Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 10.
997
Freitag, den 13. Januar.
( Nachdrud verboten.)
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Er stellte, während er in den Wagen stieg, fest, daß die Berechnung mit diesem Mietswagen durchaus richtig gewesen war: Sein Ansehen in der Nachbarschaft war unglaublich gestiegen. Aus allen Häusern wurde er gegrüßt... Dieser Wagen wirfte wie eine Zauberformel, und seine wirtin mochte im übrigen dafür Sorge getragen haben, daß die Gerüchte, die über ihn umherschwirrten, nicht zur Ruhe kamen. In der Schüßenstraße grüßten ihn ganz fremde Leute... Er lüftete leicht den Hut und nickte jedesmal herablassend.
Wohin soll ich fahren?" fragte der Kutscher.
1905
Der junge Mensch verschränkte die Arme und sah Keßler mißtrauisch, feindselig und wie ihn dünkte unverschämt lange an.
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,, Haben Sie mich verstanden?" fragte Keßler kalt. Der junge Mensch lächelte verächtlich und verschwand im Hintergrunde des Ladens.
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Ein wenig später tauchte Grete Anders auf. ,, Womit kann ich dienen?" fragte sie förmlich.
An dem Ton ihrer Stimme erkannte er deutlich, daß sie sich beleidigt und verletzt fühlte... Da ging in ihm etwas Seltsames vor: Seine Augen weiteten sich, sein hochmütiges Gesicht bekam plötzlich etwas Weiches... In ganz leisem Tone sagte er: Mein liebes Fräulein, ich bitte Sie, mich nicht mißzuverstehen. Ich muß Sie in einer Sache sprechen, die für mich von größter Wichtigkeit ist. Ich bitte Sie dringend um eine
Da sagte er ganz ohne Besinnen und war selbst von seiner furze Unterredung." Antwort betroffen:
,, Krausenstraße neunzehn!"
Und nun wußte er auch, wie er es machen sollte
Als Frau Anders auf sein Klingeln ihm geöffnet hatte und ein wenig befremdet ihn betrachtete, sagte er hastig und ohne sich durch ihre Blicke aus den Text bringen zu lassen:
" Ich bitte um Verzeihung, wenn ich Sie störe. Ich bitte Sie nur, mir das Geschäft Ihres Fräulein Tochter anzugeben ich habe ihr etwas von Wichtigkeit mitzuteilen."
Doch nichts Unangenehmes?" fragte Frau Anders erschreckt, verwirrt durch das seltsame Benehmen Keßlers.
Nicht das mindeste!" entgegnete er rasch, aber etwas, das sie unbedingt sofort wissen muß."
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Sie ist in dem Blumengeschäft von Schröder in der Linkstraße," erwiderte tief aufatmend die Musikerfrau.
Und wie geht es Ihrem Gemahl?" fragte er noch schnell. " Ich danke bestens! Der Doktor meint, es wird noch alles gut werden. Aber wollen Sie sich nicht selber überzeugen und nähertreten?"
" Ich habe leider keine Minute übrig. Ich werde mir erlauben, in allernächster Zeit bei Ihnen vorzusprechen!" Er machte eine artige Verbeugung und nahm in gewaltigen Säßen die Treppen.
Fahren Sie nach der Linkstraße und halten Sie vor dem Blumengeschäft von Schröder!"
Der Wagen fuhr durch die Leipzigerstraße, durch das Gedränge der übrigen Fuhrwerke, der elektrischen Bahnen, der Tarameter, der Omnibusse, der Motoren, der Geschäftswagen. Und auf dem Trottoir liefen hastig die Menschen, stießen einander und eilten in nervöser Unruhe ihrem Ziele zu.
Seßler berauschte jedesmal dieses überquellende Leben der Großstadt, wie es sich in den Hauptstraßen Berlins abspielt. Die Starten warfen die Schwachen beiseite und schritten schonungslos über sie hinweg
Die Art, wie er sprach, und seine groß auf sie gerichteten Augen berührten sie eigentümlich. Es lag in seiner Stimme und in seinem Blick etwas Suggestives.
,, Was können Sie denn von mir wollen?" fragte sie halb nachgiebig.
,, Sagen Sie, bitte, nicht nein!" drängte er von neuent. Für mich steht mehr auf dem Spiele, als Sie ahnen!" Sie überlegte noch eine kleine Weile.
austrat.
,, Gut," sagte sie dann, ,, ich gehe jetzt zu Tisch, Sie können mich ein Stück begleiten. Erwarten Sie mich, bitte, draußen." Er atmete tief auf, nickte leise und verließ den Laden Vor demselben ging er auf und nieder, bis Grete Anders her,, Hier bin ich! Also, was wollen Sie von mir? Bitte, machen Sie es furz!" fügte sie herb hinzu, als bereute sie bereits, daß sie nachgegeben hatte. Instinktiv sah sie in den Laden zurück, aus dem zwei feindselige Augen sie verfolgten.
Keßler folgte ihrer Bewegung und fah in das Gesicht des jungen Menschen, bei dem er sich nach Grete Anders im Laden erkundigt hatte.
Ueber ihr Gesicht zuckte es. Sie sprach aber kein Wort, während sie an seiner Seite schritt.
Der Wagen folgte ihnen langsam. „ Darf ich Sie nach Hause fahren?" fragte Reßler, auf den Kutscher weisend.
" Nein, das dürfen Sie nicht!" entgenete sie und blieb mitten auf der Straße stehen. Sie heftete ihre Augen fest und durchdringend auf ihn.
"
Mein Fräulein," begann er, und wieder fand er den Ton, den er kurz vorher im Laden angeschlagen hatte, und wieder hatte seine Gebärde etwas Hülfloses, dem sie sich nicht zu entziehen vermochte..." Fräulein," wiederholte er,„ ich stehe vor einer der wichtigsten Entscheidungen meines Lebens. In wenigen Stunden werde ich erfahren, ob meine Zukunft Und Keßler dünfte es recht so; denn die Schwachen waren sich so gestaltet, wie ich es wünsche, wie ich es mir erträume. die Ueberzähligen, waren die, die aufhielten und hemmten. Ich weiß," unterbrach er sich erregt, was Sie in diesem AugenAber nur einen Augenblick reflektierte er. Dann wurde blick denken. Sie halten mich für einen Narren und fragen feine Aufmerksamkeit auf ein paar Passanten gelenkt, denen sich erstaunt, wie ich dazu komme, Sie mit meinen Angelegenes bei dem Gedränge nicht gelang, von einem Fußsteg zum heiten zu behelligen. Sie haben vollkommen recht, mein anderen zu gelangen.... Vor sich hinlachend, mußte er sich Fräulein, aber die Sache liegt doch nicht so einfach, wie Sie von ungefähr daran erinnern, wie Drenkwitz, als er zum ersten wähnen. Ich bilde mir nämlich ein," sagte er ganz langsam, mal als junger Student nach Berlin gekommen war, nach Hause jede Silbe betonend, daß alle meine Hoffnungen in die Brüche geschrieben hatte, in dieser Stadt seien sämtliche Bewohner gehen, wenn Sie mir nicht verzeihen und mit mir einen wirkSeiltänzer und Akrobaten, denn nur solchen Leuten sei es möglichen und ehrlichen Frieden schließen... Sie lachen," sagte lich, über die Straße zu gehen. Für jeden anderen Sterber, ich verstehe, daß Sie lachen und meine Worte nicht ernst lichen sei es ein wahnsinniges Vorhaben, an dem er scheitern rchmen. Sie würden es tun, wenn Sie mich genauer kennen müßte. Und Drenkwiz hatte in der Tat in der ersten Zeit sichürden. Sie ahnen ja nicht, daß Sie mit meinem Schicksal immer fest an seinen Arm geklammert, wenn es galt, das cerknüpft sind. Wie sollen Sie es auch wissen? Gerade in Trottoir zu wechseln..
Der Kutscher hielt..
Reßler gab sich einen Rud und sprang aus dem Wagen.
"
jener Nacht, da ich Ihnen begegnete, und kurz vorher, hat mein Geschick eine seltsame Wendung genommen. Alles, was ich hier spreche," fügte er lebhaft und wie berauscht hinzu,
In dem Schaufenster lagen die wundervollsten Frühlings- flingt dunkel und rätselhaft, und dennoch hat es einen tiefen blumen... Er hatte dafür kein Auge.
Beherzt faßte er die Klinke der Ladentür und trat ein. Ein junger Mensch mit pechschwarzen Haaren, die mit Del förmlich durchtränkt waren, und kleinen, stechenden Augen fragte nach seinem Begehr.
" Ich möchte einen Augenblick Fräulein Anders sprechen," erwiderte er bestimmt und ein wenig von oben herab.
Sinn und eine tiefe Wahrheit. Ich stehe dicht vor meinem Ziele, und ich weiß, daß ich dieses Ziel nicht erreichen werde, wenn Sie sich nicht mit mir aussöhnen... Das ist nämlich so," sagte er leiser und mit gedämpfter Stimme, daß sich dann zwischen mich und meinen Willen eine dunkle Macht drängt, die mich lähmt und mir die Frische und Unmittelbarkeit raubt, die man besitzen muß, wenn man handeln, wenn man große