feuchten Pfaden abwärts. In Nuoro   stieg er in der Nähe von Sant' Nssula(Sankt Ursula) vor einem Hause ab von weniger kläglichem Aussehen als die anderen. Dort wohnte eine wohlhabende, sehr geizige Frau, die Melchiors Milch der- kaufte, ihm das Brot bereitete, seine Sachen wusch und aus- besserte und für sehr mäßigen Lohn ihm manchen anderen Dienst leistete. Die Gasse war einsam; nur einige gelbe und schwarze Hühner liefen herum und fingen ein paar unglückliche Fliegen. An der steinernen Vorderseite des Häuschens be­fanden sich zwei Fenster aus rohem Holz mit einer kleinen Glasscheibe in der Mitte; der Eingang war an der Seite, von einem offenen Hofe aus, der fast ganz vom babkone eingenommen wurde, einem seltsamen Aufbau aus vier im Viereck stehenden starken Stämmen, die sieben oder acht andere trugen, auf welchen ein mäßiger Vorrat von Brennholz lag. Dieses wohlfeile und starke Schutzdach diente gleichzeitig dazu, die Zugtiere unterzubringen, wenn man sie über Nacht in der Stadt einstellen mußte. Melchior band sein Pferd an einen der Stämme, und nachdem er sein Milchgefäß aus dem Ouersack hervorgeholt, trat er wie gewohnt in die weite Küche, deren erdfarbenen Wände der Rauch einen glänzenden schwarzen Ueberzug ver- liehen hatte. Zia Caterina oder Zia Bisaccia'), wie sie allgemein genannt wurde, vielleicht weil sie ihre Sache sehr wohl zu- sammenzuhalten verstand, leerte die Milch in einen Hafen aus rotem Ton und deckte eine Platte darüber, auf der kleine Meßgefäße standen: dann goß sie ein wenig Wasser in das Gefäß, und während sie es gut ausschwenkte, frug sie: Also, was ist es mit der Geschichte?" (Fortsetzung folgt.) I�lmgersDrama". In derZeitschrift für bildende fiunft"(Leipig, A. Seemann) berichtet Georg Treu   über die Entstehungsgeschichte der neuen Marnwrgriwpe von Max Klinger  Das Drama", die auf der dies- jährigen Kunstausstellung in Dresden   zur Aufstellung gelangle und nun bei Keller u. Reiner ausgestellt ist. Austraggeber ist der leitende Ausschuß der Tiedge-Stistung zu Dresden  , der, ein seltener Fall, dem Künstler jedwede Freiheit m Ausführung, Idee und Komposition ließ. Klinger arbeitete sechs Jahre mit Unterbrechungen an der Gruppe. Am 31. Juli 1904 war die Schöpfung vollendet. Nicht sogleich wuchs daS Werk in seiner ganzen Anlage aus der Vorstellung fertig heraus. Erst nach und nach, unter Wandlungen äußerer und innerer Art stellte sich das fertige Resultat endlich als das hin, wie es uns jetzt erscheint. Georg Treus Bekundungen über diese stufenweise Entwicklung haben authentischen Wert, da sie anscheinend als Angaben direkt vom Künstler selbst stammen. Klinger sah einen harmonisch und zu voller Reife entwickelten Körper eines Athleten. Von hier aus datiert die Entstehung. Es ist der menschliche Körper, wie er sich unter dem Druck einer ungeheuren Krastaustrengung zum Aeußersten zusammenrafft und anspannt. Die Muskeln sind wie in Eisen gegossen, alles ist Notwendigkeit und daher Schönheit. Keine Miß- bildnng trübt das Gleichmaß dieser Glieder, die trotz ihrer zur Darstellung gebrachten Kraft wie spielend funktionieren. Das reizvolle Spiel der Kolben und Gelenke und das Räderwerk einer diffizil konstruierten Maschine fällt uns hier ein, die Höchstes leistet und doch dem leisesten Druck auf einen Knopf gehorcht. Höchste Kraft in spielendem Gleichmaß. Hier fand Klinger, was er immer suchte: den nackten Körper, der sich selbst Gesetz und Erfüllung ist, in dessen Darstellung er wie die Meister der antiken Kunst sein Genüge findet. Denn hinter der Pracht und Schönheit dieser sich wölbenden Glieder, deren Plastik wir als blühendes Leben empfinden, steht ein Geheimnis, das.sich uns offenbart. Schon bei der präzise und elegant arbeitenden Maschine meinen wir oft etwas Treibendes hinter dem seelenlosen Gefüge zu ahnen, einen Willen, der sich durch- setzt, eine Kraft, die zur Erscheinung drängt. Um wie viel mehr beim Menschen, wo rätselhast das Blut unter der Hautdecke kreist, getrieben, wodurch, wozu, wie lange? Das Blut, das unter der Haut hindurchschimmert und farbige Lebendigkeit wie ein Hauch unter der Hülle hervordringen läßt. Und Sehnen und Muskeln, die unsichtbar liegen und plötzlich anschwellen, wenn der Anstoß des Willens die schlummernde Kraft weckt. Dann ballen sich plötzlich plastische Formen, wo vorher glatte Fläche war, und wenn die Arbeit geleistet ist, der Wille ruht, verschwindet die Erscheinung wieder, und unsichtbar wird die Kraft. Hier sehen wir. und das entzückt uns, etwas wirken, einen Willen, der unbewußt reagiert, der neben dem Intellekt einfach als Kraft in Erscheinung tritt. *). Bisaccia gleich Doppelsack, Sack mit doppeltem Boden. Der Athlet Raffo folgte der entstehenden Arbeit mit dem natürlichen Sinn für die objektive Richfigkeit der MuSkellagen und konnte so dem Künstler manchen Wink geben, wo es sich um rein technische, anatomische Genauigkeit und Präzision handelte. Eine Photographie, die Werk und Modell neben einander giebt, zeigt die Veränderung, die Klinger für geboten hielt. Der Athlet senkt in äußerster Kraftanspannung den Kops, der organisch mit dem Ganzen mitarbeitet. Er ist halb in die Schultern eingesenkt, ein- gezogen. Glattes, schwarzes Haar liegt dicht am Kopse an. Klinger setzt einen anderen Kopf auf. Ihn reizt nicht die einfache Nachbildung. Der Gliederbau gibt ihm die Anregung. Er macht diese Kraft einer Idee dienstbar. Der Kopf ist nicht gesenkt, er hebt sich empor, er blickt einem Gegner entgegen. Statt des glatten Haars lockiges, krauses Haar. Dem Gegner mit siegreichen! Widerstande zu be- gegnen, greift er mit äußerster Anstrengung an den Baumstamm zu seinen Füßen, deffen breiten Ast er abbrechen will, um sich damit zur Wehr zu setzen. Danach fügte Klinger die liegende, weibliche Gestalt hinzu, deren Verwundung ursprünglich durch einen Pfeil angedeutet gewesen sein soll, dann aber wieder fallen gelassen wurde. Sie hält in Sterbensnot den Fels umklammert. In wagerechter Lage hält sich ihr Körper am Sockel. Ursprünglich hatte Klinger den Entwurf im Hinblick auf einen Block festgelegt, den er in ParoS   hatte liegen sehen. Deffen Größe war maßgebend. Diesen Stein konnte er nicht mehr erhallen, er war zersägt worden. Einen gleichen gab eS nicht. So mußte sich Klinger, nachdem er selbst aus der Insel vergeblich nach paffendem Ersatz gesucht hatte, sich entschließen, Tiroler Marmor zu nehmen. Die allberühmte Stätte in Tirol, Laos  , lieferte ihm den Block, der härter und widerstandsfähiger ist als der parische Stein. DaS Gewicht des Blockes überschritt dreihundert Zentner. Und es stellte fft) weiterhin heraus, daß der Künstler die Figuren vergrößern konnte, den Athleten selbst sich höher herausheben lassen konnte, und drittens regte ihn der Block an, der Umfang gestattet es, noch eine dritte Figur hinzuzufügen. Diese dritte Figur kauert unten in der Ecke, im Rücken des Riesen, eine