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Er sah sich auf den Proben, sein Lebenstraum war erfüllt. I seinem gedunsenen Gesicht, der dicken Nase und den grauen Bart Er würde Direktor eines großen Theaters sein, das ganze koteletts den Spitznamen Koloman Szell" zu danken hatte; der Personal würde um seine Gunst betteln, vom ersten Helden- Notar, der vom bielen Zigarettenrauchen hager wie eine Hopfen darsteller angefangen bis zum letzten Theaterarbeiter. Er stange und ganz gelb geworden war; ein Kaufmann, namens Pittrich, würde in seinem Direktionsbureau die Sprechstunde abhalten, von Tag zu Tag auf eine einträgliche Epidemie wartete. und der erst unlängst zugezogene junge Arzt, Andreas Habka, der und draußen würden all die antichambrieren, die ihn bis vor Brr! So ein Hundewetter!" kurzem kaum über die Schulter angesehen hatten. Und un­gezählte Gelder würden durch seine Hände gehen. Und nach all den Entbehrungen und all dem Hungern würden nun auch bei ihm Glanz und Reichtum sich einstellen. Er würde sich draußen in einem der Vororte eine kleine Villa bauen, folenne Soupers geben, mit einem Wort: leben und genießen

Er bemerkte, wie Frenzel vertraulich seine Hand auf Keßlers Schulter legte. Langsam näherte er sich den beiden. Dieser Frenzel war ein schwerer Junge, er wußte es und fürchtete ihn. Als er hinzutrat, lächelte ihm Frenzel zu.

Ich habe eben Ihrem Baumeister gesagt," wandte er sich an Steinert, daß ich immer für Sie zu haben bin. Wenn Sie Geld brauchen, kommen Sie ruhig zu mir... ich stehe Ihnen zu Diensten."

( Fortsetzung folgt.)

( Nachdruck verboten.)

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Sein Pelz fing an zu dampfen, als er vor den pfauchenden Eisenofen trat. Brustend und stöhnend entledigte er sich seiner, zog Handschuh, Halstuch und Gummischuh ab und begann danach seine Nase zu reiben. Erst als diese wieder warm geworden, setzte er sich zu den anderen und ließ sich einen Glühwein bringen. Heute geht's nicht mehr nach Haus, und wenn's mir ein weit im Wagen fahren, nein, das halten die Knochen nicht Königreich einträgt!" erklärte er behaglich. Jetzt zwei Stunden mehr aus!"

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Aber wenn man Sie braucht?" erkundigte sich Doktor Habka boshaft. Ein Sterbender vielleicht"

Na," schmunzelte der Propft, Kranke haben wir ja, Gott sei's geflagt! Aber da wir seit zwei Monaten feinen Arzt ins Dorf ge­lassen haben, werden wohl alle wieder gefund werden."

Die Tischgenossen lachten. Das start gerötete, eben noch fo selbstzufriedene Geficht des alten Herrn wurde aber plöglich ernst. Die Fremde, die er in Wind und Wetter auf der Gaffe gelassen, fiel ihm ein.

Er erzählte sein Erlebnis und erkundigte sich nach ihr.

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Ah, die Stascha!" sagte der Notar. Beruhigen Sie sich, die wäre nicht fortgegangen und wenn Sie ihr drei Stunden zugeredet

Im Gaftbaus zum König Arpad. atten

Von Georg Busse Palma  .

Jn der Komitatshauptstadt Balassa- Gyarmatt hatte der dice Propst von Neograd feine Geschäfte erledigt. Nun war es Abend geworden. Der Nebel lag in Schroaden auf den Straßen, und ohne fünf Schritte weit vor sich sehen zu können, schlug der Propst aufs geratewohl den Weg nach seinem Gasthof ein. Er war groß, schon nicht mehr jung und sehr forpulent. Sein dichter Bela behinderte ihn auch, so daß er mur langsam vorwärts tam. Die feuchtkalte Novemberluft legte sich unangenehm auf sein feistes Gesicht. Die dicke Nase, die sonst immer wie ein fleiner Ofen glühte, wurde ihm ganz falt.

Auf dem Markt, als er grad' am Komitatshaus vorbei wollte, stolperte er mit einemmal vor der breiten, vorspringenden Stein­treppe über einen langausgestreckten Gegenstand. Um ein Haar wäre er gefallen. Näher zusehend, erkannte er in dem Hindernis die Beine eines schlafenden Weibes, das mit dem Kopf auf der untersten Stufe lag und ein Paket in den Armen hielt. " Jesus Maria!" dachte der Propft.

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" In dem Wetter!"

Er bückte sich und rüttelte sie an der Schulter. Das Bücken wurde ihm nicht leicht, und er schnaufte vernehmlich dabei. Aber er durfte die Person dort nicht schlafen lassen. Sie konnte sich den Tod holen.

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Du, geh nach Haus! Ist das ein Wetter für einen Christen­menschen?"

Heftig zusammenschauernd fuhr die Angerufene halb auf. Sie war in triefend naffe, zerlumpte Bauernkleider gehüllt. Ihre großen, schwarzen Augen richteten sich verschlafen für einen Moment auf den Geistlichen. Dann schüttelte sie stumm den Kopf.

" Hoh! die hab' ich doch schon öfter gesehen!" fiel es dem Propst ein. Richtig, heut nachmittag saß sie auch hier auf der Treppe. Und vor acht Tagen ebenfalls!"

,, Wartest Du hier auf jemand?" " Ja!"

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Auf wen denn?"

,, Auf meinen Mann."

Wann tommt der?"

Das stumpfe Gesicht des jungen Weibes veränderte fich lich. Sie fing an zu tichern und zeigte eine Reihe breiter, Zähne. " Jeden Augenblid fann er kommen, Herr! Ja, ganz Spätestens fommt er morgen, in aller Frühe."

plög­weißer gewiß. Aber Du kannst doch nicht bis morgen hier auf der Straße liegen?" Bst! Weckt mir das Kind nicht!"

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Sie beugte sich über das Bündel und wiegte es hin und her, Die eine Laterne, die in der Nähe war, gab nur schwaches Licht. Der Propst sah aber doch, daß das, was sie da wiegte, fein Kind war. Es war ein plump zusammengeschnürter Knäuel Lumpen. Weiter nichts.

Eine Frre!" sagte er sich mitleidig.

Er versuchte nochmals sie zum Aufstehen zu überreden, aber sie blieb störrisch und fing schließlich an zu weinen. Der Propst war trotz der verhältnismäßig frühen Stunde allein auf der Gasse. Was fonnte er tun? Außerdem: die Beine froren ihm, und die Nase tat ihm direkt weh.

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Mit einem leisen Schamgefühl ging er weiter. Es ist nicht mein Sprengel!" beruhigte er sich.

Was ist denn mit ihr?" fragte der Bürgermeister. Auf der Straße schlafen, ist übrigens verboten."

dabei, und die Kommune hat eine Armenteiche mehr." Mit Recht!" bestätigte Habka sarkastisch. Sie kann draufgehen

Der Notar strich sich mit der Hand über das feine kränkliche

Geficht:

sonnen. Sie hat eine Geschichte hinter sich, bei der man sich einiges " Ihren Sarg könnte sie noch selbst bezahlen", erklärte er ver­denken fonn. Soll ich sie erzählen?"

Sie kennen ja alle die Landbevölkerung unserer Gegend: armes slowakisches Volf, das mit gekrümmtem Rüden geboren wird und für eine Mezze Weizen mehr arbeiten muß als der Theißbauer für einen Sack Mehl. Das Bergland ist spröde, und der harte Kampf um das tägliche Brot frißt alle Kräfte, sodaß die geistige Entwicklung sehr zurüdgeblieben ist. Selbst das Christentum ist trop achthundert jähriger Herrschaft nur äußerlich. Im Innern wuchert der Aber glaube aus der grausten Heidenzeit weiter, wenn er im Gewand auch christianisiert ist.

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In dem ganz abgelegenen Dorfe Bodony hat sich das vor furzem wieder mal gezeigt. Das arme Weib-Stascha Pallovicz hieß sie in ihrer Mädchenzeit ist eines der Opfer. Drei andere find daran zugrunde gegangen: ihr Mann, ihr Kind und das schul­dige Werkzeug: die alte Beteny.

Bodony gehört zu meinem Bezirk. Zur Revision des Gemeinde­amtes und zu ähnlichem muß ich oft hinaus. Auch bin ich häufiger Jagdgaft bei Michalski, dem Gutsbefizer. So lenne ich dort flein und groß, und die Stascha habe ich auch gekannt. Wenn ich ihr be­gegnete, wie sie mit der Hacke über der Schulter bloßfüßig auf das Kartoffelfeld zog, kniff ich sie oft in die Backe und scherzte mit ihr. Hübsch war sie selbst nach städtischen Begriffen; für die verarbeiteten, schlechtgenährten Slowaken aber geradezu eine Schönheit. Runde, volle Wangen, große schwarze Augen mit langen Wimpern, breite Stupsnase und ein großer, üppiger Mund, der immer ein wenig Tachte. Den Zopf hatte sie natürlich auch in ein armlanges, buntes Tuch geflochten. Nur die Kleidung viel sauberer als üblich war die auch bei ihr nicht. Sie trug wie die anderen ihre ganze Garderobe ständig mit sich herum: einen Knierod über dem anderen, an Arbeitstagen den schmußigsten oben und den beften unten, an Feiertagen in umgekehrter Reihenfolge. Immerhin: sie war das appetitlichste Mädel, das oben herumlief.

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Ein junger Bauernsohn mit behäbig fettem Gesicht und blondem Schnurrbart, Michael Peteny war häufig um sie her. Tagsüber wohl nicht, weil die Stascha zur Herrschaft tagwerken ging und er seinen eignen Grund hatte, aber abends standen sie auf der kleinen Brücke vor dem Wirtshaus, wo fich das ganze Jungvolt zu ber sammeln pflegt, immer auffällig dicht beieinander. Schon weil ich die Matrikel führe, interessiere ich mich für alle Liebesgeschichten. Arbeit kommt für mich immer heraus: entweder eine Aenderung im Personalstand und hinterher eine Neueintragung in das Einwohner verzeichnis oder auch nur das letztere. So ist es mal auf dem Lande.

Michalski lachte mich aus, als ich von einer Heirat der beiden sprach. Wo denkst Du hin!" meinte er. Die Betenys haben ein leidliches Grundstück und die Stascha nichts als ihre sieben Röcke. Sowas ist nicht üblich. Und selbst, wenn der Junge wollte, würde die Mutter es ihm schon austreiben. Die ist ein Geizknochen und Der

forgt für die Sippe, als ob sie auf einem Thron fäße. Michel muß einen Hof heiraten, sonst geht es ihm und seiner Liebsten

Im Honoratiorenzimmer des Gasthofes zum König Arpad be­grüßten ihn die wenigen Anwesenden mit lautem Halloh. Es schlecht." waren mur vier im ganzen, die unter der altmodischen Hängelampe Ich fannte die Alte auch ein wenig. Beine hatte fie um den runden Mitteltisch gruppiert saßen, der Bürgermeister, der wie ein Chinese, ganz gelb und ohne Waden. Die Knöchel