Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 14.

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Donnerstag, den 19. Januar.

( Nachdruck verboten.)

Der Baumeister.

Roman von Felix Holländer . Keßler zog die Stirn in Falten. Ich möchte wissen, ob Du mich für einen anständigen Menschen hältst," fragte er. ,, Sonst würde ich nicht mit Dir an einem Tisch sitzen." " Nun gut, dann verlange ich auch, daß Du zu mir Ver­trauen hast."

Ich fürchte aber, daß Du Dich von Deinen Ideen fort­reißen läßt. Nach meiner unmaßgeblichen Ansicht lädst Du eine Verantwortung auf Dich, die ungeheuer ist, stürzt Du Dich in ein Unternehmen, das Dich verschlingen kann."

Herr Gott, Drenkwig, wenn Du nur nicht ein solcher Pedant wärst. Es muß Dir doch einleuchten," fuhr er über­redend fort, daß der Gedanke, hier ein Theater zu bauen, glänzend ist, wenn so gerissene und gewiegte Kaufleute ohne einen Pfennig Anzahlung den Grund und Boden hergeben wollen."

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Das ist für mich gar kein Beweis," antwortete Drenkwitz fühl. Diese Leute haben eine ungeheure Bodensteuer zu ent­richten und wollen sie auf Dich abwälzen. Was kann ihnen passieren? Kannst Du ihnen den Grund und Boden forttragen? Du kannst verkrachen; sie sind in jedem Falle durch die erste Hypothek gesichert."

Keßler wurde ärgerlich. Mit Dir ist nicht zu reden. Du verstehst weder was vom Bauhandwerk noch vom Theater. Du haft von beiden Dingen keinen Schimmer. Das Theater ist das glänzendste Geschäft, und zu bauen vermag unter den heutigen Verhältnissen fein Mensch anders, als ich es beabsichtige. Im übrigen haben die Leute noch gar nicht an mich verkauft. Wenn ich erst so weit wäre!" schloß er seufzend.

Drentwizz ließ sich nicht überzeugen. Und in warnendem Zone sagte er: Gerade weil ich Dein Freund bin, wiederhole ich immer wieder: Laß die Hände davon. Du wirst sehen, Du brockst Dir eine böse Suppe ein."

Drentwis, das ist ein wohnsinniges Vorurteil. Wollte ich auf Dich hören, so würde ich zum Verbrecher werden."

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Das ist doch eine etwas fühne Behauptung," entgegnete der Staatsanwalt von Drenfwig und lächelte dabei ironisch. Es ist mein voller Ernst," beteuerte Seßler. Ein Mensch, der nicht Gelegenheit hat, seinen Tätigkeitsdrang zu befriedigen, der mit Projekten und Plänen vollgepfropft ist und danach hungert, sie in Wirklichkeit umzusetzen, muß auf Abwege geraten, wenn er überall Hemmungen und Wider­stände findet und seine Ideen nicht zu verwirklichen vermag. Und ich begreife nicht," fegte er erregt hinzu, daß ein so gescheiter Mensch, wie Du, hierin völlig versagt. Ich bin," schloß er mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck, ein Gefäß. das bis zum Ueberlaufen voll ist. Ich brauche dringend eine-"

Er kam nicht weiter. In diesem Augenblick trat Steinert mit einem kleinen, sehr elegant aussehenden Herrn an den Tisch.

" Ah, da sind Sie ja, Baumeister! Das ist schön, daß wir Sie treffen!" sagte er und warf gleichzeitig einen flüch­tigen und verständnisvollen Blick auf Drenfwig.

Der Staatsanwalt erhob sich sofort und machte Miene, sich zu verabschieden.

Ich bitte Dich, bleibe," sagte Seßler flüsternd, in dring­lichem Tone, mir liegt ungeheuer viel daran, daß Du Dir die Leute hier ein wenig ansiehst." Und bittend fügte er hinzu: " Du weißt, welch' einen Wert ich auf Dein Urteil lege."

" Ich mache gute Miene zum bösen Spiel," antwortete Drenkwitz; gern tue ich es nicht."

Die beiden Herren hatten abgelegt und Steinert stellte Herrn Direktor Rammfromm vor, während Keßler die Be­kanntschaft mit dem Staatsanwalt von Drenkwig vermittelte. Man machte eine ganze Weile mur allgemeine Redens arten, bis Steinert unruhig wurde und mit einem raschen Sprunge, ohne Uebergang, das Gespräch auf das Theater brachte.

Die Sache ist also die," sagte Lammfromm, daß Sie, Herr Baumeister, unseren Grund und Boden, auf dem Sie Ihr Theater errichten wollen, ohne Anzahlung zu erwerben

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wünschen. So wenigstens habe ich Herrn Steinert verstanden." Und als Keßler nickte, fuhr er fort: Nun gut, ich stehe Ihrem Projekt nicht unfreundlich gegenüber. Ich möchte allerdings die Bürgschaft haben, daß Sie ich bitte meine Offenheit nicht falsch zu deuten über die Mittel verfügen, um ein solches Riesenunternehmen durchzuführen. Denn nur unter dieser Vorausseßung könnten wir es riskieren, Ihnen das Terrain ohne Anzahlung zu überlassen. Sie werden mir zu­geben," schloß er, daß in jedem Falle unser Entgegenkommen ein außergewöhnliches ist."

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Keßler war von der feierlichen Art des Kaufmannes un­angenehm berührt, er ließ sich jedoch nicht im mindesten ver­blüffen.

Ich bin selbstverständlich in der Lage, diesen Nachweis zu erbringen," erwiderte er kühl. Im übrigen erkenne ich die Kulanz Ihrer Bedingungen ohne weiteres an, ich muß in­dessen betonen, daß mir das Nachbargrundstück ebenfalls ohne Anzahlung angeboten wurde."

Das habe ich Herrn Lammfromm bereits gesagt," fiel Steinert lebhaft ein.

Keßler gab sich den Anschein, als ob er diese Worte überhörte. Möchtest Du mir nicht eine Zigarre geben," wendete er sich an den Staatsanwalt." Danke sehr!" Er rauchte sie langsam an.

In voller Absicht richtete er während dieser Viertelstunde auffallend oft das Wort an Drenkwiz. Er hatte das Be­streben, sein Duzverhältnis mit dem Staatsanwalt klar und deutlich zu betonen. Er hatte sofort an der Miene des Direktors erkannt, daß Drenkwiz' bloße Anwesenheit außerordentlich auf ihn wirfte. Steinert hatte recht gehabt.

" Sie müßten sich allerdings sehr rasch entscheiden, ob Sie auf unsere Offerte eingehen," nahm der Direktor das Wort wieder auf. Wir drängen gewiß nicht, aber nachdem ich soeben gehört habe, daß Sie noch mit anderen in der Richtung verhandeln, müssen wir auf eine rasche Abwickelung doppelten Wert legen."

Hierbei zwirbelte er seinen sorgfältig gepflegten Schnurr­bart noch mehr in die Höhe und lächelte verlegen.

Drenkwitz erhob sich. Ich muß gehen," sagte er ent­schlossen, ich habe keine Zeit mehr.

Er verabschiedete sich kurz und eilte nach Hause. Keßler war es nur angenehm, daß er sie jetzt verließ. Sein Freund hatte während der letzten fünf Minuten ein so hochnotpeinliches Geficht aufgesetzt, daß ihm angst und bange geworden war.

Ein sehr scharfer Kopf," sagte Lammfromm; ich habe neulich ein Plaidoyer von ihm gelesen, das nicht von Pappe war. Unter dessen Hände möchte ich nicht geraten.

Er hat unzweifelhaft eine große Karriere vor sich," ant­wortete Keßler. Uebrigens ist er ein durch und durch vor­nehmer Mensch. Ich bürge für ihn; er ist einer meiner besten Freunde."

Ich habe nicht das mindeste gegen den Herrn Staats­anwalt sagen wollen," entschuldigte sich Lammfromm llebrigens, um auf etwas anderes zu kommen, so bemerke ich, daß im Direktorium große Widerstände zu überwinden waren, che man sich mit dem Gedanken vertraut machte, Ihnen das Grundstück für Ihre Zwecke zu überlassen."

Keßler fühlte, wie eine dumpfe Freude über ihn kam, die ihn beinahe lähmte. Aha, dachte er, es ist also so gut wie sicher, daß ich bauen werde. Diese Gewißheit hatte für ihn etwas Beseligendes. Hinter ihr verschwanden alle seine Be denken. Laut aber entgegnete er: Ich verpflichte mich, so­bald Ihre Offerte vorliegt, Sie umgehend von meiner Ent­scheidung zu benachrichtigen."

Es entstand eine kleine Pause, ehe Lammfromm, mit den Augen ein wenig zwinkernd, wieder begann:

" Ich gestehe ganz offen, daß ich ein großer Theaternarr bin und eine große Freude hätte, wenn das Projekt zustande täme. Allerdings leiten mich außerdem noch persönliche Motive. Ich habe da eine kleine Freundin, die in Lübe engagiert ist und gern nach Berlin möchte. Sehr talentvolles Mädchen! Gefällt in Lübeck riesig. Ich würde großen Wert darauf legen, daß sie für das neue Theater engagiert würde."