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Seine Augenbrauen zogen sich ängstlich zusammen. O, mir ist's ganz gleichgültig. Aber gehört hab' ich's doch-und werd's ihnen gedenken."

"

Willst Du Dich jetzt nicht zu Bett legen?"

Er schwang die Füße ins Bett und zog die Decke über sich. Draußen fiel der Schnee in leichten Würfen gegen die Fenster, und der Wind begann zu blajen.

Eine Pause entstand. Sie richtete die Augen auf ihn und frug: Wenn ich Dir über etwas erzählte, was mich am tiefsten beleidigt hat, würdest Du mir Genugtuung verschaffen?" Du fragst mich noch?" Und er lächelte sie vorwurfsvoll an. Was ist vorgefallen?" Sie blickte ihn unverwandt an. Obgleich seine Augen sich bestrebten, interessiert zu blicken, fielen ihm fast die Augen­lider zu. Der Arme hatte ja getanzt. Beinahe brach sie in Lachen aus.

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Nein," dachte sie, iegt muß es endlich einmal geschehen." ( Fortsetzung folgt.)

( Nachdruck verboten.)

Die Kammerjungfer.

Bon Quiffé. Deutsch von Gertrud David  . Frau von Barme   bestand darauf, daß ihr Gatte sie auf das Mictsbureau begleite.

Du bist Physiognomist; Du fannst mir eine Kammerfrau aus, wählen helfen, denn ich bin in der unangenehmen Lage, von heute auf morgen Ersaß für die meinige finden zu müssen."

Herr von Parme   versuchte einige Einwendungen: Ich werde Dir mehr im Wege sein, als ich Dir helfen kann. Ueberhaupt, sich an ein Mietsbureau zu wenden, welch' verzweifelter Entschluß! Wie kommt es, daß keine Deiner Freundinnen Dir eine Berle empfehlen kann? Gewöhnlich ist doch Ueberfluß an brauchbaren Personen vorhanden! Das ist wirklich ein Verhängnis!"

Allerdings; selbst der Abbé Merveille, der sonst aus dem Patronatsorden so vortreffliche Dienerinnen bekommen kann, hat im Augenblid nicht eine zur Verfügung. Es ist ein ausge­suchtes Pech!"

Wie kommt es denn, daß Deine Kammerjungfer nicht ein paar Tage zugeben kann?"

" Nicht möglich! Ihr Vater ist schwer frank und verlangt nach ihr."

Frau von Parme   sette ihren Hut auf. Das Bureau ist ganz in der Nähe. Komm, sei nett. Es ist höchstens zehn Minuten weit. Wir gehen gemütlich hin und sehen uns unterwegs die alten Stiche und Raritäten an. In Deiner Be­gleitung werde ich viel größere Sicherheit gegenüber der Direktion der Anstalt haben."

Herr von Parme   begleitete seine Frau in der Hoffnung, fie an der Türe des Etablissements verlassen zu können. Aber Frau von Barme   zwang ihn mit der Zähigkeit unfehlbarer Frauen, mit hinaufzugehen. Sie legte wirklich großen Wert auf seinen Beistand. Sie gehörte nicht zu jenen Frauen, die sich nicht um die Sittlich­feit ihres Hauspersonals fümmern. Auch nahm jeder Dienerschafts­wechsel bei ihr den Charakter eines Ereignisses an.

" Du wirst also die Zeugnisse, die die Kammerzofen bei fich haben, lejen; Du wirst prüfen, ob sie ehrlich gemeint find. Denn Du weißt wohl, daß es Leute gibt, die gewiffenlos genug sind, um da zu loben, wo sie hätten tadeln sollen. Wäre es Dir recht, wenn ich eine Frau, die nicht ganz anständig wäre, unter mein Dach, unter das Dach meines Sohnes führte?"

" Athanasius   ist dreizehn Jahre alt; wir haben noch viel Zeit

vor uns!"

" So? Und Ludwig der Vierzehnte? Hast Du das vergessen? Du bist von einem Reichtsinn..

,, So nimm eine alte."

Ueberlege erst, ehe Du etwas sagst. Die Heine Hintertreppe vom Parterre zur ersten Etage ist etwas steil und eng. Für eine alte Dienerin wäre fie unbequem und gefährlich."

" Dann fann sie ja die große Treppe benußen.

Das geht nicht. Solche Leute sind derb. Sie würde mir im Borübergehen meine Blumen zerfniden. Und überdies wünsche ich nicht, daß die Dienstboten eine Treppe benutzen, die mit Cedern holz belegt ist."

Sie sind an Ort und Stelle: Das Etablissement ficht gut aus. Man geht durch einen großen bepflanzten Hof, und obgleich die Treppe, die zum Bureau führt, die bescheidenste des ganzen Hauses ist, so ist sie doch hell und ein Teppich bedeckt die Stufen, die von den elegantesten Hausfrauen betreten werden. Dieses Bureau ver­forgt das Faubourg Saint- Germain!

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I erscheinen in ihren Nationaltrachten. Sie beschäftigen fich in der Regel mit kleinen Handarbeiten und sind bemüht, ihre Vorzüge ins hellste Licht zu sehen. Co stellen sie sich den ankommenden Kunden bor  , der durch dieses Zimmer hindurchschreiten muß.

geführt, das der Salon der Vorsteherin ist, und wo diese an einem Herr und Frau von Parme wurden in das zweite Zimmer Schreibtisch siht, vor sich das Register der Angebote und Nach­fragen. Dann findet eine Unterhaltung statt, die sich bei jedem Besucher wiederholt.

Was für eine Bedienung wünscht Madame?

Eine Kammerfrau oder eine Köchin oder eine Haushälterin? Gibt die gnädige Frau eine Hülfe für die Küche? Muß sie verstehen Kleider zu machen, zu frisieren, zu waschen?

