weder der Messe beigewohnt, noch Zio Pietro gesehen; jetzt würde sie sich gerne zurückgezogen haben, wenn Bafilio, der sie scharf betrachtete, sie nicht an gewissen Anzeichen erkannt hätte.

Bist Du Paska Carta?" fragte er sie boshaft und schüttelte die Hand des Alten in der seinen, als ob er sagen wollte: Erkennst Du diesen Mann nicht? Ladest Du ihn nicht ein, einzutreten?

Sie machte aus der Not eine Tugend und trat aus der Hütte; wenn Zio Pietro nicht blind gewesen wäre, so würde fie nach der Beschimpfung der letzten Nacht sich für berechtigt gehalten haben, ihm den Rücken zu fehren; doch da er ein so unglückliches, hülfloses Wesen war, durfte sie ihm den Gruß nicht weigern, ohne die sie aufreizenden Verleumdungen und Spöttereien noch zu vergrößern. Sie grüßte also freund­schaftlich mit dem Kopfe, als ob der alte Onkel sie sähe. ,, Seid Ihr da, Zio Pietro?"

" Ich bin da. Und wo warst Du? Nicht in der Messe?" ,, Nein, ich war am Brunnen. Ach, es bleibt einem nicht die Zeit, in die Kirche zu gehen." Sie wurde spöttisch, falt, unruhig. Mit nervöser Bewegung der kleinen roten Hände strich sie ihre Schürze aus schwarzem, gelbgeblümtem Perkal nach den Seiten hin; tausend bittere Worte kamen ihr auf die Lippen; sie hätte aufschreien, allen Zorn und Schmerz aus­toben, den alten Mann beschimpfen mögen. Aber wozu?

Welche Schuld hatte er? Was konnte er tun? Vielleicht war er gekommen, um sie zu begütigen, sie um Verzeihung zu bitten; und im Grunde schämte sie sich, denn die bloße An­wesenheit des Greises war für sie ein stummer Vorwurf.

Und dann dieser Junge, der sie hartnäckig betrachtete, boshaft lächelte und mit neugierigem Blick jeder ihrer Be­wegungen folgte; und auch ihre Herrschaft war auf die Schwelle der Hütte getreten und beobachtete fie. Paska kehrte sich zu ihnen und sagte in tropigem, herbem Ton:

,, Das ist mein armer Onkel Pietro, der Vater des Glenden, der mich gestern Abend geschlagen hat."

"

Wer hat Dich geschlagen, Melchior?" rief der Alte und schlug vor Schrecken und Ueberraschung die Augenlider auf, so daß man das rötliche Weiß der erloschenen Augen sah. Basilio sperrte den Mund auf und hörte auf zu lachen. Wißt Ihr das noch nicht?" schrie Paska und strich immer­zu ihre Schürze glatt. Und bald zu Zio Pietro, bald zu ihrer Herrschaft gewandt( der Herr war did, gelb, fahl, mit dichtem schwarzen Bart; die Herrin sehr rot im Gesicht, mit kleinen Hellblauen Augen und schwarz gekleidet), erzählte sie den Vor­gang, halb auf sardisch, halb auf italienisch, und bückte sich, als ob die fräftigen Fäuste Melchiors von neuem anfangen

wollten.

( Fortsetzung folgt.).

,, Sprüche der freibeit."

So nennt Franz Staudinger   sein neuestes Buch.") Es feiert in der Sprache des Dichters und mit der Gedankentiefe des Philosophen das Ideal einer fünftigen Gesellschaft, die, befreit von der forrumpierenden Sklaverei des Kapitalismus, allen ihren Gliedern Wohlstand, Freiheit und soziale Ebenbürtigkeit gewährt. Ist Staudinger fein Sozialdemokrat im strengen Parteifinne des Wortes einige optimistische Wendungen über Fürsten  , die sich auf Grund des Vertrages der Verfassung" als verpflichtete Hüter von Freiheit und Gleichheit" zu betrachten hätten, lassen das erkennen so find doch die sozialistischen   Kampfziele auch die seinen. Das Werk ist von so reiner Begeisterung für Freiheit und soziale Ge­rechtigkeit erfüllt, daß es einen Platz in dem Bücherschatz der Arbeiterschaft mit Ehren verdient.

Das ganze Buch bildet ein einheitliches Jdeengebäude von festem, tünstlerischem Gefüge. Es ist unmöglich, mit wenigen Bruch­stücken einen vollen Begriff von der Schönheit und dem Reichtum des Gebotenen zu vermitteln. Einige Kostproben mögen dazu dienen, die Lust zum Genuß des Ganzen zu wecken.

Im Vorspruch" heißt es über die Ethik der neuen Lehre:

" Daß alles, was Knechtung heißt, schlecht ist, und gut nur, was Seelen und Leiber zur Freiheit erbaut, das ist die Lehre. Daß zur Freiheit nur gut ist ein neuer Wille und ein neuer Leib der Gemeinschaft, nicht Zwang des Goldes und der Willkür: das ist die Lehre. Die prüfet."

Was ist Freiheit? fragt Staudinger und er antwortet:

Aber Freiheit ist nicht Wort und Begriff. Freiheit ist Leben. Leben des Menschen ist Wille. Und der Wille will Tat. Freie Tat will der lebendige Wille."

"

Sprüche der Freiheit.

Wider Nietzsche  

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und

andere Herrenmoral." Von Franz Staudinger  . Berlag Eduard

Noether, Darmstadt  . 185 S.

Das erhob den Menschen über das Tier, daß er vom dunklen Trieb zum bewußten, Ziel und Mittel scheidenden Willen fortschritt. Ungesondert wohnen im Trieb noch Mittel und Ziel. Eine sluft bricht nur der denkende Geist zwischen beiden und wirft eine Brücke des Willens über sie hin. Erst wenn im Geist solche Kluft sich brach und solche Brücke sich baute, konnte der Mensch das Werkzeug erfinden."

Jm Gebrauch des Werkzeugs lernt der Mensch weiter denken. Er erkennt das Maß der richtigen Mitte im 3wed mäßigen und vom Guten strebt er zum Besseren. Die Not, die Feindschaft der Natur und der Mitbewerb seiner menschlichen Konkurrenten treiben ihn vorwärts im Kampf um das Bessere für sich, um Macht Menschen als Mittel für die eigenen Zwecke. Darüber verlieren über die Natur und seine Brüder. Der Mensch unterwirft sich den Herren und Knechte die Freiheit. Auf die Sklaverei des Eisens folgt die des Goldes.

Kennt ihr den Höllenwurm, den Polypen, den Drachen, der fich Menschenvieh züchtet, wie der Bauer die Milchkuh?

Menschen vermehrt er und Güter der Menschen, wohin seiner Klauen eine tritt, aber er weckt der Vielen Fleiß nur zu eigener Macht und weniger Lieblinge Reichtum.

Nicht nur Fleiß saugt er ein und wandelt ihn zu rollendem Golde, auch Ehre und Gewissen und Freiheit entsaugt erdem Menschen." Wofür arbeitet der Mensch heute? Und wofür sollte er arbeiten?

,, Unter dem Zwang des Menschen arbeitet der Mensch wie ein Tier, als sein Sklave. Weil der Herr ihn als Mittel nützt für Dienst und Macht und Reichtum, darum gibt er ihm Brot. Und wenn er ihm nicht mehr nügen kann, so tötet er ihn, oder ver­jagt ihn, oder gibt ihm das Gnadenbrot. Das tut er auch bei Tieren, die er lieb hat.

Aber der freie Mensch will arbeiten, daß er seinem Be dürfnis des Leibes und Geistes genüge. Mittel zu solchem Zweck ist ihm die Arbeit.

Arbeit des Sklaven achtet er als Arbeit des Tiers. Denn wer nur Mittel ist in des Regierenden Hand, der ist Tier für ihn." Ms   das gemeinsame Necht, als die Freiheit des Erwerbs pro­flamiert wurde, war der Mensch sich noch oftmals Zweck; damals schufen noch viele selber, was sie brauchten, und es gab noch wenig Kauf oder Tausch. Doch dahin zurück führt fein Weg; was die tapitalistische Wirtschaft geschaffen, hat in solcher Enge keinen ,, Untertan sei darum der Schatz des tausendkralligen Riesen dem Menschen. So rufen die roten Barbaren". Das kann nur sein, wenn der Drache gestürzt wird von seinem Goldsig, und sein Gold Diener wird freier Genossen."

Raum mehr..

so recht habt ihr in diesem Ziele, ihr roten Barbaren. Recht hatte Karl Marx  , der Meister, der euch wies, dies müsse das Ziel fein."

Berg sieht, nahe dem strebenden Wunsch und einfach zu ersteigen. Freilich, er sah das Ziel, wie man von ferne den mächtigen aber wenn man näher kommt, lagern Sümpfe davor; Sturzbäche und Ströme, Schluchten und pfadlose Felsen hindern den Weg. Da heißt es, mit Geduld und Einsicht vordringen, damit nicht durch stürmenden Eifer die Freiheit wie Rauch in den Lüften verschwinde. Wie der Märzsturm des Winters legte Macht zerbricht, so räumt der Freiheitssturm hinweg, was morsch und alt. Aber der Sturm ist nur Bahnbrecher und Herold, soll der Freiheit Saat entfeimen, so bedarf es der Sonne des Lichts und der Liebe: ,, Reiner Sonne liebend Neigen Küßt den süßen Keim herauf.

Wenn des Frühlings Stürme schtveigen Bricht der Freiheit Knospe auf."

Nur wenn Herrengier dazu zwingt, indem fie das Gesetz der Freiheit gänzlich zu vernichten droht, bedarf es nach des Dichters Meinung noch des Zerbrechens; hinter uns, so hofft er, liegt das Sprengen, vor uns des Bauens Unendlichkeit. Aufzurichten gilt es das Reich der Freiheit in uns und um uns. Was bedeutet innere Freiheit?

Dreifach ist das Gesetz der Freiheit: Gesetz der Er­fenntnis, des Willens, der freien Gemeinschaft. Doch diese dreie sind eins."

Wir müssen unseren Verstand schulen, müssen die Geseze unseres Denkens kennen lernen, müssen felbständig prüfen und scheiden lernen, was wahr sei. Wer aus Trägheit, aus Furcht oder Hoffnung am Irrtum flebt, ist ein Sklave, und Sklavenzüchter ist, wer mit Drohen und Strafen zum Glauben an überkommene Wahr­heiten" zwingt. Kampf aller Wahrheitsfurcht, Krieg allem Gewissens­zwang!

Mit der Bildung des Geistes in innigster Wechselwirkung steht die Bildung des Willens. Solange der Mensch das Spiel jeiner Triebe, solange ist er innerlich Knecht. Erst mit der Entwickelung des bewußten Willens zum Regierer der Triebe im Dienst frei gefeßter Zwecke entsteht die innerlich freie Persönlichkeit. Aber keine astetische Unterdrückung der Triebe:

" Leite die Triebe, aber fasteie sie nicht. Wer sie tafteit, wird leicht böse und häßlich. Selten fand ich einen, der sich kasteiete und nicht ein Belote ward, der nicht vom Teufel des Hochmuts beseffen, die anderen zu meistern begehrte. Und wie oft ist der Meisternde Heuchler.

-FOO