten haben, als Mittelpunkt genouunen. Daneben lauter harte Farben, die sich aber doch so abstufen und ablösen und die farbige Skala weiter- aeben, daß das Bild allein als Komplex von Farbenreizt. Wie viel Lust steht zwischen diesen Gestalten, den Bäumen, bis zum Horizont. Das ist woblabgewogene Komposition und doch Freiheit. Das ist Können, meisterliches Können. In die Farben eines solchen Geb- hardtschen Bildes kann man sich stundenlang vertiefen, dann er- schließen sich alle die Feinheiten, die vor Augen liegen. Eine Geb- hardtsche Landschaft ist ein Schatzkästlein mühevoller Liebe, ein reicher Besitz. Und auch die Porträts, die so hart und fest angesetzt und bis zu Ende durchgeführt sind, haben noch, trotz der Härte, einen feinen Reiz unbewußter Linien und mancherlei Geheimnisse. Sechs B ö ck l i n S hängen bei Schulte. Aus verschiedenen Jahren. Von 1863 ein im Entwurf steckengebliebenes Bild: Der Teufel läßt sich in einer Waldschmiede die Hufe beschlagen. Ein Bursche hält den Teufel. Der andere schlägt zu auf den Fuß, daß die Funken sprühen. Und der Teufel— es kann auch Pan sein oder irgend ein Bocksfuß klanimert sich an den einen an. Verschwommen sind die Umrisse, ein trübes Braun. Eine Frühlingslandschaft von l865. Ein Bach am Ufer. Schilf. Roter Mohn blüht. Und unten ranken sich die weißen Winden. Auf dem Ufer,— ein großer Stein liegt ani Strande — sitzt ein kleiner Bengel. Ein Bengel wie ihn Böcklin malt. Mit braunen, tiefen Kinder- äugen und flachsgelbem Flaushaar. Er bläst entzückt auf einer Weidenpfeife. Und schwippt im Takt mit den Beinen und wiegt im Rythmus die Hand. Ein kleines Glöckchen hängt um seinen Hals, an rotem Bande, wie wenn er ein Schäfchen war, das sich verlaufen könme. Neben ihm sitzt ein Hirtenjunge, mit einem tölplischen Gesicht, so, wie Oslade seine Baueni malte. Mir brauner Kegelmütze, eine rote Feuerblume steckt daran. Braune Glieder, graublaue Hose, von einem Gurt gehalten. Nicht weit von ihnen, aber ihnen den Rücken zudrehend, steht ein andrer nackter Bengel. Er hat sich das hohe Schilf ausgesucht. Da flötet' er nach Herzenslust und bläst ins Weite. Keck und forsch steht er da und bläst die Backen. Und sein Flachs- baar fliegt im Winde. Er aber steht aufrecht wie ein Held, kümmert sich um Freund und Wind nicht, er kann sein Lied und fürcht sich nit. Ganz hinten liegt ein italienisches Häuschen, mit flachem Dach nnd weiß im Licht leuchtend. Tie reinste, ausgesprochenste Wirkung übt der»Sommertag' von 18gS ans. Eine lachende Wiese mit weißen Blumen besät. Ein Bach, lauter fließend, blaues Licht ausstrahlend. Silberne Birken stehen am Ufer, mit hellem Schimnier auf den Blättern. Im Wasser und ain Ufer Badende. Leuchtende, nackte Körper. Hinten ein paar weiße Häuser. Lichter Sonnnerhinmiel, klar, blau. Im Vorraum hängen Bilder von Schick. Rudolf Schick (1840 bis 1887). In Berlin geboren und gestorben. Schüler von Schirmer in Düsseldorf nnd von Böcklin . 1863 in Rom , wo er Böcklin kennen lernt. Er schrieb ei» Tagebuch, das Tschudi vor kurzem herausgab, Erinnerungen aus dem Verkehr mit Böcklin in den Jahren 1866, .68, 69.