jungfräuliche Gestalt. Der Kopf der verwundeten Frau, der sie strebend sich zuneigt, ist ihr nahe. Besorgt blickt sie lhr ins Geficht, ttöftet sie, stützt ihren Arm und sinkenden Körper. Während der Körper des Mannes oben ftei sitzt, haftet die liegende Frau noch am Stein, und die Sitzende ist noch tiefer mit dem Block verwacbsen. Es bleibt noch zu erwähnen, daß Klinger ursprünglich im Sinne hatte, nnt dieser Gruppe den Freiheitskampf der Boeren für ihre Heimat, ihr Volk, ihre Familie zu verherrlichen. Die plastische Kontur, die ins allgemeine entschwebt, ließ ihn dann davon abstehen. » So wollen wir nun, auf der Basis des Gesagten, vor den Block treten und sehen, was wir sehen können, wenn wir sonst nichts wissen, nichts von Entstehung, nichts von der Vorgeschichte. WaS für einen Eindruck macht das Werk da auf uns? Wie schön sind diese Körper, die aus dem Stein herausblühen. mit antiker Mäßigung wie zu einem lebendigen Symbol des Körper- lichen gestaltet. Wie herrlich leuchtet dieser harte Fels, dein mensch- liche Bildncrkraft jene eigentümliche Farbigkeit gab. so daß jedes Teilchen beseelt ist, d. h. von innen heraus sich formt, nicht g e» formt erscheint. Diesen beinahe zu ewiger Gültigkeit erhobenen menschlichen Körpern braucht kein Sinn aufgeklebt zu sein. Versucht denn immer nach der Anekdote? Weshalb soll immer etwas erzählt sein? Klinger konzentriert im Gegensatz zu Rodin   sein Können in der Schöpfung des Körperliche», hier ist er sich Maß und Ziel, er ist hier der reine Künstler, dem die Plastik sich in der Darstellung deS Körpers erschöpft. Hier verzichtet er ganz auf farbige Mittel, die er sonst anwendet. In strahlender Weiße steht der Stein vor uns. Und gerade die, die sonst auf Technik schwören, und nur auf Technik, denen müßte Klinger eine Lust und eine Freude sein. Denn keiner begnügt sich so wie er mit der technischen Bewälttgung der uranfänglichsten plastischen Probleme, keiner verweist mit dieser Sttenge wie er auf das Rein-Künstlerische, und keiner verschmäht die Anekdote so wie er. Rodin   erzählt. Und seine scheinbar zusammenhanglosen Einzel- stücke find losgerissene Teile einer größeren Konzeptton. Er sieht den bewegten Körper. Klinger den ruhenden. Das ist der Kardinal« unterschied, der so alt ist, wie die Plastik selbst und der verkörpert sich in den beiden Künstlern. Wie lebendig leuchten die Formen des Steins, an dem die Stellen, wo der Meißel wirkte, reizvoll blinken, als glitzerten Sterne. Fassen wir einmal die Bewegungslinien zusammen, die sich ablösen, um sich immer von neuem zum Ansturm und zu unterstrichener Be- tonuug zu erheben. Die schräg bis zum Kopf aufsteigende Linie des Rückens lädt nach unten ab in dem muskulösen Schenkelpaar. Wie eine breite, sanfteNnterstreichungdieserLinien wirft dcrliegende Frauenkörper. Da, wo dieser Ton hinstrebt, sehen wir die sitzende Mädchenfigur unten in der Ecke, die wir nicbtnmwandelndwie zufällig gewahren, sondern auf die uns eben diese abfallende Linienmelodie wie zu einer Grundnote, an der wir wieder ausruhen können, hinführt. Und da gewahren wir dann wieder, wie dieses Ende sich mit dem Anfang zusammen« geknüpft eben durch technische Feinheit der Linienführung, nicht durch den Inhalt indem der Körper dieser hockenden Gestalt deutlich wieder hinweist aus den Körper des Mannes oben, zu dem sie parallel gestellt ist, den Wert der Maffe noch einmal unten gleichartig betonend. So ist über das Ganze ein Netz von