wohl, die Charaktere sind nicht von innen heraus entwickelt, Sie sind Ivie Puppen an Drähten, Sie treten auf, bewegen Hände und Fnsje, sagen ihr Sprüchlein her und fallen dann leblos zu- sammen, Gut und das ist ja gerade der Reiz! O deutsche Gründlichkeit, die überall Begründung und Zusammenhang und Er- klärung will! Darin beruht ja die kulturhistorische Bedeutung dieser franzöfiscben Schwanke, das ist ja das Charakteristikum: sie zeigen noch deuilich die Reste und Ueberbleibsel, den Einfluß deS alten Puppenspiels; die italienisch-französische Harlekins- und Pierrvt- ikomödie lebt noch rudimentär in diesen schattenhast tanzenden Figuren, die uns eben deswegen nicht wie Menschen mit Fleisch and Blut, sondern wie Puppen erscheinen. Das ist romanische Eigenart, und in dieser Lebensbctrachtung liegt ein Stück Lebensweisheit. ES ist ein Lachen darin, ein tolles Wirbeln, dann wieder ein Auf- schluchzen, um von neuem rasenden Taumel zu beginnen. Und nachher liegen die Holzpuppen alle stumm und ruhig im Kasten, und der Lärm ist stille geworden totenstille. Kaleidoskopartig verändern sich die Bilder, die sich blitzschnell aneinanderreihen. Läßt sich wohl etwas Groteskeres denken. als daß die alte Schwieger- mutier plötzlich in ihrem alten Ballettkostüm erscheint und nun, während sie sich unterhält, immer ihre alten Pas probiert und sich bemüht, das alte Ballerinenlächeln, das auf ihrem Gesicht nun etlvas süßsauer ausfällt, wiederzufinden?Wissen Sie noch, als ich in Marseille   austrat, imPropheten" Pose, das eine Bein nach hinten weggestreckt, den Arm über dem Kopf. Lächeln.Und dann, in Nizza  , imFreischütz  " sie trippelt nach vorn, Pose, Lächeln, Manche Bilder auf der Bühne erwecken in ihrer grotesken Schärfe und Kontrastierung z, B. wie Chainpeaux denkt, der arme Dnval ist verrückt geworden, wie Duval seine beidenSchwiegermütter" vorstellt direkt die Erinnerung an Th. Th, Heine und an den SimplicissimuS". Die Vorstellung war unstanzösisch. Das ist kein Tadel. Denn es ist uns unmöglich, sprachlich die Schnelligkeit des Tempos und den musikalischen Rhythmus der Rede zu erreichen, mimisch jene gcist« reiche Leichtigkeit der Gebärde und Geste suggestiv zu äußern. Dennoch war die Aufführung gut und zwar deshalb, weil die beiden Hauptrollen so natürlich und echt gegeben wurden, daß der Mangel desFranzösischen" ziemlich gedeckt wurde, Herr Giampietro  (Duval) bewegte sich mit der Gelenkigkeit und Geistesgegenwart eines Clotvn und schuf einen lebendigen Typus, dem man oft begegnet, dem die leise karikaturistische Uebertreibung nur zu statten kam. Er grunzte wie ein Nilpferd, lachte wie ein Blödsinniger, warf einen Kuchen in die Luft und das Geschirr zur Erde, alles mit einer Leichtigkeit und Sicherheit, die verblüfften. Desgleichen die fürchterliche Schwiegcr- mutter Joh. Junker-Schatz(Mad. Bonivard), deren Stimme allein genügte, um Entsetzen einzuflößen. Lachen ist gesund. Und im Publikum hörte ich sagen:Heute lachen wir soviel, wie wir sonst weinen," Also wird der Nachmittag nicht verloren sein. e, sott, Musik. Vor anderthalb Jahren machte in derNeuen Zeitschrift für Musik  " einer unserer besten Abschätzer junger Talente, Dr. Arthur Seidl  , aufmerksam auf den Komponisten Er m anno Wolff- Ferrari  , Es handelte sich damals um ein Chorwerk auf den Text von Dantes JugendschriftVita nuova  ", aufgeführt durch den Porges- schen Chorvereiii in München  , nachdem der Komponist bereits durch Kammermusikwerke und durch eine OperAschenbrödel" tüchtiges geleistet hatte. Der Rezensent war voll des kritischen Lobes über die Leistung, prophezeite allerdings einer etwaigen Berliner   Aufführung ein Fiasko. Inzwischen nimmt der Komponist eine bedeutende Stellung als 5ionservatoriums-Direktor in Venedig   ein. Und nun macht eine neue Oper von ihm die Runde durch deutsche Bühnen: Die neugierigen Frauen". Das Werk ist als eine Musikalische Komödie  " bezeichnet. Der Text wurde nach C. Gol- d o n i bearbeitet von L, S u g a n a und verdeutscht von H. T e i b l e r, der bereits jenes Chorwerk übersetzt hatte. Am vergangenen Sonnabend bekamen wir die Neuheit im Theater des Westens zu hören. Es toar ein voller Erfolg nach innen und außen; wir können nur mit aller Freude'den Sieg des künstlerischen Idealismus anerkennen, den Direktor A l o y s P r a s ch damit errungen hat, Tie angeblich über alles schimpfende Kritik hat an dem Vorwärtsstreben unserer beiden privaten Opern- theater irahrlich eine Gelegenheit, aufzuatmen gegenüber all dem, worüber ihr die Klage aufgezwungen ist, Aus einem hübschen, aber etwas dürftigen Text hat der Kam- Honist ein Meisterwerk auch in dem Sinne geschaffen, daß er sich die Beschränkung auferlegte, genau im Sinne des ihm Dargebotenen zu arbeiten. Es handelt sich um eine Rokoko-Komödie, wie deren mehrere von Mozart   komponiert sind. In Venedig   hält ein Junggesellenklub von seinen unschuldigen Zusammenkünften die Weiber fern. Aber die vier Frauen, die den im Klub führenden Männern zunächst stehen, plagt so sehr die Neugierde, was da drinnen alles Schreckliches vor- gehen mag, daß sie den Männern die Schlüssel stibitzen, in das ge- fährliche Haus eindringen und beim Lauschen schließlich eine Glas- wand eindrücken. Natürlich große Versöhnung mit einem zuletzt etwas ausgelassen, werdenden Tanz, Typen der italienischen Komödie, wie derPantalone", derArlcchino", dieColombine", kommen in freier Verwertung wieder zum Vorschein, Mozart! So sehr sich der Kritiker vor einem Vergleichen hüten soll: diese Zugehörigkeit des Komponisten kann doch nicht unerwähnt bleiben, Stellen, wie die im letzten Akt:Soll Dich lieben Colombina" sind zwar keine'Reminiszenzen im üblen Sinne, doch ebenso Mozartisch ivie anderes Moderne Wagnerisch ist. Vielleicht, daß die frühere Einwirkung Profeffor Rheinbergers in München   auf den Komponisten daran beteiligt ist. Allerdings trennt ihn von dem Klassiker des 13. Jahrhunderts nicht nur die moderne Harmoni- sicrung und Jnstrumentterung, sondern auch die dramatische Stetig- keit, welche die lyrischen Höhepunkte völlig in den Zusammenhang einbettet. Am ehesten liedmäßig ist der Gesang von Rosaura:Ach, nur für Dich, mein Süßer"; er wird voraussichtlich ein Lieblings« stück werden. Mehrere Duette und namenttich Quartette der vier neugicrigen Frauen, sowie das Menuett am Schluffe führen die lyrische Kraft des Komponisten ans ihre Höhepunkte, Allerdings ist seine stärkste Kraft nicht eben diese; eine große Produktivität im Thematischen leuchtet aus diesem Werk überhaupt nicht hervor, und für stark modernen Geschmack wird die Lieblichkeit seiner Lyrik doch etwas zu roscnfarben. Um so lebhafter ist die scharfe Charakteri- sierung der Personen und Situationen anzuerkennen. Dazu