«leine italienische Landschaften, skizzenhaft. Dann größere Entwürfe, in denen Böcklinscher Einfluß bemerkbar ist, der aber im Keime stecken bleibt, so daß das Alltägliche vorherrscht. Einige andere Bilder zeigen Feuerbach-Rcgungcn, jene großen, müden, schweren Linien und Farben, die unwillkürlich an Entsagung, Trauer und Sehnsucht verhalten mahnen. Nur ein ganz großer Künstler, dem es um nichts sonst als um die intinisten und tiefsten Reize seiner Kunst, die er zu ergründen und festzuhalten sucht, zu tun ist, wird es wagen dürfen, von einem und demselben Bilde immer wieder eine neue Ansicht zu geben. Diese Gleichgültiakeit gegen das Inhaltliche hebt ohne viel Worte das heraus, woiVuf eS dem Maler ankommt: die Farbe, das Licht, die Luftstinimung. Und das sind allerdings wundervolle Werke, die uns M o n e t im Salon Cas sirer mit dreizehn Ansichten von der Themse be- schert. Neun davon stellen die Waterloo Bridge dar, vier das Parlament. Es erinnert diese Gleichgültigkeit gegen das Stoffliche an die Lehrmeister dieser stanzösischen Impressionisten, an die Japaner. Man denkt an die ,, Sechsunddreißig Ansichten" und die„Hundert An- sichten" des Fuji-Jama des Zokusai. Hier wie da, das Gegenständ« kiche losgelöst, befreit; aufgelöst in zarten Duft, in das Spiel von Sonne, Licht und versinkenden Schatten. Hier und da ein Trium- phieren der Schönheit über den Stoff. Der Verstand, der kontrollierend hinter die Richtigkeit der Dinge kommen will, ist hier überwunden. Das Auge triumphiert. Nur Licht, nur Farbe— ein Durcheinander von beiden, aus deren Zusammenfluß die Dinge hervorwachsen wie leichte Schatten, deren Struktur und körperliches Sein wie hinter fliegenden Nebeln ver- schwinden. Jinnier dieselbe Brücke, deren niedrige, breite Bogen über die Themse führen. Immer dasselbe Wasser. Immer derselbe Ausschnitt des Himmels. Immer derselbe Hintergrund, rauchende Essen, Miets- kasernen. Und bei den vier Ansichten des Parlaments, immer das- selbe Gebäude mit seinen Türmen und Kuppeln, sich breit vor den Hurtergrund vorlagernd. Immer dasselbe— und doch nie ein Gleiches. Immer ew anderes. Denn eines ändert sich immer, das ich nicht erwähnte: die Lust, das Licht. Granes Licht und Dunst überall. Und die Formen der Brücke verschwinden fast. Die bleierne Fläche des Wassers spielt schwer unter den Bogen. Nichts ist sichtbar. Nur wassergetränkte Luft, die alles mit ihrem Dunst auflöst. Dann bricht ein Sonnenstrahl hindurch. Der Dunst löst sich. Die Formen wagen sich schüchtern hervor. Sie werden. Ein Teil ist leicht gestreift. Wie flüssiges Gold rieselt das Licht an dem grauen Stein der Brückenbogen hinunter. Oder: das Licht wird voller. Es fällt der Schein ins Wasser. Dort spielt die Helle mit der Swwere und Flüssigkeit des Wassers. Wie ein duftiger Schleier von Gold und flirrendem Schimmer schwebt es über der ewigen Bewegung des Wassers. Und immer breiler bricht das Licht sich Bahn. Wie ein präch- tiges, märchenhaftes Goldgeschmeide mit tausend brechenden Strahlen kommt es herniedergeflossen zur Erde, zu den ruhenden, träumenden Dingen. Es funkelt und blitzt überall lachend und verführerisch, tausendmal lockender als Brillanten und Rubinen und Smaragden. Was für ein Leben ist in der Lichtfülle I Welch Reichtum— und welche zurückhaltende Bändigung. Eine sorglos ausstreuende Hand, die doch sich selbst in der Gewalt behält. Nun zu Corinth zu gehen, ist eine schwere Aufgabe. Noch dazu eine Kollektivausstellung. Schon wieder! Ein Ostpreuße neben einem fcinkultivierten Franzosen. Was man bei Corinth in der Hauptsache sieht, sind Weiber. Es tut einem leid, aber es ist so. Ein anderer Ausdruck ist unstatthaft. Es sind Weiber. Corinth sagt: Freudenmädchen. Und von diesen Weibern gibt er auch nur einen Teil, nämlich die Leiber. Das Körperliche, das ist sein Vergniigen. Hat er da uns irgendlvelche feineren, malerischen Reize gezeigt? Enthüllt er überraschende