Welches Alter? Welcher Gehalt? Wieviel Dienstboten hat Madame? Geht die gnädige Frau im Sommer aufs Land?

Während Frau von Parme   auseinandersetzte, was bei ihr zu tun wäre, betrachtete Herr von Barme den Salon, auf dessen silbergrauer Tapete Bilder aufgehängt waren, wie" Der treue Rutscher", Die Dienerin mit der Medaille" usw. usw.

Die Vorsteherin, die viele Verwandte der Frau von Parme fannte, wollte sich durch eine besonders glüdliche Wahl empfehlen. Sie befragte alle Blätter ihres Registers, während Frau von Parme ihre Erklärung fortsette:

,, Um neun Uhr kommt meine Kammerjungfer zu mir herein und serviert mir die Chokolade. Gegen elf Uhr werde ich frisiert." Legt Madame Wert auf die Nationalität?"

,, Nein, aber auf die Religion. Sie muß Katholikin sein." Wenn es Madame nicht auf die Höhe des Gehalts ankommt, so habe ich etwas Passendes."

" Ich gebe 75 Franks monatlich; aber ich würde weiter gehen, wenn es ſein müßte."

Christine Péchelin, 27 Jahre alt, geboren in Dresden  ." Nun, dann kann ich Madame ein wahres Geschent machen:

Das Blatt über die betreffende Person wurde verlesen: Kann nähen, frisieren, Spizen waschen, Zither spielen, ist katholisch, spricht deutsch   und englisch  , ist Pedicure und Manikure*), versteht etwas Medizin, die Haltung der Bücher, die Massage und das Schach­spiel Die Person, um die es sich handelt," fuhr die Direttrice fort, besitzt ausgezeichnete Zeugniffe."

"

Aber es scheint mir, daß sie viel mehr versteht, als wovon ich Gebrauch machen kann. Ist sie hübsch in ihrem Aeußeren?" Sie stellt etwas vor; sie ist stattlich von Aussehen." " Ich glaube, daß ich etwas Gewöhnlicheres brauche." " Sieh fie Dir immerhin an," meinte Herr von Parme  , ein bißchen neugierig gemacht.

Christine Péchelin stellte sich mit einer gewiffen Fertigkeit vor. Sie war groß, üppig und blond. Die aschblonden Haare bedeckten die Stirn bis zu den blaugrauen, langbewimperten Augen, deren Ausdruck von einer großen Sanftheit war. Dieser obere sehr rein geformte Teil des Gesichtes saß auf einem start entwickelten, ein wenig edigem Kinn; und trotz des etwas aufgeworfenem und gutmütig lächelnden Mundes erkannte man, daß Christine überlegt und wohl etwas eigenfinnig fein mußte. Ihr dunkelviolettes Kleid wurde in der Taille durch einen Ledergürtel zusammengehalten, der geschickt die Rundungen des Oberkörpers und die Fülle der Hüften hervortreten ließ. Der schwarze Strohhut war flein   genug, um einen üppigen Haarwuchs sehen zu lassen, und die gutsizenden schwarzen Glacéhandschuhe vollendeten dieses einfache und dennoch außer­ordentlich fleidsame Kostüm.

Das Eintragungsblatt hatte der Herrin Auskunft gegeben, jetzt war die Reihe zu fragen an der Dienerin.

Würde Madame hundert Frank monatlich geben? Christine hatte niemals weniger bekommen. Würde sie Wein erhalten; und welchen Wein trank man? Christine für sich. Wieviel Ausgänge bewilligte Madame monatlich? Hatte sie die Wäsche zu überwachen, wenn man in der Sommerfrische war? Hatte Madame Puppen, auf die ihre Toiletten gezogen wurden, solange sie sie nicht trug? Wurden die falschen Haare der gnädigen Frau auf unsichtbare Weise befestigt oder trug sie einen falschen Scheitel? Hatte sie die Hände und Füße der Madame alle acht oder vierzehn Tage zu besorgen? Nahm die gnädige Frau Douchen  ? Wandte sie die Massage an? Ließ sie sich in der Nacht vorlesen, wenn sie nicht schlafen konnte? Ließ sie ihre Kammerfrau in Wagen erster Klasse fahren? War gnädige Frau ihre Schmucksachen ihrer Zofe an? Würde sie sich das Zimmer, welches sie bekommen würde, luftig? Vertraute die jeden Abend von ihr entkleiden laffen? Würde die Kammerjungfer über einen Kochraum verfügen, um den Tee, den Kaffee, die Schokolade und die Arzeneigetränke herzustellen?

mals zu ihrem Gatten hinüber, ob er nicht die Geduld verlöre. Während dieses langen Examens sah Frau von Parme   mehre Einmal beugte sie sich sogar zu ihm hin und sagte:

was ich brauche. Ich denke, es ist überflüffig, fortzufahren." " Ich glaube, daß diese Aufschneiderin durchaus nicht das iff,

"

Meine Liebe, nachdem Du Dir nun einmal die Mühe gemacht hast, geh auch bis zu Ende. Vielleicht ist es besser, einige Opfer mit Rauf zu nehmen, als fortwährend zu wechseln..." So wurde die Unterhaltung fortgefeht.

In dem Entreezimmer sind die Stellesuchenden auf Stühlen plaziert, und warten darauf, daß eine Frage die Aufmerksamkeit der Borsteherin auf sie lente. Es sind da etwa dreißig oder vierzig in Frauen, größtenteils junge: Engländerinnen mit Haarfrisuren von der Form einer Orange und Deutsche mit vollem Oberkörper. Alle franzöfifchen Provinzen sind da vertreten, und die Neuangekommenen

*) Gelernte Fuß- und Handpflegerin.