Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 9.
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Donnerstag, den 12. Januar.
( Nachdrud verboten.)
Der Baumeister.
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Roman von Felix Holländer . " Nein," sagte Grete Anders, solch ein Exemplar wie Dich gibt es nur einmal auf Gottes Welt, und wir beide sind froh, daß wir Dich haben, sind unglaublich froh und stolz! Wie, Mutter? Gerade so wie Du bist gefällst Du uns beiden!"
,, Kind, Du machst mir ja eine ordentliche Liebeserklärung!"
Sein Gesicht strahlte, und seine kleinen Aeugelchen blickten urfidel auf das große, schöne Mädchen, das sein tiefer Stolz und seine ganze Freude war.
Aus dem Geschäft lassen sie Dich alle grüßen," sagte fie zärtlich, war das ein Schreck, als ich es erzählte!"
Und plöglich lachte sie laut auf, und in ihren Augen spielten tausend Kobolde.
,, Mein Italiener," erzählte sie ,,, wollte mir gerade wieder einen Heiratsantrag machen. Er hatte sich in feierliche Positur gestellt und erwartete mich mit einem mächtigen Blumenstrauß. Na, er merkte es an meinem Gesicht, daß die Stunde nicht besonders glücklich gewählt war. Uebrigens haben sie sich alle sehr nett benommen. Sie haben mich förmlich gedrängt, nach Hause zu gehen, als sie meine Unruhe merkten."
Frau Anders sagte:
Die Sache mit Canelli solltest Du nicht so scherzhaft behandeln, Grete. Der Mensch meint es furchtbar ernst, und Du hast nur ein Gelächter dafür."
Ihre Züge verfinsterten sich.
" Solange ich ihn noch humoristisch nehmen kann," sagte sie nach einer kleinen Weile, bin ich zufrieden. Uebrigens, wer weiß, wie lange das noch dauert," brach sie kurz ab und begab sich aus dem Zimmer.
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Nach einer kleinen Weile sagte Herr Anders: ,, Mutter, mach' Dir keine unnötige Sorge und laß das Mädel gehen! Die ist flügge und findet ohne uns ihren Weg." ,, Darum bin ich auch nicht in Sorge," erwiderte die alte Frau. Auf unser Kind ist gewiß Verlaß. Mir ist nur vor diesem Menschen bange, der das Kind mit seinen Anträgen berfolgt und sich in seiner Leidenschaft nicht zügelt. Vor den Italienern soll man sich in acht nehmen. Du hast es mir selbst oft genug gesagt... sie sind ein Menschenschlag, dem man nicht trauen darf!"
,, Mutter, mal' mir nicht den Teufel an die Wand und gib mir jetzt den Klavierauszug und Notenpapier; ich habe dem Komponisten versprochen, in den nächsten acht Tagen mit der Instrumentation fertig zu sein."
,, Unter feinen Umständen!" gab sie zurück. Das fehlte mir, daß Du im Bett.
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" Die Instrumentation muß fertig werden," entgegnete er unerschütterlich. Da hilft mir fein Gott ! Und sie wird fertig werden!" setzte er lächelnd hinzu.
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Er soll sich seinen Schmarrn selbst instrumentieren!" murrte sie ärgerlich.„ Ein schöner Komponist, der sich von Fremden die Arbeit machen läßt!"
Aber Mutter, nun fängst Du wieder zu poltern an. Hundertmal habe ich Dir auseinandergesetzt, daß jeder Handwerker instrumentieren kann."
„ Und was steht jedesmal in den Zeitungen? Wie fein und eigenartig die Instrumentation ist!". Und das steckt der Mensch, ohne mit den Wimpern zu zucken, ein und läßt sich wegen einer Sache lobhudeln, für die er nichts kann. Ich sage, es ist eine Schande!"
1905
„ Du dumme Alte! Sieht mich immer noch mit verliebten Augen an und glaubt, ich sei ein großer Musikus. Quarkspitzen! Ein Stümper bin ich, der quietschvergnügt sein muß, wenn man ihn ungeschoren sein bißchen Brot verdienen läßt!" Sie reichte ihm das Notenpapier, und bald kritzelte er so eifrig, daß er sie und alles andere vergaß
Sie sah ihn zärtlich an und schlich sich in die Küche, um zu sehen, was das Mädel trieb
Neuntes Kapitel.
Der Brief, den Keßler nachdenklich immer und immer wieder las, hatte folgenden Wortlaut:
" In der Angelegenheit Ihres Theaters wäre ich vielleicht in der Lage, Ihnen interessante Mitteilungen zu machen und eventuell nicht unerhebliche Dienste zu leisten. Ich richte daher an Sie die ergebene Bitte, mir eine Zusammenkunft gewähren zu wollen. Da die Sache drängt und nicht viel Zeit zu verlieren ist, so bitte ich Sie freundlichst, falls es Ihre Zeit erlaubt, sich nachmittags zwischen halb fünf und fünf Uhr im„ Café des Westens" einzufinden. Falls Ihnen die Stunde nicht paßt, bitte ich um Bescheid und die Angabe einer anderen Zeit.
Mit dem Ausdrucke vorzüglichster Hochachtung
Friß Steinert."
Reßler las diesen Brief mit gemischten Gefühlen. Er fam ihm wortreich und wichtigtuerisch vor. Dabei drückte der Inhalt eine gewisse Unterwürfigkeit aus, die Keßler deutlich empfand. Aber es gab in diesem Schreiben eine Stelle, die ihn entzückte und die er immer und immer wieder las. Und diese Stelle lautete:
In der Angelegenheit Ihres Theaters."
" Mein Theater!" murmelte er leise vor sich hin. Dieser Mann schrieb, als ob es sich bereits um ein festes Abkommen handelte. Der erste Mensch. der an sein" Theater glaubte, " sein" Theater ernst nahm, nicht als bloßes Hirngespinst betrachtete! Und diese Worte erfüllten ihn mit solcher Dankbarkeit, daß er alle Bedenken gegen die weitschweifige Form dieses Briefes unterdrückte und für den Schreiber eine fast zärtliche Sympathie faßte.
Woher wußte der Mensch von seinem" Theater? Vielleicht war es gar einer der Miteigentümer des Grundstückes, und eine Minute später zweifelte er feinen Moment mehr, daß nur ein Interessenf den Brief geschrieben haben könnte. Reine andere Seele in der Welt wußte von seinem Vorhaben.
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Es war ganz klar, daß Herr Kleefeld dem Aufsichtsrat von seiner Offerte" Mitteilung gemacht hatte und daß einer der Herren sich jetzt an ihn persönlich wendete, um die Verhand lungen in Gang zu bringen.
Eine große Freude durchdrang ihn. Am Ende war er dem Ziele nahe! Vielleicht wob sich nun doch aus all den fühnen Traumgebilden eine schöne Wirklichkeit, und das Glück, auf das er mit so zähem Langmut und unerschütterlichem Glauben gewartet hatte, kam zu ihm...
Aber als der erste Rausch verflogen war, kalkulierte er ernsthaft, wie er sich so einem Kapitalisten gegenüber benehmen müßte, um Vertrauen zu erwecken und sich nichts zu vergeben.
gramm.
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Er lächelte in sich hinein. Er wußte, daß er Haltung bewahren würde. Er würde eine Viertelstunde später kommen als zu der festgesetzten Zeit. Er würde seine Ungeduld be. zähmen, möglichst zurückhaltend und fühl sein, verbergen, welche Wünsche in ihm arbeiteten, sich mit teiner Miene verraten, fühl und geschäftsmäßig die Angelegenheit behandeln, keine Sekunde sich in die Karten blicken lassen das war sein ProAnders fuhr durch sein dichtes, graugesprenkeltes Haar. Mitten in diese Phantasien und Vorstellungen schob sich Du ärgerst mich! Du redest Unsinn! Lapidaren Un- durch Gedankenverbindungen, denen er nicht auf den Grund finn! Wer zwingt mich denn, die Arbeit zu tun? Und bezahlt zu gehen vermochte, so sehr er auch grübelte, das Bild der mich etwa der Mann nicht anständig? Können wir den Zu- Grete Anders. Er sah jeden Zug ihres Gesichtes, sah, wie sie schuß nicht gebrauchen? Von dem bißchen Flötenspielen könnten stolz den Nacken zurüdwarf und ihn mit funkelnden Augen wir doch nicht existieren! Also greine nicht, Mutter! Und jetzt unmutig anblickte. In ihm steckte von Haus aus eine gute sage ich: den Bleistift her und das Notenpapier! Du sollst einmal sehen, wie famos es geht, wenn Du mir noch ein Kissen unter den Rücken schiebst."
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Und als sie etwas widerwillig seinem Befehl Folge leistete, 30g er sie zu sich herab und sagte:
Portion Aberglaubens. Er war ein Fatalist, der in den Zufällen des Lebens das Leben sah, und er glaubte nun unerschütterlich fest, daß die Vorkommnisse der letzten Tage im engsten Zusammenhang stünden, und daß sowohl Herr Freitag wie Grete Anders durch irgendwelche geheimnisvolle und un