fechiungen durch Schmeißfliegen zu erleiden gehabt hatte, war auf der Jagd durch ein von ihm getötetes Wild so schwer verwundet worden, daß er bei der Rückkehr nicht mehr folgen konnte, sondern durch Blutverlust geschwächt am Wege liegen blieb. Obwohl ich nun gleich Leute nach ihm ausschickte, die ihn auch bald fanden, so hatte er doch schon, etwa eine Stunde nach der Verwundung, nicht die Wunden an Gesicht und Hals, wohl aber andere Körperteile mit Fliegeneiern besetzt. Beuteltiere, die fich während der Nacht in eisernen Fallen oft nur mit einer Pfote oder dem Schwanz gefangen hatten, deren Pelz strotzte am nächsten Morgen von Fliegeneiern, während sie selbst scheinbar ganz munter waren und fich nicht abgequält hatten. Die Fliegen müssen mit ihren feinen Sinnesorganen entweder eine Veränderung des Geruches oder der Körperwänne an den gefangenen Tieren wahrnehmen." Solche Leistungen kann jedes Nasentier vollbringen. Zum Be- weise möchte ich noch folgendes anführen. Hunde u. dcrgl. finden nicht nur eine Fährte, sondern sie wissen mit unfehlbarer Sicherheit, wohin das Tier gelaufen ist. Wir stehen vor einem Rätsel, da die Erklärung nur in der frischeren oder älteren Ausdünstung liegt. Ein gesunder Hirsch wird von keinem Bär u. dergl., eine gesunde Antilope von keiner Hyäne u. dergl. belästigt. Warum? Weil die Raubttere wissen, daß diese Pflanzenfresser ihnen zu flink sind. Kaum ist jedoch der Hirsch oder die Anttlope krank geworden oder angeschossen, so folgen die Raubttere ihrer Fährte sofort. Es muß also nicht nur für das Auge ein hippokrattsches Gesicht, es muß auch für die Nase einen hippokratischen Geruch geben. Hunde und Pferde beschnobbern deshalb ihren toten Hern?, auf daS Sehen verlassen sie sich absolut nicht, wie auch die Totengräber durch den Geruch deS soeben gestorbenen Tieres angelockt werden. ES ist nun einleuchtend, daß innere Krankheiten schon einen ZersetzungSprozcß hervorgerufen haben können, den nicht einmal unsere Aerzte wahrzunehmen imstande sind, während die Nasenttere ihn schon wittern. Bei sehr nahen Bekannten ist kürzlich folgender Fall vor- gekommen, der mich in meiner Ansicht nur bestärken konnte. Der Mann war unheilbar krank, doch hoffte man immer noch, daß er einige Monate leben ivürde. Eines Tages erschien der besorgten Gattin der Zustand besonders schlimm. Namentlich war ihr auf- gefallen, daß der Hund, der seinen Herrn berochen hatte, sich winselnd unter das Bett verkroch und nicht mehr zum Vorschein kommen wollte. Sie ließ deshalb sofort den Arzt rufen. Dieser erklärte nach eingehender Prüfung jedoch, daß vorläufig keine Gefahr vorliege. Am Nachmittag starb der Kranke. Der Hund hatte recht behalte». Wie alle Tiere, so haben auch die Hunde ein feines Vorgefühl für das Wetter. Die Vogelflugdeuter des Altertums ivaren keine Schwindler, sondern, wie ich an anderer Stelle ausführlich dargetan habe, sie kannten die allen Landleuten und Schiffern vertraute Eigenschaft der Vögel, daS künftige Wetter anzugeben. Daraus folgerte man, daß sie auch künftige Ereignisse prophezeien kvnnten. Mt den Hunden teilen auch andere Tiere, wie ich an anderer Stelle ausführlich dargelegt habe, die Gabe— ob durch die Feinheit ihres Gefühls oder ihres Gehörs, laffe ich dahingestellt— bevorstehende Erdbeben anzugeben. Schön im Altertum wurden solche Fälle beobachtet. Bei dem letzten Ausbruch des Monr Pelö machte man die- selbe Erfahrung. Der Gouverneur erließ vorher eine Proklamation, daß keine Gefahr mehr vorhanden sei, da eine gelehrte Kommission positive Kenntnis über die Sachlage habe. Am nächsten Morgen war jedes Mitglied dieser Kommiision umgekommen. Hingegen Ivaren alle wilden Tiere aus der Umgebung des Pelö längst ver- schwanden, und die HauStiere gaben Zeichen großer Angst. In der Stadt Lima in Peru , wo die Leute auf oiesem Gebiete etwas ver- stehen, heißen die Hunde aus diesem Grunde geradezu Seher. Da jeder Jäger bestättgen wird, daß Hunde krankes Wild vom gesunden sofort durch ihre Nase unterscheiden, so kann ich also die Möglichkeit nicht bestreiten, daß eine innere gefährliche Krankheit, die wir Menschen noch nicht erkennen können, von dem Hunde bereits empfunden wird. Aus diesem Grunde kann ich das Heulen deS HundeS vor dem Tode seines Herrn nicht bloß mit den von E. Floessel vorhin angegebenen Gründen rechtfertigen, demgemäß in dem Volksglauben nicht lediglich einen Aberglauben erblicken.— _ Th. Zell. RUinee fcuUleton. se. Ein Debüt. Er war immer für das gute Essen gewesen und da er der einzige zu Hause war, gabs für ihn stets auch die besten Bissen. In der Schule nannten sie ihn„die Kuller", was eine sinnige Umschreibung für etwas durchaus Rundes war. Und treffender hätten sie ihn auch nicht bezeichnen können. Selbst als er in dem Alter war, wo man schnell wächst, konnte man nichts, was einer Kante oder Ecke ähnlich gesehen hätte, an ihm wahrnehmen.„Kullcrl" Das stimmte schon. Er war sich auch schon lange über seine Zukunft klar, es war ja auch so selbstverständlich. Wenn der Lehrer ihn fragte:„Was willst Du werden?" antwortete er:„Koch!" Und die Mutter erzählte mit stolzem Lächeln:„Er kennt sich jetzt schon aus, ich kann ihm nechts vormachen. Wenn ich mal Margarine nehme— ein Pritzchen nur— er schmeckt? raus." Als er eingesegnet war, kam er zu Herrn Flammer in die Lehre. Die Eltern hatten schnell ihre Wahl getroffen: es gab zwar noch vier Stadtköcke aber Herr Flammcr war unstreirig der erste. Es wurde rasch Kontrakt gemacht, damit Herr Flammer, bei dem gerade—.ein besonderer Glücksfall— eine Lchrlingsstelle offen war, nicht etwa einen anderen engagiere. Drei Jahre, freie Station; drei Kochanzüge nebst sechs weißen Schürzen pro Jahr erhielt„die Kuller", der Vater mußte aber zweihundert Mark Lehrgeld bezahlen für jedes Jahr. Ten Kopf umnebelt von Illusionen, trat Karl,„die Kuller", seinen Dienst an. Er schmatzte, wenn er an die Delikatessen dachte. die seiner bei Herrn Flammcr warteten, nun, dabei müßte die Arbeit das größte Vergnügen sein. In aller Form wurde der„Neue" dem Küchenchef, dem ersten, dem zweiten Koch, dem Küchenmädchcn, der Kupfcrscheuerfrau, der Abwaschfrau vorgestellt. Dann war noch ein Laufjunge da, zwei Kochlehrlinge, ein Kutscher— die lernte er so, gründlich und schnell kennen. Mit den beiden Kochlehrlingen schlief er in einem Gelaß, das durch drei Betten eingenommen wurde und durch ein infolge eines langen Einbaus tvcit zurückliegendes Fenster ein kaum nennenswertes Licht erhielt. Wenn„die Kuller" mit dieser Schlafgelegenheit ihre hübsche helle Stube daheim verglich, so gab es kein Schwanken im Urteil. Aver mein Gott, an etwas mangelte es überall und wo so viel Gutes winkte, mußte man eben das minder Gute mit in Kauf nehmen. Karl wurde eingekleidet und nun mußte er'ran, wie sich der Küchenchef mit militärischer Prägnanz ausdrückte. Und wie mußte er'ran! Nach einer Stunde schwitzte er und hatte keine Zeit, sich die Tropfen, die überall hervorquollen, als ob man auf einen vollen Schivamm drückte, abzutrocknen.„Karl, das Salzt"—„Karl, eine Kafferolei"—„Karl, Spinat verlesen I"—„Karl, eine Weißweinflasche l"—„Karl! KarlI KarlI" Es vergingen nicht drei Minuten, ohne daß er gerufen wurde. Und er lief, daß seine Beine flogen. Und das nutzte ihm doch nichts, oft kam er zu spät— nach Ansicht des Küchenchefs, oder des ersten, oder des zweiten Kochs, und dann setzte es Püffe und Knüffe. Einmal fiel ihm sogar seine schöne weiße Mütze vom Kopf, als er sie hastig aufhob, war sie nicht mehr weiß. Und dabei war eine Tropentempcratur, denn Herr Flammer hatte an diesen? Tage vier Tiners zu liefern. Und diese Düfte! Karl nahm beide Nasenlöcher bis zum Platzen voll. Und es war gut, daß er das tat, denn ein Mittagessen, wie er sich's geträumt hatte, gab'S nicht, wenigstens nicht für ihn. Was die sieben Kochstudcntinnen zusammen- buken,-kochten,-brieten, und was so wundervoll roch, verspeisten wohlgemut die Tischherren des Herrn Flammcr bis auf unwesentliche Reste. Karl bekam Kartoffeln, reichlich Kartoffeln, ein bißchen Grün- kohl als Kompott und Rouladen, die man ganz gut als Wurfgeschosse benutzen hätte können. Herr Flammcr machte seinen Lehrlingen vom ersten Tag an keine Illusionen und besonders nicht dem jüngsten. Nachmittags hatte Karl den Scheuerfrauen zu helfen, er fand keine Zeit, seinen Kaffee zu trinken, dann mußten drei Soupers angerichtet werden und wieder hieß es:„Karl— Karl— Karl!" Tann heischten die Scheuerfrauen wieder seine Hülfe. Als er endlich, nach- dem er ein Abendessen, das aus vier Stullen mit schattenhaftem Belag und drei Tassen wasscrklaren Tees bestand, zu sich genomincn, ins Bett kroch, fühlte er seine Beine nicht mehr. Er rechnete:„Drei Jahre— jedes hat dreihu n dertfünfun ds echzig Tage... macht. 109ol"— Er schluchzte beinahe:„Und einer ist erst vorbekl" kh.„Mit den Pilgern nach Mekka " ist der Titel eines BucheS, in dem ein mit der englischen Sprache und Bildung wohlvcrtrauter Muhaniedaner Hadji Khan Bericht gibt über seine im Jahre 1902 unternommene Reise. Die eigentliche Erzählung beginnt zu Jeddah . wo der Autor das Gewand des büßenden Pilgers anlegte, das aus ein paar dünnen weißen wolleneu Tüchern und ein paar Sandalen besteht. Hier engagierte er auch seinen Führer Seyyid Ali, der„an den Wassern Babylons gesessen und gelacht, der zu Fuß den weiten Osten durchwandert bis nach Benares und mehr als ein halbes Dutzend Mal die Pilgcrschaft nach Mekka unternommen hatte, ein hübscher, witziger und spaßhafter Kerl, dessen Spott und gute Laune sogar vor der Kaaba nicht Halt machte." Wie ein Sancho Pansa folgt er nun durch daS ganze Buch den Fahrten feines Herrn und bietet den Humor- vollen Rahmen zu den düsteren und aufgeregten Bildern. die da vorüberziehen. Mit einer Karawane. aus Acgyptern, Syrern, Kaukasiern, Indern und Malayen bestehend, machte Hadji Khan seine» Weg durch die 46 Meilen lange Wüste nach Mekka . Man erzählte sich mit angehaltenem Atem von den Arabern, die eine Woche vorher einen Zug Kanflcute aufgehalten. „Die Karawane mit den Kamelen zog langsam und gemächlich dahin; die Glöckchen klingelten, die Pilger sagten ihre Koransprüche murmelnd vor sich her und die Treiber ließen einen tiefen melodischen Gesang hören. Mein Treiber fing auch zu singen an. laut tönte seine Stimme in der sich ballenden Dunkelheit, wie er den Allah bat, ihn vor den Dämonen der Wildnis zu schützen, und sie verklang in einem düsteren, gedämpften Laut, der wie ein leises Schluchzen sich verlor. Aber immer und immer wieder drang ein erneutes Singen durch die Wüste, wild und eintönig wie die sandigen Weiten, grell und pfeifend wie die Winde, bald dunkel und leise wie die tonlose Einsamkeit selbst, aus deren tnncrem die Töne aufzuwachsen schienen." Man kam ohne ein inderniS nach Mekka . Hier sahen sie, wie das Volk sich dazu drängte, den schwarzen Stein zu küssen. Der Andraiig ist so groß, so inbrünstig das Verlangen, die Reliquie zu berühren, daß die Menschen zu Tode getrampelt werden; bei einem der letzten Züge wurden 84 Menschen innerhalb der Kaaba zu Tode gedrückt, doch mau ist selig, auf so heiliger Erde zu sterbe», und die, welche mit
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22 (1.3.1905) 43
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