Farbigkeiten? Er enthüllt Tierisches, Gliederhaftes, schwere Masten. Darauf beschränkt sich seine Ent- hüllung. Durch Alkohol nnd Nikotin motivierte Impressionen. Er wirst diese willenlosen, schweren Gliedermassen durcheinander, als könne er nur das Massige anerkennen, daS, das sich vor lauter Massigkeit nur hinsetzt, sitzt, imtsiukt und plump daliegt. So sitzen seine nackten Weiber da. Wo bleiben denn die malerischen Reize? Daß ein Körper plastisch hingestellt worden ist und die Farbe die Formen heraustreten läßt, ist das schon genügend? Das sind anatomische Studien, liebet das andere, das Malerische, siehe Rubens. Dieses Patzen und Protzen zeugt von einer Roheit des malerischen Sehens, die zu deutlich zutage tritt. Wieviel leere und phrasenhafte Stellen sind in diesen Körvern I Etwas durchaus Zucht- lose«, Verkommendes lebt in solchen Pinselstrichen. Und auch ein ruhigfarbiges Landhaus in buntem Garten, ein licht beleuchtetes Fenster,' durch das die Sonne in die Stube fällt, ein gleiches Motiv mit einem weiblichen Körper bei der Toilette rauscht über das, was fehlt, nicht hinweg. Es sind die besten Arbeiten. Aber diese Motive, in der gleichen Art durchgeführt, sind uns schon zu oft begegnet. Warum bleibt Corinth nicht bei den Aufgaben, die ihm zu- gewiesen sind? Ein Portrait gründlich und fest auszumodellieren, sachlich und ernst allen Linien des Gesichtes folgend? Warum dieses Kokettieren mit neumodischen Allüren, das ihm nun gar nicht steht? Aber die Großniannssucht packte auch ihn. Nun tobt er sich aus, bis das Ende kommt. Vor einiger Zeit schrieb er einmal über Strahtmann. Ein belangloses Reden war es. Aber er meinte von sich: was Corinth schreibt, ist gutgeschrieben. Neuerdings läßt er sich über sich selbst aus: Erzählt von seinem Leben und Treiben im Atelier Julian. Sehr geschmackvoll nennt er sich nicht mir seinem Namen, spricht von sich in der dritten Person und nennt sich Stiemer, läßt aber durch die Redaktion der Zeilschrift andeuten, daß„auch Cäsar von sich in der dritten Person zu sprechen liebte." UeberanS sinnig. Was er sagt, ist übrigens ebenso belanglos, wie die erste Arbeit. Und eine Zeitschrift, von.Kunst und Künstler" sollte sich nicht so am„Inhaltlichen" genügen lassen. Verpönt sie doch in einer anderen Kunst das„Stoffliche". Warum wird sie in der Literatur so anspruchslos? Das sieht— nach Mache aus. Corinth soll hochgebracht werden, aus Geschäftsrücksichten. Und darum Kollektivausstellungen' im Salon Cassirer und Aufsätze von Corinth in der Cassirerschen Zeitschrist. Die Ausstellung beschließt ein feine? Stück von M a n e t„Badende Mädchen". Von entzückender Feinheit im Ton. Grünes Wasser, gelber Strand, schwarzes Badekostüm, so flüssig und breit hingesetzt— ein meisterlich sicheres Werk. Ein Fries von D e g a 3 zeigt sandalenbindende Tänzerinnen. Von dem grauen Hintergrund heben sich die Figuren ab. Weite grausilberne Gazeröcke— als breit wiederkehrende Flächen. Dazwischen die sich bückenden Köpfe mit roten: Haar. Und ab und zu ein sparsames Grün. Dazu die belvegten und doch ruhigen, zeichnerischen Linien— eine dekorative Arbeit in vor- nehmem Stil.—_ Ernst Schi: r. kleines feuilleton. c. Mit dem Bajonett niedergemacht. Eine der furchtbaren Epi- soden aus der Schlacht bei Liaujang, über die jetzt immer mehr Schilderungen von Beteiligten eintreffen, erzählt der einzig Ueber» lebende, ein Leutnant Armwntsosf. Die Szene ereignete sich wäh
Ausgabe
21 (14.10.1904) 203
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten