Nnterhaltimgsblatt des Horwärls Nr. 34. Donnerstag, den 16. Februar. 1905 (Nachdruck verboten.) � Der Kaumeilter. Noman von Felix Holländer . Unterwegs sagte Steinert: „Auf diese Weise sind es nur achttausendfünfhundert Mark. aber achttausendfünfhundert Mark sind besser als gar nichts. Und wenn Frenze! zu der Erbschaftssache Fiduz hat, gewährt er uns jeden Kredit." „Freitag darf keinen Groschen verlieren," erwiderte Keßler, ohne auf Steinerts Worte einzugehen. „Selbswerständlich nicht!" „Ich verstehe nicht, was Freitag bei Frenze! soll." „Sie sind in manchen Dingen unschuldig wie em Kind. Diese Erbschaft ist der Köder, mit deni wir Frenze! fangen. Der Mann hat eine feine Nase... Lockt ihn das Geschäft, so wird er sich uns erkenntlich erweisen. Und auf der anderen Seite erweisen wir noch Freitag einen Liebesdienst, denn uns beiden steht doch, weiß Gott , nicht der Kopf danach, die Sache energisch in die Hand zu nehmen." Keßler nickte zerstreut. Dgs Gespräch zwischen Frenze! und Freitag hatte einen ganz geschäftsmäßigen Verlauf. Herr Frenze! ließ sich die Angelegenheit genau erklären, unterbrach die oft wirren Aussagen Freitags durch Zwischen- fragen und machte sich eifrig Notizen. Hierauf erkundigte er sich über die Rolle, die Steinert in der Angelegenheit bisher gespielt hatte, und lächelte zuweilen still in sich hinein. Tann fragte er Freitag, ob er die Vollmacht, die er Keßler gegeben, eventuell auf ihn übertragen würde. Freitag gab hülflose und ausweichende Antworten. Frenze! drängte ihn nicht. Man würde sich schon über alle weiteren Punkte einigen, sagte er; zunächst niüßte er auch selber seine Recherchen an- stellen. Vom Bureau Frenzels fuhr Freitag sofort zum Bauplatz. Keßler hatte ihm gesagt, er würde ihn dort treffen. „Baumeister, der Mann gefällt mir nicht," brachte er er- regt hervor,„der Mann ist schlauer als wir beide zusammen- genommen." „Wenn Sie kein Vertrauen haben, so bleibt alles beim alten und die Vollmacht wird nicht übertragen... Es ist vielleicht auch besser so! Ich benütze dann Frenzels Dienste, soweit es mir paßt!" „Das wäre mir schon das Liebste!" Er drückte Keßler dankbar die Hand und legte dann seinen Arm vertraulich in den des Baumeisters� „Kommen Sie, Baumeister, wir trinken noch gemütlich eine Flasche Wein!" „Gern!"... Eine Viertelstunde später saßen sie in der Weinstube. Der Rittmeister bestellte Mumm extra Dry. Sie tranken eine Weile ganz still, und jeder hing seinen Gedanken nach. „Vielleicht." unterbrach der Rittmeister das Schweigen und schnalzte hörbar mit der Zunge,„vielleicht jage ich nur einem Phantom nach... Sie haben doch auch schon gehört, daß man gewissermaßen unter einer Zwangsvorstellung stehen kann..." „Das verstehe ich nicht ganz, Herr Freitag!" „Na, ich meine, man kann um einer Rechtsidee willen zum Fanatiker werden— par exomple Michael Kohlhaas? — Sie kennen doch Michael Kohlhaas?— Kerl wird Querulant, weil man ihn schweineinäßig behandelt hat." „Nun ja," sagte Keßler,„das Rcchtsgcfühl in dem Manne war stärker als alles andere ausgeprägt." „Sehen Sie," nahm Freitag das Wort wieder auf,„daS kann nur einer begreifen, der ebenso veranlagt ist... Man fühlt sich halt zerbrochen, solange man sein Recht nicht wieder hergestellt hat...'s ist ein verflixtes Ding, Baumeister... 's ist, um die Wände einzurennen!