Elend, durch Kummer und Sorgen sich zum Gipfel emporrang, ihrGeschick formte mit eigener Hand, Möge da» Gebotene den LesernFreude bringen.—8. Auf den Neubau des Warenhauses Wertheim war man mitRecht gespannt. Handelte es sich doch darum, wie Messel dieFrage des Ueberganges der belebten Strasie zum freien, weiten Platzarchitektonisch lösen würde. Ob Messel mehr bieten würde als eineninteressanten Versuch? Gleich von vornherein muß gesagtwerden, daß er die Aufgabe in einer Weise gelöst hat,wie sie ihm unter den jetzt lebenden Architekten keinernachmacht. Berlin ist um einen Bau reicher geworden—endlich kann man das sagen,— der noch auf lange Bewunderungwecken wird. Wohl bei wenigen Gebäuden kann man so mit Sicher-heit gleich bei ihrer Entstehung sagen, daß sie als Vorbild in dieGeschichte der modernen Architektur eingehen werden.Die Fassade ist hier, nach dem Platz zu, breit, schlver, wuchtig.Es sind S t e i n m a s s e n, die uns hier entgegentreten, nicht, wiein den engen, bewegten Straßen lichtvolle Feiisterbögeu, die alles inGlas und Sichtbarkeit auflösen. Damit hat der Baumeister dieMöglichkeit gewonnen, durch ernste, gesammelte Ruhe der Front denPlatz zu beherrschen. Und man braucht nur diesen alten Platz— derplötzlich ein ganz verändertes Aussehen bekomint— anzusehen, wiemachtvoll sich da dies neue Gebäude bineinichiebt, wie organischzugleich dies Gebäude den Platz beherrscht. Es ist hingesetzt, es istaus dem Ganzen der Umgebung herausgewachsen.Eine freie Bogen- und Wandelhalle gibt reine Luft und Raumund macht durch ihren Gegensatz die darüber liegenden Massen nochernster. Am Ende dieser Halle, die prächtig sich mit der Freiheit desräumlich großen Platzes verbindet, plätschert ein Brunne», ein Bären-bruunen von Gaul, unserem ersten Tierbildhauer.Die Lichtzufuhr, die ja in solchem Hause eine wichtige, praktischeRolle spielt, hat Mess� in dieser schweren Steinfront in ganz eigen-artiger Weise gelöst. Die Fenster sind da. Aber sie sind aufgelöstin schlanke, hochstrebende Einzelteile, so daß wir unwillkürlich an dieSchlankheit gorischer Dome denken. Und die Fenster sind in sichnoch in ganz' kleine Vierecke zerteilt, so daß sie trotz ihrer �-chnialheitäußerst belebend, zerstreuend wirken, ohne doch von der großenGesamtwirkung abzuziehen.lieber diesen schweren Mauern liegt wie ein dunkler Akkord daswuchlige, düstere Dach, das dem Ganzen durch seine imponierendeRuhe den Abschluß gibt. So ist überall ein Wechsel, ein Betonendes Einzelnen, das sich aber doch gehorsam dem dekorativen Eindruckdes Ganzen einfügt.Wie einfach und sachlich ist dagegen wieder das Treppenhausangeietzt, da. wo der Platz einen Knick macht. Man sieht von derStraße die Menschen heraufsteigen, alles ist in einfachen, strengenLinien gehalten, und von hier aus hat man abends Blicke über denganzen Play, bis nach der Potsdamerstraßc, über die großen, dunklenBäume hinweg, zwischen deren Zweigen das Licht der Laternen undder elektrischen Bahnen flimmert, Blicke, deren Großartigkeit an Zoladenken lassen.Innen ist besonders der Lichthof hervorzuheben, der in seinerruhigen Monumentalität den Gegensatz bildet zu den, leichten, hoch-strebenden Lichthof des alten Baue», der in seinen bunten, flierendenFarben so lebendig wirkt. Hier ist alles wuchtend, schwer, massig,aber nie überladen. Mit den stärksten Mitteln arbeitend, alleTechniken benutzend, bewahrt Messel dennoch in diesem Crescendoaller Formen das Maßgefühl, das alles zu einander in harmonischeBeziehung rückt.Graue Marmorsäulen steigen breit und schwer zur Decke empor.Diese ist in goldener Bronze kassettiert. Zwei inachtige Bogen—eine kühne Neuheit— spannen sich unter der eigentlichen Decke vonWand zu Wand und trageir über sich zwei Brücken. Dadurch er-wettert sich der Raum, der ohne diese Unterbrechung düster undällzu massig wirken würde, ins Ungemessene. Der ganze Saal isteine Harmonie in Grau und Gold, und man sieht kaum all dievielen Einzelheiten, die Inkrustationen, die BroiizerelicfS, die Beschläge, so natürlich dominiert der Gesamteindruck. Nur im näherenZutreten lösen sich diese schönverteilten Einzelheiten aus dem Ganzenfür das Auge aus.