Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 12.

12]

Dienstag, den 17. Januar.

( Nachdruck verboten.)

Der Baumeister.

Roman von Felix Holländer .

Und haben Sie Glück?"

" Ja," erwiderte Reßler überzeugt, ich habe Glück!" Steinert betrachtete ihn aufmerksam und nachdenklich. Seine Züge bekamen etwas Angespanntes und Erregtes. Warum firieren Sie mich so?" fragte Keßler.

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Man kann sich einen Menschen, der Glück hat, nicht lange genug ansehen," gab er zur Antwort. Wenn das übrigens der Fall ist, so werden Sie Ihren Weg machen, denn Talent allein nüßt einem gar nichts! Glück muß man haben! Das ist der Kernpunkt, um den sich alles dreht. Und gar beim Theater! Wer beim Theater Pech hat, soll sich lieber gleich aufhängen!"

" Ja," meinte Keßler, dann ist es aber doch sehr ge­fährlich, gerade in so einer Sache sich mit Ihnen einzulassen!" Wieso denn?" fragte der andere erschreckt.

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Nun, Sie haben doch offenbar fein Glück! Sie sind alt und grau geworden und haben es zu nichts gebracht! Was hat Ihnen Ihre Liebe und Leidenschaft zum Theater ein gebracht? Mir kommt es so vor. als ob Sie ein armer Teufel sind, der sein Lebtag unglücklich gelebt hat." Steinert zog die Stirn in Falten,

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Herr Baumeister, Sie sind ungemein scharfsinnig, aber Sie irren sich doch. So gottverlassen, wie Sie meine 1, bin ich nicht. Hundert andere wären zugrunde gegangen, hätten die Schicksalsprügel nicht ausgehalten, die auf mich niedergesaust find. Sie hätten ihre be verraten und et en Gchlupfwinkel gesucht, bloß um unterzukommen. Ich habe meine Hoffnung nicht während einer Stunde begraben. Ich habe gewußt, daß ich eines Tages wie aus der Versenkung auftauchen würde, um alle meine Pläne auszuführen. Und ich sage Ihnen, die Leute werden sich wundern, wenn ich am Ruder bin! Ich habe Ideen!... Nein, davon will ich jetzt nicht sprechen. Aber so viel mögen Sie wissen: es muß ein modernes Theater werden moderne Stücke muß man spielen mit modernen Schauspielern. Man muß einen ganz neuen Stil finden oder vielmehr ich habe ihn bereits gefunden. Man muß ihn nur den Leuten in vollendeter Weise zeigen!"

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Keßler wurde durch diese weitschweifigen Reden ganz verwirrt. Er konnte dem Sprecher kaum noch folgen. Den noch imponierte ihm Herr Steinert. Er fühlte, daß der Mann einen Fanatismus hatte, der ihn bei der Durchführung seiner Ideen bis zum äußersten anspornen und treiben würde. Indessen, er war nicht der Mensch, sich durch große Worte berauschen zu lassen

" Das ist ja alles ganz schön," sagte er zögernd, aber damit, Herr Steinert, kommen wir meines Erachtens nicht weiter Ich möchte vor allem wissen: Wie denken Sie sich die Entwickelung der Dinge?"

Steinert rückte seinen Stuhl zurecht.

,, Es ist mir angenehm, daß Sie diese Frage stellen," entgegnete er. Also die Sachen liegen folgendermaßen: Das Direktorium muß das Grundstück verkaufen, die Zinsen sind zu ungeheuer, um es länger zu halten. Nun hat sich zurzeit ein Käufer gemeldet. Wenn man diesem die Sache leidig zu machen versteht und das wäre meine Aufgabe so sind Sie an der Reihe. Die Geschichte muß dann so ge­deichselt werden, daß Sie das Terrain ohne einen Pfennig Anzahlung in Besitz bekommen. Sie hätten höchstens die Stempelgebühr zu tragen, die ein paar tausend Mark be­trägt Haben Sie das begriffen?"

Ja, wird man mir denn ohne Anzahlung das Grund­Stück überlassen?"

" So ohne weiteres nicht. Man müßte den Herren Suggerieren, was für ein genialer und zuverlässiger Mensch Sie sind, daß Sie Ihre Kapitalien zum Bau gebrauchen, und daß das Direktorium nichts riskiert, wenn die Kauf summe als erste Hypothek eingetragen wird."

Keßlers Züge hellten sich auf.

Wenn Ihnen das gelänge, so wäre ich von Ihrem Genie überzeugt," antwortete er lebhaft.