kommt noch die ausgezeichnete und doch nie aufdringliche Verwertung deS Orchesters, mit welchem der Komponist sich an daskleine Orchester" unserer früheren Klassikerzett(ohne Posaunen und mit nur zwei Hörnern) hält. In künftiger Zeit wird man wahrscheinlich auf diese erste Auf- führung als auf ein Muster zurückblicken und wird gerne die Namen der Künstler wieder nennen. Das Theater des Westens hat mit ihnen einen tatsächlich hohen Stand seines künstlerischen Wollens und Könnens bekundet. Die vier Frauen waren: die treffliche Altistin L u d d y G a st o n und die Soprane Lina Doninger, Paula Linda, Jenny Fischer. Von den Männern standen wohl zu oberst die beiden hervorragenden Tenore: der lyrische Christian Hansem und der Buffotenor Joseph Pohl; vielleicht noch mehr der Baß Emil S t a m m e r. Ebenfalls mit Ehren seien genannt: Hans Geißler, Arthur Below und Adolf Ziegler  , dem allerdings noch mehr Beweglichkeit des Ausdruckes gut stehen würde. Auch die Nebenrollen waren gut vertreten, lieber einige kleine Un- geschicklichkeiten der szenischen Regie, namentlich im dritten Akt. wird wohl die Ausreifung hinweghelfen. Allerbestes leistete Kapellmeister HanSPfitzner, der ersichtlich mit innerem Anteil ein Kunstwerk zur Geltung brachte, deffcn Art doch schließlich nicht in allem sein eigenster Geschmack sein dürfte. Humoristisches. Auch eine Mitgift.Wieviel Mitgift hat denn der Herr Doktor bekommen?" 30 000 Mark, und zwei chronische Magenkatarrhe in der Familie!" Ein Held. Sie:Daß Du Deine Rettungsmedaille immer am Rock trägst, finde ich gar nicht hübsch. Man prahlt doch nicht mit seinen Heldentaten!" Er:Dann dürft' ich ja auch den Trauring nicht tragen!" Zu a n st r e n g c n d. Gehen Sie zu Gcheimrajs zum five o'clock-tca", Herr Huber?" Na! Z'wsgen dem biss'l heißen Waffer werd' i' mir nöt zwoa Stund' die hochdeutsche Papp'n rinhcnk'nl" (Fliegende Blätter  ".) Notizen. O h'o r n SBrüder von S t. B e r n h a r d", die ei» Zugstück des Wiener   Deutschen   Volks-Theaters geworden sind, werden noch in diesem Monat in Stuttgart   und am Deutschen Schau- spielhause in Hamburg   gegeben, Erfolg bei der Erstausführung hatten die Opern: l.» cabrsra" von Gabriel D u p 0 n t im Stadt-Thcater zu Frankfurt   a, M,,Die vernarrte Prinzeß" von E h e l i u s am Hof-Theater in Schwerin  , Die schwarze Nina", dreiaktige Oper von Alfred Kaiser, wird nächstens in Elberfeld   zur Aufführung ge- langen. Der Herzog vonMeiningen hat 20 000 M, als Grund- läge eines Ratio nalfonds für deutsche Dramatiker gestiftet, Der Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein   hat für das Jahr 1905 fünf Ehrengehälter bewilligt und zwar an die Maler JodokuS Schmitz- Düsseldorf  , I. V. C i s s a r z- Darmstadt, Leo Schnug- Straßburg, Bauer- Stuttgart, Wulf- Stuttgart. Der Dezernent für Kunstfragen im österreichischen Kultus- Ministerium, Ministerialrat v. Wiener, ist kaltgestellt worden. Folge deS Marschall-SkandalS. Am 1. April 1904 gab eS in Deutschland 1208 Elektrizitätswerke. Sie verteilten sich auf 993 Ort- schaften. Der soeben verstorbene Professor Abbe hat nahezu eine Million Mark zur Förderung künstlerischer und wissenschaftlicherAnstalten ThürigenS hinterlassen. verantwortl. Redakteur: Paul Büttner  , Berlin. Druck und Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.VerlagZanstall Paul Singer L:Co.,BerlinLW,