getretenen Treppen vor den Hausern. Malerisch ist'S, aber be- dauerlich, und man darf es nur von weitem sehen und darf nicht nach den Zeiten fragen, die auch hier durchgeschritten. Und darf nicht nach dem Leben fragen, das hier seinen Unrat ausleert. Menschen und Menschheit, wie nahe beieinander, bis zur schwindeln- den Höhe hinaufgcbaut die erhabensten Gebilde und Werke der Kunst, und daneben der Moder und die giftige Atmosphäre des unwürdigsten Daseins, Mittelalter. Meerher weht der Wind. Da und dort schon grüne Blätter, saftig, grün, salzgrün. Unten im Unterholz raschelndes Laub. oben in den Zweigen leuchtende Kätzchen. Die Saalweide hat ihre Lichter aufgesteckt, und von den Birken weht der gelbe Staub. Farrnkraut ist braun und dürr und ganze Heideftächen sind gemäht. Der stachelige Heideginster liegt in hohen Haufen. Sein holziger Stamm gibt ein gutes Brennmaterial für die offenen 5kamine. Aber da und dort, was lacht und leuchtet dal Da steht der Ginster grün und blüht I Weite Flächen hin blüht er und läßt sein helles Gold glänzen. Daneben, wo er stirbt. Frühling, Frühling. Aber da unten ist wieder der Winter. Da unten das Meer, das wie ein grohcs grünschuppiges Ungeheuer mit dicken blinzenden Augen daliegt, bereit jeden Augenblick mit seinem weiten Rachen zu schnappen und zuzuschnappen. Es ist träge heute, es ruht, aber es liegt da, als drohe es beständig in seiner Ruhe. Nach dem Hafen äugt es hin, wo die Schiffe liegen, die stolzen Segler und Dreimaster, die ihm alle entschlüpft sind, auf die es lauert, dab sie sich wieder hinauswagen und den Wind sich einfangen, um sich von ihm in die Weiten führen zu lassen und seiner Herr zu werden. Furchtbar glotzten seine dunkelgrünen Augen, tief und grollend ist sein Atemton, und wie es nur den Schwanz ein klein wenig be- wegt, draußen, wo alles so kalt grau ist, wie in lauter Nebel, da rollts heran, da schäumt es aus seinem Rachen, da fressen die gierigen Zähne. Ilnd nun hat es keine Ruhe mehr, es frißt und frißt. Wie hat es m diesen Wintermonaten die Küste zernagt. Das Bild des SommcrS, das man im Gedächtnis behalten, ist vollständig verschwunden an manchen Stellen. Da liegt nun zerbröckeltes Gc- stein und weiteres droht hinunterzustürzen. Als Gegensatz dazu liegt in geradezu feierlicher Ruhe das Land. Es bewahrt den tiefsten Frieden angesichts der ihm ständig drohenden Gefahr. Und es hat diese tiefe Einsamkeit, die alle Stimmen in einem aufwachen läßt, daß sie alle in ihre Stille einklingen zu einem schweigenden Ergriffcnsei» und vollumklungenen Lauschen. Und da drunten ist des Meeres tiefer Ton. So vereinigen sich die Stimmen des Alls, die überwältigenden Ewigkeitsakkorde des Meeres und des Landes. Ter Abend senkt sich hernieder, kaum gewahrt man noch hinter dem Gitter der kahlen Bäume, die sie umgeben, die Dörfer. Da sieht ein Turmhahn noch heraus, dort blinkt ein Kreuz. Alles ruht. Und obgleich noch nicht eigentlich die Nacht hereingebröchen ist, komm ich doch schon beinahe zu nachtschlafender Zeit in meinem Fischer- dorfe an. Also nun sind die Männer heimgekehrt. Dreihundert Fischer, die Schiffsjungen vom vierzehnten Jahr an mitgerechnet. Sie waren lange fort diesmal, vom März bis Ende Dezember. Und daS alte Lied, das die Frauen mir schon im Sommer gesungen, das in jedem Briefe angestimmt war, der die Heimat erreicht hatte: Misere I Ter Fang war sehr schlecht. Die Zeiten sind hart. Hoffentlich wird's im nächsten Jahr besser.Man hofft immcrl" das alte Fischerwort. Wir sitzen beim matten Windlicht nochspät am Abend" beisammen, und es ist ein Fragen und Erzählen. Bei denen ist das Kleine angekommen, da ist die Frau krank gewesen, nebenan ist die Frau ganz plötzlich gestorben, da ist der Sohn nicht heimgekehrt, und da ist eine kleine Eifcrsuchtsgeschichte passiert, und dort, denken Sie nur, ist der Verlobte heimgekommen, und die Braut war mit einem anderen davongegangen. Sie war keine Seemannstochter. Art bleibt immer bei Art. Sie hat einen Metzger geheiratet. Sie wollte schließlich doch das harte Leben .nicht auf sich nehmen. Das kann nur eine Seemannstochtcr. Und wenn sich da zwei nehmen, da ist es die Liebe, wirklich die Liebe. Die Versicherung ist unkontrollierbar. Und wirklich krieg ich nach ein paar Fragen auch heraus, daß es vorkommt, daß einer eine andere nimmt aus purem Trotz und umgekehrt, ganz loic bei uns Landmenschen auch. Man weiß natürlich im ganzen Dorf, daß ich gekommen bin. So kommen denn noch ein paar Verwandte zum Abend zu Besuch. Und nun wird vom Kampf mit dem Meere und all seinen Tücken erzählt, langsam, schwer, unbestimmt, so daß ich beständig mit agen weiterhelfen mutz. Und einer wird wärmer, der von seinen esahrtcn erzählt. Er war schon in Island , England, Amerika , Portugal , Japan . Er kennt Port Arthur. Nun ist der Krieg an der Reche.Petit Parisien"-Standpunkt. Refrain:Aber die Japaner haben ttach angefangen." Der Huller Zwischenfall:Es nrilfstn aber doch Japaner gesehen worden sein." Es ist schtver, die Leute zu AelißerungSn zu bringen, aus denen man ihre eigenen Auffassungen erkennen könnte. Sic beten der Zeitung nach, die sie jetzt erst seit kaum zwei Monaten lesen. Denn da draußen gibts fo etwa» nicht. Wir gießen uns noch einen Schnaps ein. Es ist spät. Es ist kaum neun Uhr durch. Das ist spät. Und morgen beginnen die Vorbereitungen zum Fest.Sic werden ein schönes Fest erleben I" Tann legen wir uns. (Schluß folgt.) kleines feuUUton. Diegöttliche Borfehung" i» Rußland. DerFrank- furter Zeitung" wird geschrieben:Gewiß ist manchem nüchternen Beobachter der russischen Dinge der erste Satz des kaiserlichen' Manifestes vom 3. März aufgefallen. ES heißt darin,daß es der göttlichen Vorsehung, deren Wege unergründlich sind, ge- fallen habe, Rußland schwere Prüfungen aufzuerlegen". Und doch sind die Ursachen dieser Prüfungen gar nicht unergründlich. Im Gegenteil, sie sind weltbekannt und tausendmal sogar von der ge- knebelten russischen Presse besprochen worden. Es ist aber nun einmal so zur Gewohnheit der russischen Autokratie geworden. heikle Dinge, von denen man nicht gerne spricht, auf das Konto dergöttlichen Vorsehung" zu setzen. An Bei- spielen mangelt es nicht. In der Nacht vom 11. auf den 12. März(a. St.) 1801 wurde Kaiser Paul von einer Anzahl hoch- gestellter Würdenträger ermordet. Im Manifest jedoch. welches Alexander I. tags darauf an seine getreuen Untertanen richtete, heißt es: Der göttlichen Vorsehung hat eS gefallen, unseren lieben Vater, den Kaiser Paul Petrowitsch, vom Leben zum Tode abzuberufen. In der Nacht vom elften auf den zwölften verschied er plötzlich an den Folgen eines Schlaganfalles..." Auch Katharina II. hat es nicht versäumt, von der göttlichen Vorsehung zu sprechen, als sie die Nachricht vom Tode ihres er- mordeten Gemahls den Russen kundmachte. In dem betreffenden Manifeste vom 7./13. Juli 1762 lesen wir: Am siebenten Tage, nachdem wir den Thron Rußlands be- stiegen hatten, wurde uns die Nachricht zu teil, daß der ehemalige Km) er Peter III. von einer heftigen Kolik, infolge eines Hämor- rhoidalleidens befallen sei..." Zum Schlüsse wurden die Untertanen ermahnt, das unerwartete Ende Peters HI. als eine besondere Kund- gebung der göttlichen Vorsehung anzusehen, welche in ihrem unerforschlichen Ratschlüsse uns, unseren Thron und das ganze Vaterland auf Wege weist, die nur ihrem heiligen Willen bekannt sind." Endlich wird auch im Manifeste Katharinas II. vom 17. August 1764, in welchem von der Ermordung des entthronten Kaisers Iwan Hl. in der Festung Schlüsselburg die Rede ist, die göttliche Vorsehung nicht vergessen. Die einleitenden Worte dieses merk- würdigen' Dokuments lauten: Als nach dem Willen Gottes und dem einstimmigen Wunsche aller unserer getreuen Untertanen wir den Thron Rußlands be- stiegen, war es uns bekannt, daß der Prinz Iwan aus der Ehe deS Prinzen Anton von Braunschweig-Wolfenbüttel mit der Prinzessin Anna von Mecklenburg noch unter den Lebenden weilte. Dieser Prinz wurde, Ivie alle Welt weiß, als er noch an der Mntterbrust lag, unrechtmäßigerweise zum Kaiser Rußlands gekrönt. Durch den Beschluß der göttlichen Vorsehung wurde er jedoch später aus immer von der Thronfolge ausgeschlossen.." k. Eine tote Stadt. Es gibt eine alte Geschichte von der Königin von Golkonda", die wir Deutschen am ehesten in der Fassung Gottfried Bürgers kennen und in der aar viel die Rede ist von der märchenhaften Pracht, dem unbeschreiblichen Reichtum und dem unermeßlichen Glänze dieses fernen Wundertraumes aus indischen Feenlanden. Doch wie die zaubervolle Stadt Vineta ist auch Golkonda längst in Vergessenheit und Nacht versunken, und nur noch einzelne Trümmer künden von der ftüheren Größe. Diese Stadt, die einst angefüllt war mit allen Schätzen des Orients, ist heute nur noch eine Masse zerbröckelnden Granits. Wenn man mühsam durch die von Trümmern und Steinen verdeckten Straßen wandert, so schreibt ein Mitarbeiter vonChambers' Journal", der die Stadt jüngst besucht hat, dann denkt man an jene Phantasie Macaulays von dem Neuseeländer der fernen Zukunft, der einst auf den Trümmern der London -Bridge sitzend die Ruinen der St. Pauls- Kathedrale abzeichnen werde. Golkonda war einst so mächtig wie London ; heute ist es ein fast vergessener Name. Die Stimme deS Reisenden klingt grell und wiederhallend in ihre ehrwürdige Grabes- ruh. Haiderabad, die jetzige Hauptstadt des Nisam von Haiderabad , ist viel jünger als die uralte Festung; doch es hat die Gegenwart für sich und blüht und gedeiht, und Golkonda ist eine Ruine. Wenn man in der Morgenstunde von Haiderabad aufbricht, so wandert man beim blassen Frühschein durch sandigen Weg, an kleinen Hütten und mancherlei Felsgestein vorbei, bis sich plötzlich eine große schwarze Masse fast drohend aufrichtet. Aus einem steilen Granit- felsen, der sich über die Ebene einsam erhebt. steht das alte Golkonda. Stumm und tot und öde blicken die riesigen Mauern. Die achtzehn gewaltigen granitenen Mausoleen der Outb-Schah-Dynastie. die vor den Rizams regierte, schrumpfen trotz ihrer massigen Größe zusammen vor diesem hoch sich auftürmenden Fels- und Mauerwerk. Drei englische Meilen im Umkreise dehnen sich die granitenen Mauern mit ihren 87 Bastionen; aus ihnen heraus wächst die noch vier- hundert Meter höhere Zitadelle, die auf der Spitze des Felsens wie ein Adler nistet. Kaum haben die Tore der schlveigenden Stadt sich geschlossen, dann scheint auch die Gegenwart zu versinken; diese Mauern trennen uns von allem Lebendigen. Der Hauch ferner vergangener Zeiten umgibt uns. Die Soldaten der Besatzung huschen nur wie Schatten vorbei; sie tauchen gespenstisch auf aus dem ttefen Rotgold, mit dem die Sonne die Straßen erfüllt. In der Totenstille und dem grellen Lichte blicken die dunklen Verließe, die finsteren Gemäuer ust-