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1905

Es wird mir gelingen," erwiderte Steinert in festem Tone ,,,, denn, wie gesagt, erstens müssen die Herren verkaufen, und zweitens und darauf gründe ich meinen ganzen Plan ist mein Chef, der im Direktorium eine gewichtige Stimme hat, ein Theaternarr... Diesem Menschen werden wir das Lukrative unseres Unternehmens harrscharf beweisen. Ich werde ihm ziffernmäßig ausrechnen, mit welch einem Riesen­gewinn unser Theater arbeiten wird."

" Ja, können Sie denn das?"

Allerdings. Denn unser Theater wird in der Tat enorme Geschäfte machen, deswegen schon, weil es das schönste in Deutschland sein wird, und zweitens, weil ich etwas ganz Neues und Eigenartiges bieten werde... In der Beziehung können Sie sich auf mich verlassen."

,, Das glaube ich schon," sagte Keßler, aber ich möchte doch noch einige Fragen an Sie richten: Vorausgesetzt, daß der Coup mit dem Ankauf des Grundstückes gelingt, wie schaffen wir dann das Baugeld?"

Lassen Sie das meine Sache sein. Sobald wir den Grund und Boden haben, halte ich das Geschäft für gemacht. Wozu gibt es zweite Hypotheken? Mit der zweiten Hypothek bauen wir." Kepler lachte laut auf, so daß man an den Nebentischen aufmerksam wurde. Wenn wir aber das Grundstück nicht kriegen machen wir dann?"

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was Wir kriegen es. Die Sache liegt doch so, daß zwei Grundstücke dicht nebeneinander sich befinden, die verschiedenen Besitzern gehören. Das wissen Sie doch?" fragte er.

Ja, das weiß ich."

,, Nun, ich rechne noch mit einem anderen Faktor: Dem Besitzer des einen Grundstücks sagen wir, daß der des anderen willens ist, an uns zu verkaufen. Sie sollen sehen, was das für einen Druck ausübt! Hierbei ist nur die eine Gefahr," fügte er hinzu, daß wir schließlich beide Grundstücke auf dem Halse haben."

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Kepler nahm Steinerts Hand. Sie sind ein Genie ich merke es! Und wenn wir beide Terrains befommen desto besser! Dann baue ich etwas, was noch nie dagewesen ist! Die Welt soll staunen­und Sie, mein Herr, Sie werden Theaterdirektor, ich ver­spreche es Ihnen!"

Steinert nichte. Er war mit seinen Gedanken weit weg. Er verhandelte bereits mit Theateragenten und schloß Schau­spielerkontrakte ab Er nahm Stücke an, bestellte Kostüme und Dekorationen, diftierte Notizen für die Presse, um das Unternehmen zu lancieren, und zahlte in generösester Weise an Gott und die Welt Vorschüsse

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Wo sind Sie?" fragte Seßler.

Das kleine Männchen fuhr erschreckt in die Höhe und rieb sich ängstlich die Augen.

In diesem Augenblick wurden die elektrischen Birnen entzündet, so daß die Abendschatten und die Dämmerung in dem grellen Licht plößlich untergetaucht waren.

Der Kellner brachte die Abendzeitung, aber beide Herren verzichteten.

,, Wir sind jetzt eng miteinander verbündet," hub Steinert von neuem an. Ich sehe es voraus, daß Sie mir in allen Dingen reinen Wein einschenken und feinen Schritt ohne mein Wissen und meinen Willen unternehmen!"

und nun möchte ich wissen," fuhr der andere fort, ob Sie irgend einen Bekannten besigen, der Ihnen die Stempel gebühr auslegen würde. Es sind das immerhin vier- bis fünf­tausend Mark ich sagte es Ihnen bereits vorhin." Keßlers Gesicht umwölfte sich.

,, Abgemacht!" erwiderte Seßler.

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" Ich weiß wirklich niemanden," sagte er kleinlaut. ,, Uebrigens fällt mir ein," warf Steinert dazwischen, daß Sie sich auf einen Staatsanwalt namens Drenkwitz bezogen. Was hat es mit dem Manne auf sich?"

,, Drenkwiz würde mir mit einer kleinen Summe zur Verfügung stehen. Aber ich weiß nicht, ob es flug ist, sich an ihn zu wenden," setzte er nachdenklich und mehr für sich hinzu.

Hören Sie mal," meinte Steinert, der Mann muß uns einen Dienst leisten. Der Mann muß bei den Konferenzen