_ Kann ja sein, daß man nur einem Phantom nachjagt... daß man unter einem kranken Willen steht, der einen elend macht.. Denn sehen Sic — an und für sich könnt' ich mich ja beruhigen, könnt' ich mir ja sagen— so viel hast du, um bis an dein Lebensende einiger- maßen durchzukommen... scher dich den Teufel um das Ge- indel und mach dich nicht verdreht... Ich glaube manchmal selber, daß ich bei der Geschichte noch verrückt werde, Bau- meister... ich leide nämlich seit einiger Zeit an einem scheuß- lichen Kopfschmerz... Finden Sie nicht auch, daß ich auf- fallend altere?..." Keßlers hatte sich bei diesem Erguß eine peinvolle Stimmung bemächtigt. Am Ende ist er wirklich gemütskrank, dachte er. Bei der zuletzt an ihn gerichteten Frage schrak er zu- sammen. „Im Gegenteil— ich finde, Sie sehen besser denn je aus," sagte er beruhigend. „Hm— meinen Sie?... Nun, das freut mich— freut mich aufrichtig!... Die Blase spekuliert ja nur darauf, daß ich ins Gras beiße... Den Gefallen möchte ich ihr nicht tun." „Wissen Sie, was ich an Ihrer Stelle täte, Herr Freitag?" „Nun?" „Ich würde in gesunden Tagen Testament machen." „Testament?..." „Nun ja— damit Ihre Erben Ihre Rechtsansprüche weiter verfolgen können." „Wie meinen Sie das?" fragte der Rittmeister und kniff die Augen zusammen. „Es kann doch jedem etwas Menschliches passieren. Nehmen wir einmal an, Sie stürben, bevor dieser Rechtsstreit zu Ende geführt wäre!" Freitag lachte grell auf. „Das könnte denen so passen!— Udingens wozu soll ich Testament machen?" „Besitzen Sie denn keine Anverwandten?" „Ich habe keine Seele auf Erden!" „Na, es wäre ja dann noch immerhin möglich, daß Sie irgend eine öffentliche Anstalt zu Ihrer Universalerbin ein- setzen— auch wenn Sie keinen anderen Zweck damit verfolgten, als den, daß Ihre Rechtsansprüche durchgesetzt werden." Freitags wasserhelle Augen wurden unruhig. „Daran habe ich noch gar nicht gedacht!" sagte er, während er mit beiden Händen an seinem Schnurrbart zog. „Sie können es sich ja in jedem Fall durch den Kopf gehen lassen." „Da ist nichts zu überlegen... Sie haben vollkommen recht!" Er blickte tief in sein Glas hinein und murmelte beständig vor sich hin. „Testament... Testament... Testament!" Tann nahm er plötzlich sein Notizbuch hervor. „Hören Sie— ich glaube, es ist besser, wenn ich mir die Sache aufschreibe... Sie meinen also im Ernst, ich soll ein Testament machen?" „Ich rate allerdings dazu. Im übrigen haben Sic ja Zeit... Sie brauchen nichts zu übereilen... Sprechen Sie erst mit anderen darüber." Die Unterhaltung begann dem Baumeister lästig zu werden. Er war jetzt davon überzeugt, daß der Rittmeister nicht ganz richtig sei. Unruhig rückte er auf seinem Stuhl hin und her. Dann zog er die Uhr hervor und sagte hastig: „Herrgott, ist das spät geworden! Sie müssen mich ent- schuldigen, Herr Freitag, aber ich habe noch eine wichtige Kon- 4erenz vor mir... Kellner, zahlen!" „Meine Sache, Herr Baumeister! Meine Sache! Das wäre ja noch schöner!" „Gut-- das nächste Mal sind Sie mein Gast. Leben Sie wohl, Herr Freitag!" Er entfernte sich rasch. Der Rittmeister blickte ihm durch das Fenster nach und verfolgte mit sonderbar zärtlichen Blicken die Gestalt des Da- voneilenden. „Kellner — noch eine Flasche von derselben Marke!" brachte er mit schwerer Zunge hervor. Der Abend brach herein.— Der Rittmeister trank rn« verglasten Augen, wirre Worte vor sich hinmurmelnd...
Ausgabe
22 (16.2.1905) 34
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten