bäume, die jetzt kahl sind, und Mandeln, die schon im Januar blühten, bemerkt man öfters. In der Nähe der Stadt liegen an diesen unteren Berghängen elegante Villen mit herrlichen Gärten boller Palmen, Eukalypten, Cedern, Duccas, mit Früchten belad-nen Orangen- und Zitronen- bäumchen. Aber selbst nahe bei der Stadt wie in ihrer weiteren Umgebung sind die oberen Teile der Berge unkultiviert. Hier und da nur steht ein Wäldchen von Pinien, die mit ihren hohen schlanken Stämmen und ihren flachen breiten Schirmkronen so traumverloren in die südliche Landschaft blicken. In Schluchten, an Stellen, wo die Ziegen nicht hinkommen, hat sich stellenweise ein niederer Buschwald gerettet, schöne immergrüne Eichen, wildwachsende Johannisbrot- bäume und mancher Strauch mit glänzenden gleichsam lackierten Lederblättern. Aber im übrigen tragen die Berge nur öde dürre Binsensträucher und gelbblühenden dornigen Ginster. Und diese Sträucher stehen mit einigen weniger hervortretenden anderen in größeren Zwischenräumen von einander. Selbst die niederen Kräuter bilden keineswegs eine geschlossene Decke. Ueberall treten Felsblöcke, Steine, der braune Gebirgsboden, hervor. Wenn man hier weilt, glaubt man sich in öde Hcideflöchen Norddeutschlands versetzt oder in die subalpine Region mit ihren fußhohen Krummholzkiefern. Aber man braucht nur den Blick zu erheben, um entzückt zu sein von den wechselvollen Bildern der Bergbildung, um herabzuschauen auf die dunkelgrünen Johannisbrotgärten, die maifrische Saat in der Ebene und den tiefblauen träumenden Spiegel des Mittelmceres.— Kleines feuilleton. In. Die Hütte. In einer der langgestreckten Straßen, die in schnurgerader Linie von der Stattgrenze nach dem Innern führen, steht das kleine Haus.„Die Hütte", sagen die Umwohner und lächeln mitleidig dabei, wie wenn ein anmaßlicher Knirps sich in die Gesellschaft von Riesen drängt. Aber die„Hütte" hat sich nicht ein- gedrängt in die lange Reihe der Häuserriesen. Sie war viel früher da,— noch ehe die Bausteine gebrannt waren, die man nun in Massen neben ihr aufgetürmt. Das Aeußere schon verrät es: ein einziges Stockwerk mit einer Vierfensterfront, darüber der Ausbau eines Mansardenzimmers, alles von Efeu bewachsen bis hinauf zum steil abfallenden Dach mit seinen bemoosten Ziegeln und hölzernen Dachluken. Eine schmale, niedrige Tür, enge Fenster mit kleinen Scheiben und ein verwitterter Spruch im BaUen über'm Eingang. Ein einfaches Elsengitter trennt das Grundstück von der Straße. Zwischen ihm und dem Hause liegt der kleine Vorgarten: ein Rondel, eingerahmt von vier halbmondförmigen Beeten. Als Zentrum ein künstlich geschichteter Haufe von Feldsteinen, darauf ein gegossener Zwerg mit einem verrosteten Auge. Alles das wie hineingepreßt zwischen die kahlen, hohen Wände der Nebenhäuser. Sieht man an ihnen hinauf, erwacht's wie Furcht: wenn sie stürzen... Die in der Hütte wohnen, fürchten sich nicht mehr. Als es auf- wuchs da nebenan, höher, immer höher, und noch eine Zeit nachher: ja. da blickten sie oft voll Bangen hinauf zu den Nachbargiebeln und nannten es den Himmel versuchen. Aber der Himmel rührte sich nicht; die Wände auch nicht. Nur der Sonne verwehrten die Mauern den Eintritt zur Hütte. Und sie wurden mürrisch im kleinen Hause und verbittert; bloß der Sohn nicht, denn er kannte es nicht anders. Er wurde im Schatten groß; die Eltern alt, grau und vertrocknet. Schloffen sich ab von der Welt und taten keinen Schritt auf die Straße, den sie nicht tun mußten. Als er flügge geworden, quartierte der Junge sich aus.—„'s ist zum Sterben bei Euch," hatte er gesagt— und kam nur hin und wieder, auf ein Stündchen mstzuschweigen in der Gesellschaft der Eltern. Ward ihm das zu dumm, fing er an, den Alten vom Verkauf des Häuschens zu sprechen. Dann öffneten Beide zu gleicher Zeit den Mund, und der Streit war fertig. Verkaufen l Die Türen hatte man ihnen eingerannt! Fabel- hafte Summen geboten für den Platz. Der Alte hörte alle ruhig an, ließ sie bis zu Ende sprechen, schüttelte den Kopf und sagte: „Nein. Ich verkaufe nicht." Sie redeten sich in Schweiß, boten höher und höher, legten Bank- notcn auf den Tisch— „Nein l" Ganz kalt und ruhig. Bis der Kauflustige aussprang, seine Banknoten in die Tasche stopfte und davon stürzte, einen Segenswunsch zurücklassend, aus dem allemal das Wort„verrückt" herausklang. Die Umwohner nannten's nicht anders. Manch einer, der keinen Silberling sein eigen nannte, träumte davon, was er herausschlagen würde. Und die eine Herde Goldfüchse im Stall hatten, donnerten über die Sünde,„so ein schönes Geschäft auf der Straße liegen zu lassen". Schönheitskundige waren auch dabei. Die hießen es„einen Skandal für den ganzen Bezirk", daß die„elende Baracke" nicht weiche» wollte. Ein Maurermeister, der vergeblich um den Platz ge- worden, ging sogar unter die Schriftsteller und nannte es im Bezirks- «mzeiger„den Schandfleck der ganzen Stadt". Nun blies der Sohn, wenn auch bescheidener, in ein ähnliches Horn:„Schlagt den alten Kasten los und kauft Euch eine nette Villa im Borort". Wie auf Kommando schüttelten die beiden Alten dann die Köpfe.' „Wir gehen da nicht'raus." Und der Vater setzte hinzu:„Red' nicht so dumml� „Ich versteh's nicht I" „Glaub's. Du hast das Haus ja nicht erarbeitet." „Nein." Tie Mutter bestätigte es.„Du hast es nicht erarbeitet.' Und sie nickte bedeutsam dazu. Der Vater besah sich die Hände:„Die hier." „Und die hier." Mutter wies die ihren. „Ja, aber—." Der Sohn sah verständnislos bor sich hin. „Hör zul" Ter Vater gab sich einen Ruck.„Es war eine Zeitz , da war nur Feld und Sand hier herum. Ein paar Büsche und magere Bäume. Nur ein Haus stand: dies. Ein Gärtner wohnte da. Hatte einen blühenden Garten gezaubert aus dem Sand. Das» war wie eine grüne Tafel in der Wüste. Als wir Brautleute waren, Deine Mutter und ich, spazierten wir oft des Sonntags hiev heraus. Standen am Zaun und sahen in das blühende Paradies. Gingen ringsherum, betrachteten das Häuschen voll allen Seiten und meinten, da müsse es sich herrlich wohnen. Spannen's aus in Gedanken und kamen immer häufiger. Wollen'» uns kaufen, sagte ich dann einmal im Scherz. Wir lachten dazu. Aber wurden den Gedanken nicht los und kamen immer wieder darauf zurück. Im Ernst schließlich. Rechneten und rechneten. Und eines Tages schwuren wir uns zu, nicht eher zu rasten, bis es unser sei. Ge- faulenzt haben wir nie. Dann ging ein Schuften an, ein Sparen und Darben— wie Du es nie kennen, wirst. Alles um den„Kasten" da. Wieviel Jahre, ich weiß es nicht. Es kam kein anderer Gedanks daneben auf. Kurz und gut: wir racksten und hungerten beide ein paar Tausend zusammen. Der Gärtner schlug tos. Wir kriegten daS Haus— mit Schulden voll bis zum Dach. Wir freuten uns, aber es ging im alten Trabe weiter, die Lasten abzuwälzen von unserem Eigentum. Geschuftet und gedarbt— wie vorher." „Schlimmer als vorher," sagte die Mutter. „Ruhig. Als wir das Aergste hinter uns hatten, ging plötzlich das Bauen an diesem Ende los, und sie kamen uns näher Jahr um Jahr, rückten uns schließlich dicht auf den Leib. Gebt her, wir brauchen den Platz! schrien sie. NeinI Einen Augenblick waren wir schwach und haben's uns überlegt. Dann sahen wir uns an: Haben wir darum gehungert? NeinI Und's stand fest bei uns: wir geben's nicht aus den Händen,— es hängt unser Leben dran!" „Es hängt unser Leben dran!", Die beiden Alten atmeten tief. Und die Mutter sagte:„Er begreift es nicht." „Rein!" Der Sohn sah vor sich nieder.„Es ist'ne fixe Idee. Wo Ihr jetzt das Vierfache herausschlagen könnt, wenn nicht mehr." Ter Alte legte ihm schwer die Hand auf die Schulter:„Die fixer Idee schenke ich Dir. Aber daß Du's weiß«: Du wirst's abwarten müssen, bis sie uns hier hinausgetragen haben. Merk Dir'S— und schweig in Zukunft!" „Ich geh' schon. Mit Euch ist nicht vernünftig zu reden!" Er schlug die Tür hinter sich zu. Die beiden Alten sprachen nicht. Sie saßen am Fenster und. blickten hinaus— ihm nach, auf die Straße, wo das Leben den Großstadt vorüberflutete. Und es war ihnen, als säßen sie auf einer einsamen Insel in. der Wüste,— abseits vom Leben.— a. Der Zunftlehrling.„Aller Anfang ist schwer". Die Wahr- heit dieses Spruches empfand wohl niema/id stärker als der mittel- alterliche Zunftlehrling. Schon die umständlichen Zeremonien und Weitläufigkeiten, ehe der Lehrling überhaupt nur das sogenannte „Glück" hatte, in das„ehrsame" Handwerk aufgenommen zu werden l Was hatten da die Meister nicht alles zu nörgeln und zu mäkeln! Zunächst wurde geprüft, ob der Aufzunehmende von deutschen Eltern in rechtmäßiger Ehe geboren worden. Fand sich bei der sogenannten „Ahnenprobe ", daß ein slavisches oder kassubisches Glied sich in der Familie des zukünftigen Handlverkskehrlings befunden, wurde er vom Handwerke zurückgewiesen. Ebenfalls ausgeschlossen von der Auf. nähme waren die Söhne sogenannter„unehrlicher" Handwerker» Als„unehrlich" galten z. B. bei den Schustern und Schneidern die Bader , Totengräber, Trompeter, Hirten, Schäfer, Zöllner, Stadt- knechte, Turmwächter, Gerichtsfrone, Nachtwächter, Müller, vor allen natürlich der Schinder und der Henker. Hatte der Lehrling die Ahnenprobe bestanden, mußte er erst noch eine Probezeit von 14 Tagen bis 4 Wochen durchmachen, ehe er unter großen Feierlichkeiten vor offener Lade in das Handwerk auf- genommen wurde. Die jungen Leute traten ziemlich früh ein. Vom zehnten Jahre an wurden Lehrlinge angenommen. Von großem Schulbesuch der Handwerkslehrlinge konnte da wohl kein« Rede sein. Immerhin wissen wir, daß wenigstens ndtdürftig schreiben und lesen vom Lehrling verlangt und wohl auch meistens geleistet wurde. Johann von Lehden lernte vor seinem Eintritt in das Handwerk lesen, schreiben und etwas Latein. Hans Sachs besuchte von seinem 7. bis zum Ib. Jahre die Lateinschule. Die Lehrzeit, die der Lehrlinz vollständig im Hause und unter strenger Zucht seines neuen Meisters verbringen mußte, dauerte gewöhnlich 4— 6 Jahre, doch kommen auch längere Fristen, bis zu 8 Jahren Lehrzeit, vor. Lehrling in einem Handwerk zu werden, war in damaliger Zeit durchaus kein billiges Spatz, und nur Söhne verhältnismäßig wohlhabender Eltern konnten ihre Söhne ein Handwerk lernen lassen. In Baden zahlte im 16. bis 17. Jahrhundert ein Schusterlehrling seinem Meiste» 36 Gulden Lehrgeld, außerdem mußte er der Frau Meisterin ein Präsent von 3 Gulden Wert machen. Reichliche Wäsche und Kleidey.
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22 (19.2.1905) 36
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