Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 28.
28]
Mittwoch, den 8. Februar.
( Nachdruck verboten.)
Der Baumeister.
1905
hast Du... nichts Kleinliches! Du bist ein ästhetischer Mensch, an dem man seine Freude haben muß.
„ Und Du bist ein verliebter Schwäßer," entgegnete sie lachend ein Theoretiker, der mich unkompliziertes Wesen ach nein reden wir von etwas anderem! Vom Wetter von den Blumen- von der neuesten Mode nur nicht von mir!" Nein," entgegnete er, mur von Dir und von nichts Erschrick nicht ich komme mit einer großen
Steßler legte feinen Arm in den ihrigen und ging mit ihr willst im Zimmer spazieren.
Also, wie gefällt es Dir hier? " Zu gut..." erwiderte Grethe. Man sieht an jeder Sleinig feit, daß Du ein Künstler bist. Geschmack ist etwas, das sich
nicht erlernen läßt."
"
,, Was Du für ein kluges Geschöpf bist, und was für hübsche Sachen Du oft sagst.... Aber warum gefällt es Dir zu gut? Es ist doch alles schlicht und einfach?"
„ Das schon, aber. ..Aber?
"
Sie schwieg und blickte zu Boden.
" Ach!" sagte er, ich habe es erraten!... Du denkst, er fährt in einer Equipage, um die Leute zu täuschen; er wohnt in einer prunkhaften Wohnung, ir der ihm kein Stück gehört.. Ist es nicht so? Sprich doch!..."
Sie nickte mur.
Siehst Du... ich weiß alles, was in Dir vorgeht ich bin Gedankenleser," scherzte er. Mach Dir keine unnötigen Sorgen, Du wirst später noch einmal daiber lachen! Sei doch ein bißchen einsichtig, stelle Dir vor, ich sollte meine Fabrifanten und Geldgeber in einem möblierten Zimmer empfangen! Nicht einen Groschen würden sie mir kreditieren!"
Und mit einer breiten Geste auf die kostbare Einrichtung weisend, sagte er lachend:
„ Das sind alles Geschäftsunkosten!... Und nun nichts mehr davon.. Küsse mich!"
.. mehr!"
Sie tat es wie ein gehorsames Kind. ,, Nein, nicht so.. Mehr Er ließ sie nicht locker, und sie selbst vergaß alle ihre Unruhe, alle quälenden Gedanken. Aber endlich entzog sie sich
ihm sachte.
Langsam gab er sie frei. Und nun schüttete er ihr alle feine Sorgen aus, erzählte ihr die Wendung, die dieser Tag für sie gebracht, und wie er mun sicher glaube, den Berg hinter sich zu haben. Er sprach zu ihr wie zu einem treuen Kameraden, einfach, aufrichtig und ohne jede Pose.
Sie hörte ihm aufmerksam und voll Teilnahme zu, und ihre fummervolle Stirn glättete sich, als er so selbstbewußt und hoffnungsfreudig von der Zukunft redete.
Mir ist," schloß er, als ob ich Dich seit vielen, vielen Jahren kennte. Niemals kommt mir der Gedanke, als könnte ich Dir irgend etwas, es sei, was es sei, verschweigen. So etwas Vertrauenerweckendes hast Du für mich."
Vielleicht," antwortete fie, bin ich nur ein ganz schwaches Menschenkind. wenigstens Dir gegenüber."
"
Das ist es ja gerade, wodurch Du mich besiegt haft! Ich sehe zu Die empor und freue mich Deiner Kühnheit, und daß Du aufrecht und gerade gewachsen bist wie wenige Frauen! Und bevor ich noch in der Erkenntnis Deines besseren Wesens und meines unverdienten Glückes kleinmütig werde... bevor ich noch den großen Abstand zwischen unseren Naturen zut amessen vermag... kommst Du und legst demütig Dein Schicksal in meine Hände, gibst mir mit einem Worte das Recht des Stärkeren... erkennst mir eine Ueberlegenheit zu, die ich. Nein, nein, so darfst Du nicht reden," unterbrach sie ihn; ich will nicht, daß Du Dir falsche Vorstellungen über mich machst... ich bin eine simple Natur mit kleinlichen, bürgerlichen Anschauungen, so daß ich Dir in vielen Dingen nicht einmal zu folgen vermag... Ich liebe Dich... das ist die einzige Rechtfertigung meines Wesens und meines Handelns. Ich glaube allerdings," fügte sie nachdenklich hinzu, während ihre Augen in tiefem und reinem Glanz leuchteten, daß es auch die schönste Rechtfertigung ist, die ich haben könnte!"
Er wurde betroffen durch ihren großen Ernst. " Immer sehe ich in Dir die einfache, große, strenge Linie, die mich in den Bauwerken der alten Meister entzückte, und so oft Du mir Dein inneres Wesen aufschließt, kommt der Architekt in mir zum Vorschein.... Nichts Verschnörkeltes
anderem! Bitte."
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wovon Du
,, Nein, ich erschrecke nicht Du weißt, daß ich für Dich alles tue, was in meinen Kräften steht!"
„ Alles, Grete?"
,, Alles, was Du fordern darfst, Friedrich!"
Sein Name Klang ihm aus ihrem Munde wie eine Melodie.
„ Sage es noch einmal," bat er.
Leise wiederholte sie dieselben Worte.
„ Ich möchte, daß Du Deine Stellung aufgibst. Ich möchte nicht, daß mein stolzes Mädchen von anderen ab hängig ist!"
Sie blickte überrascht und verwundert auf.
„ Das sind wir doch alle," entgegnete sie;„ Du- ichjedermann! Und dann," fuhr sie fort, ich bin ein Mensch, der gar nicht ohne Arbeit sein kann... Ich würde mich elend fühlen, wenn ich den ganzen Tag den Eltern auf dem Halse liegen sollte. Denn was im Hause zu tun ist, besorgt die Mutter leicht und mühelos in wenigen Stunden."
Und wenn ich Dich trotzdem darum bitte?" „ Tue es nicht, Friedrich!"
Euch ein Mensch, der mir gegen den Strich geht." ,, Kind, ich habe noch einen anderen Grund: Da ist bei " Du meinst Canelli ?" Ja!
Es beunruhigt mich, wie dieser Bursche Dich mit seinen Blicken verfolgt laß mich ausreden, Gretel, und gib mir nach. Ich bin nämlich," fuhr er in sichtlicher Verlegenheit fort, überhaupt kein Freund der Italiener . Aber dem da traue ich nicht über den Weg. Glaube mir, er hat in einen Zügen etwas Hinterhältiges und Gewalttätiges. ist es wahr, daß er Dir nachstellt, oder nicht?"
Seine Worte hatten sie verwirrt und fassungslos gemacht, ,, So gib mir doch eine Antwort," drängte er.
„ Es ist wahr, daß er mir nachgestellt hat," erwiderte sie langsam; aber seitdem ich ihn einmal ernst zurückgewieſen habe, ist er mir nie mehr zu nahe getreten. Diesen Menschen verkennst Du er hat mich geliebt, bevor ich Dich gesehen hatte, und er beweist mir täglich und stündlich, daß er sich zu fügen vermag und vor mir Ehrfurcht hat."
Keßler ergriff ihre Hand.
rbeit denke ich plötzlich an Dich und sehe dicht neben Dir „ Gretel, Du mußt mir die Liebe tun! Mitten in meinev diesen Menschen, den ich wer weiß, aus welchem Grunde fürchte. Dann komme ich mir wie gelähmt vor und alle Arbeitsfreude vergeht mir." Und den Ton völlig wechselnd: Denkst Du denn zuweilen auch an mich?“ numer... immer. Nicht nur zuweilen!" „ Und Du wirst von dort fortgehen?"
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„ Ja ich will mich nach etwas anderem umsehen." „ Auch das möchte ich nicht... Meine Braut soll
nicht Sie ließ ihn nicht aussprechen, machte eine abwehrende Bewegung, während ihre Miene etwas Abweisendes, Scheues und Herbes erhielt.
Durch diesen Ausdruck wurde er betroffen und eins geschüchtert.
Bist Du etwa nicht meine Braut?" fragte er.„ Glaubst Du mir nicht? Grete! Hältst Du mich für einen Menschen, der mit Dir sein Spiel treibt?"
Ein rührendes, unsagbar holdes Lächeln verschönte ihr Gesicht. Sie legte ihre beiden bebenden Hände auf seine Schultern.
,, Friedrich," sagte sie, ich habe Dich so von ganzem Herzen lieb, daß mir niemals der Gedanke gekommen ist, Du hättest mir gegenüber irgendwelche Pflichten. Du sollst Dich frei fühlen! Du sollst nur so lange an mich ge