—Musik.Die Peri, die wegen eines Vergehens aus dem ParadieseMohammeds verstoßen ist, soll dahin wieder Eingang finden, wennsie„des Hinnnels liebste Gabe" darbringt. Nicht der letzte Bluts-tropfen eines Freiheitshelden, nicht der letzte Seufzer einer opfer-willigen Jungfrau: erst die Träne eines renigen Sünders verschafftihr Einlaß. Und wenn auch diese nicht hinreichte, dann würde jeden-falls ein Pröbchen von den Sorgen und Mühen genügen, die HerrDr. E. Zander mit dem ersten Chorkonzene seines BerlinerVolkschores gehabt haben dürfte. Die Wahl von RobertSchumanns„Das Paradies und die Peri" war trotz derEinförmigkeiten des Werkes sehr glücklich, und der gute Blick desDirigenten bewährte sich auch in der Wahl der meisten Solisten.Doch die Unvollkommenheit und UnVollständigkeit des Orchesters,das Hemmende der musikalischen Unkenntnis bei den Anfängern, dieden Chor bilden, endlich mannigfache äußere Verhältnisse, wie z. B.die ungünstige Akustik, würden einen geringeren Erfolg begreiflichgemacht haben.Und trotzdem war der Erfolg für solche Verhältnisse sehr be-trächtlich. Mit zwei gleichen Konzerten im Zwischenraum von einerWoche tritt der Volkschor vor sein Publikum i beide in dem Riesen-saale der„Neuen Welt". Das erste vom vorgestrigen Montag, daswir hörten, geioährte trotz allen: einen Genuß und eine Aussicht aufein kräftiges Weiterschreiten des jungen Verbandes. Der Herr Volks-Kapellmeister dirigiert energisch, mit einer Vorliebe für ausgeprägteZeitmaße, hat seine Sänger auch schon zu einiger Feinheit gebrachtund ist gewiß nicht schuld, daß gegenwärtig und noch dazu beisolchen Schwierigkeiten(zum Beispiel nur einer einzigen Orchester-probe) die GestaltungSkunst eines Dirigenten nicht die bestenZeiten hat.Unter den Solisten stand in doppeltem Sinne an der Spitze dielängst wohlangesehene Sopranistin Frau Jeanette Grum-bacher-de Jong, und ein Tenor wie Herr Albert Jung-b l u t kommt nicht bald wieder. Auch der andere Sopran wardurch Frl. Klara Erler und der Alt durch Frau PaulaW e i n b a u m gut besetzt.Schumanns Werk kann innner wieder die Freude bereiten, diepositiv Großes auch bei Einseitigkeiten erweckt, und kann abermalsdie Kunstform des„Oratoriums" retten, zumal wenn dessen Stärke:das Ergehen in epischen Schilderungen, so zur Geltung kommt, wiein dieser Schöpfung.— sz.Humoristisches.— Unmaßgebliche I n st a n z.„Sie rauchen? Ich hörtedoch, daß Ihnen das Rauchen verboten worden!"„Ja, aber nur vom Arzte, von meiner Frau uicht."—— In der Schule. Lehrerin:„Ruth sagte:„Wo Duhingehst, da will auch ich hingehen". Was sehen wir aus diesenWorten?"Die k l e i n e E m m i:„Daß sie sich allein fürchtete."—— O r t s b e st i m m n n g. Richter(zum Kläger): W o hatSie der Angeklagte mit seinem Automobil überfahren?"Bauer:„An dö Haxen!"—(„Meggendorfer-Blätter.")Notizen.— Von Klara Müller erscheint demnächst ein neuer BandLyrik:„Soziale Gedichte".——„Der Jude von Konstanz" heißt ein neues Drama.das Wilhelm v. Scholz soeben vollendet hat. Das Stück spieltim Mittelalter.——„Die I u x h e i r a t", eine neue dreiattige Operette vonFranz Lehar geht am 17. Dezember am Theater an derWien zum erstenmal in Szene.—— Der Mailänder Musikverleger Sonzogno hat ein Preis-ausschreiben für Operntexte erlassen. Die Oper mußmehrere Akte umfassen und den Abend füllen. Erster Preis:25 000 Lire, zweiter Preis: 10 000 Lire.—t. Ein afrikanisches Tier tu Nord-Europa. Indem Jahrbuch des Museums in Bergen macht der norwegischeZoologe Pros. Sars eine überraschende Mitteilung. Es ist nämlich injüngster Zeit auf den Austernbänlen des westlichen Norwegen einkleiner Kruster entdeckt worden, der eigentlich keine Berechtigungvorweisen kann, in dieser Gegend sein Wesen zu treiben. Der einzigenahe Verwandte bewohnt nämlich die Gestade des Meerbusens vonGuinea im tropischen Afrika. Der Forscher nimmt an, daß das Tiereinmal vor langer Zeit von Afrika bis nach Norwegen gewandertsei und daß es sich in den Buchten der Westküste Norwegens amLeben habe erhalten können, weil das Meerwasser dort infolge derUeberlagerung mit einer Schicht von Süßwasser ungewöhnlich warmist. Dem gleichen Grunde schreibt Sars auch das üppige Wachstumder Austernbänke an dieser Küste zu.—Buchereinlauf.— Hugo Salus: Neue Garben. München. AlbertLangen.—— Otto Palmer: Familie Mucker. Ein humoristisch-satirisches Zeitgedicht mit entsprechenden Zeichnungen. Stuttgart.Paul Wähler.—— LeonieMeyerhof-Hildeck:DasEwig-Lebendige.Roman. Stuttgart. I. G. Cottasche Buchhandlung Nachfolger.—— Das neue Jerusalem. Ein jüdischer Roman. Stutt-gart. Adolf Bonz u. Co.—— Walther Schulte vom Brühl: Die Revolutzer.Roman. Leipzig. Friedrich Rothbarth.—— Heinrich Mann: Flöten und Dolche. Novellen.München. Albert Langen.—— Otto Erich Kiesel: Ebbe und Flut. HamburgerGeschichten. Leipzig. Friedrich Rothbarth.—— Richard N o r d m a n n: Ewig das Weibliche.Novellen. Berlin. Egon Fleischel u. Co.—— Knut H a m s u m: Im Märchenland. München.Albert Langen.—Berantwortl. Redakteur: Paul Büttner, Berlin.— Druck und Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u. Verlagsanstalt Paul Singer L�Co., Berlin S W.