-
115
bieten."
Wie Du
Na, lieber Himmel, dann behilft man sich mal. aber bist, Erna!" Frau Marie schüttelte lachend den Kopf:„ Man geht doch nicht um's Essen hin, man will doch mit den Menschen zusammen sein."
waren enorm groß und standen wie zwei Hentel nach rechts Berloren haft nicht viel!" erwiderte die Schwägerin spöttisch; und links. Sie hatte einen seltsamen Gang: fie hob die Füße Du bist doch d'ran gewöhnt, anständig Abendbrot zu essen und fast gar nicht, sondern schlurfte immer, so daß sie bei fotigem trintst gern' n paar Flaschen Vier dazu; das können einem die nicht Wetter stets einen fleinen Dreckwall vor sich herschob. Sonst unterschied sie sich von dem üblichen Altweibertypus nur noch durch den unmäßig hervortretenden Unterfiefer. Einmal hatte ich fie in Born gefehen, als sie mit einer Wagenschwinge auf ihren Mann losging und ihn ganz jämmerlich verprügelte, weil er ein halbes Brot weg geschenkt hatte. Sie litt an einem fanatischen Geiz, an der krankhaften Angst, daß alles, was sie zusammengescharrt, von Mann und Sohn wieder verschleudert würde. Der alte Bauer fuschte vor ihr wie ein junger Jagdhund, und es schien gänzlich ausgeschlossen, daß der Michael gegen diese Bestie aufkommen fönnte, er, der bei seiner Bärenstärke weichherzig war wie ein Kleines Mädchen. Sein Dachshund hatte sich in einer Marderfalle die Vorderpfoten zerschmettert, und da war er in der eisigsten Winterkälte drei Stunden weit mit dem Vieh zum Tierarzt gegangen, weil er sein Winseln nicht er tragen fonnte. Solch Charakter hat gewöhnlich nur Kraft zum Dulden und Sorgen, nicht aber zu einem häuslichen Kampf.
Wie er den Widerstand der Alten späterhin doch zum Schweigen, wenigstens zum vorläufigen Schweigen gebracht hat, ist mir auch nie recht flar geworden. Genug: eines Tages standen die jungen Menschen zur Ziviltraumg vor mir. Heitere Gesichter machten sie nicht, aber sie hielten sich so fest an den Händen, daß man Vertrauen zu ihrer Zukunft fassen konnte.
Monate bergingen danach, ehe ich wieder von ihnen hörte, dann erzählte mir Michalski, der an dem stattlichen Baar regen Anteil nahm, daß die Stafcha ein Kind trüge und fortwährend tränklich sei. Das ist gefährlich," sezte er hinzu. Eine franke Schwiegertochter und ein Entel ohne Muttergut wird für die Alte doch zu viel sein. Sie geht sowieso umher, als ob fie fieben Teufelssalben braute."
"
Was kann sie denn jetzt noch tun?" meinte ich spöttisch. Michalski sah mich für diese Frage bös an.
Was sie noch tun tann? Wenn Ihr Eure städtischen Ansichten doch nur nicht immer auf dies Volk anwenden wolltet! Ich jag' Dir, Du hochweiser Notar: wenn die Stascha stirbt, ehe das Kind da ist, dann lass' ich die Leiche obduzieren, weil Unrat dahinter steckt. Ich kenne das Aas!"
"
Gift?" fragte ich zweifelnd. Michalsti nickte sehr ernst.
Jeßt glaube ich es noch nicht, weil die Krankheit nicht danach ist, aber ich traue es ihr zu.
"
Ich hielt seine Befürchtungen für übertrieben. Erstens tötet man auch im Gebirge nicht so leicht einen Menschen, und dann ist Gift für ein Bauernweib ja auch schwer zu beschaffen. Für Strychnin und Phosphor war die Alte zu gewigt.
Nun, die Stascha ist nicht an Gift gestorben, daß fie aber lebt und wie sie heut' lebt: als Jrre, das hat die Alte dennoch fertig gebracht.
Vor sechs Wochen führte mich mein Weg wieder einmal nach Bodony. Das Gehöft des Dorfrichters liegt gleich am Anfang der Straße. Ich ließ dort halten und ging hinein. Aber seltsam! Es war fein Mensch zu sehen. Nirgends. Weder auf dem Hof, noch im Haus. Selbst der Hund, der mich sonst immer wie besessen antläffte, war nicht da. Jch ließ ausspannen und ging zu Fuß weiter. Ueberall dasselbe Bild. Ich traf fein lebendes Wesen auf der festgefrorenen Gaffe. Dabei war es gegen die Mittagszeit, während der nicht einmal zur Ernte, geschweige im Spätherbst auf den Feldern gearbeitet wird. Und alle Häuser standen öde. Nur das Vieh hörte ich hier und da in einer Stallung mit den Ketten rasseln. Ein leises Fröfteln überlief mich, das nicht allein von der Kälte tam. Ich war beunruhigt, ohne zu wissen warum. Einige Minuten war ich gegangen, als ich dumpfe Geräusche, Geraun und Gemurmel vernahm, wie von einer großen Menge, die ich noch nicht sehen konnte. Ich beschleunigte meinen Schritt, und wie ich beim Wirtshaus um die schroffe Ecke bog, wo die Straße fich in das Liefere sentt, sah ich das Petenysche Gehöft, umgeben von dem schweigenden Gewühl von Hunderten von Menschen. Auf der Straße drängten sie sich, und der Hof war voll von ihnen. Unter den schwarzen Rundhüten und unter den bunten Kopftüchern sahen die verwitterten Gesichter in seltsamer Verstörtheit hervor, und alle Augen waren in unheimlicher Neugierde auf das Haus gerichtet, als ob dort graufiges vor sich ginge.
Die vorderste Reihe der Leute wich bei meinem Nahen auseinander und ließ mich ein, sich hinter mir wieder zu dichtem Knäuel zusammenschließend. Ich wollte fragen, was es gäbe. Die Nerven zitterten mir aber, ehe ich noch das geringste gehört. Vom Hofe aus war ich auch schon bemerkt worden. Ein großes, starffnochiges Weib brach fich Bahn zu mir und fiel vor mir zu Boden, unaufhörlich die breiten Hände vor das podennarbige Gesicht schlagend und mich heiser vor Angst und Hülfe anflehend.
( Schluß folgt.)
Kleines feuilleton.
d. Gaftlichkeit.„ Na, und wie habt Ihr denn Schusters gefunden? fragte Frau Marie.„ Geht es Luise wieder besser? Ich wäre ja sehr gern mitgekommen, aber ich war zu erfältet!"
"
"
„ Es stört aber die Gemütlichkeit." Erna zuckte die Achseln. Ueberhaupt wenn die Leute sich einrichten müssen und nicht ordents lich auftragen können, sollen sie sich lieber keine Gäste einladen. ,, Aber, Erna, diesen Besuch Du kannst doch diesen Besuch nicht gerade als Gäste einladen" rechnen! Du hast Deinen Bräutigam bei ihnen eingeführt und Ihr seid zum Abend dageblieben, das ist doch rein verwandtschaftlich. Nu und wenn auch!" Erna lehnte sich hintenüber und vers schränkte die Hände unterm Kopf. Mir ist sowas ungemütlich! Wenn ich schon sehe, sie belegen' n Aufschnittteller bloß mit Thüringer und Leberwurst, habe ich genug. Nu, ich bin ja auch raus gegangen und hab Luise zwei Mart gegeben, damit sie was Anständiges auf tragen tann. Das heißt, genommen hat sie sie nicht, ich glaube sogar, das Schaf wurde noch verstimmt."
Na hör mal, und das wundert Dich?" Frau Marie stützte den Arm in die Hüfte. Muß die fleine Frau das gekränkt haben! Sie will geben, so gut fie es fann, und Du zeigst ihr, es ist mir nicht gut genug bei Euch armseligen Leuten."
Quatsch 1" fagte Erna, so muß man's doch nicht auffassen, ich weiß doch, wie plundrig es ihnen geht, ich hab' ihr doch' ne Wohltat erweisen wollen."
Hm!" fagte Frau Marie, ich hätte ihr freilich gesagt: Leg' mal heut gar nichts drauf, Hans und ich haben gerade Appetit auf ' ne reguläre Schmalzstulle oder' n barstes Butterbrot." „ Ach und dafür soll man erst bis raus nach Friedrichsberg fahren?" Erna lachte hell auf.„ Nee, das fannst Du nicht verlangen; dann zahle ich doch lieber was zu, und sie kann sich auch gleich mal ordentlich mit satt effen. Das hätte ihr obenein nichts geschadet nach ihrer Lungenentzündung. Ich hab's ihr auch ge fagt."
Frau Marie antwortete nicht.
Erna nedte sich mit der Katze, die auf den Divan gesprungen war. Nach einer Weile fing fie wieder an: Luise hat ja überhaupt keine Manieren, sie ist ja auch aus so einfacher Familie. Nein, wenn man Besuch bekommt, entweder ordentlich oder gar nicht. Sichste, da ist meine Cousine Franziska ganz anders. Du sollst mal sehen, wenn wir nächste Woche bei der sind gibt es Fricaffé und Braten und Wein oder mindestens echtes Bier dazu."
"
Nun ja wenn sie es fam
" Ach fann! Sie fanns gar nicht 1" Erna lachte verächtlich. " Das weiß doch jeder, daß fo'n fleiner Beamter das nicht fann; aber sie machts eben, wenn sie Besuch hat; sie weiß was sich gehört. Was sie nicht bezahlen kann, das bleibt sie schuldig."
„ Na, hör mal, und da fühlst Du Dich gemütlich?" fragte Frau Marie etwas spöttisch.
"
„ Na, das brauch' ich doch nicht zu wissen, das weiß man doch nur so nebenbei," sagte Erna.
"
Und Du findest es richtig?"
" Richtig? Na, Menschenstind, nein, natürlich nicht. Ich werde es ja jedenfalls nicht machen, wenn ich erst mit Hans verheiratet bin. Denkste etwa, ich werde mal die Gäfte so aufnehmen? Fällt mir nicht ein! Ich hab' die Arbeit und die essen sich satt für mein Geld! Ich halt mir' n Cafestorb voll Dreierstückchen und zieh mic selber Litör ab. Wer kommt, friegt' n Glas Liför und' n Cakes, fertig ist die Laube und es sieht nobel aus. Ich nehme bloß Stippvisiten an."
Und willst ganz eingezogen leben? Das ist doch nichts für Hans und Dich auf die Dauer."
Soll' s ja auch gar nicht." Erna segte sich aufrecht. Na, weißt Du, wir werden schon in Gesellschaft gehen. Da mach ich's einfach wie meine Freundin Toni. Die fann doch selber nicht Bes fuche empfangen, weil ihr Vater immer krant ist, da bringt sie jedesmal, wenn sie wohin kommt,' n hübsches Bufett mit für' ne Mark fufzig. Das werde ich auch tun und einfach sagen, meine Wohnung ist für Gesellschaften zu klein. Mit' nem Strauß für fünfzehn Groschen kann man überall hingehen, für mehr als für fünfzehn Groschen ist man doch kaum. Aber' ne Gesellschaft fost mir mehr, siehste, oder denkst Du, ich hab' die auch für eine Mart fufzig?"
a. Das Bentelrecht der Handwerksknechte. Das Solidaritätsgefühl der Arbeiter, das heute in ho hohem Maße den Grimm und den Haß unserer großen und kleinen Fabritpaschas weckt, war im Mittelalter womöglich noch stärker entwickelt als heutzutage. Wehe dem Gesellen, der damals den Interessen der Allgemeinheit, ihren Sagungen und Vorschriften hätte zuwider handeln wollen. Ihn hätte schwere Gesellenstrafe erwartet, und jeder ehrliche Handwerksknecht hätte einen solchen Abtrinnigen den Gruß und Handschlag versagt, solange er sich nicht gefügt und sein Vergehen gebüßt hatte. Fügte er sich aber schließlich nicht, so wurde er für„ unehrlich" seitens feines Handwerks erklärt. Und diese Unehrlicherflärung" wirfte auf den Gesellen mit elementarer Gewalt und Kraft, viel mehr als im 16./17. Jahrhundert jemals der kirchliche Bann zu wirken in der Lage gewesen wäre. Von seinen Mitgesellen verfehmt, von den Meistern bis zur Erledigung und Aufhebung des Verrufes, der durch