Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 73.
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Mittwoch, den 12. April.
( Nachdruck verboten.)
Autorisierte Uebersetzung von Adele Neustädter.
Nach Verlauf einiger Stunden hielt Regina es nicht länger aus und schlich sich an seine Türe. Aber kein Laut war zu hören. Sie konnte sich nicht enthalten, durch's Schlüsselloch zu sehen. Dort, vor dem Fenster, sah sie ihn im Zwielicht wie eine schwarze Masse über den Schreibtisch gebeugt. Er hatte wohl den Kopf auf die Hände gelegt.
Als sie wieder auf der Chaiselongue lag, konnte sie dieses Bild nicht los werden.
Dieser prächtige Mann! Dieser prächtige Mann! Was hatte sie getan?
Aber bald fuhr sie wieder auf und blieb mit zusammengepreßten Händen ſizen: Jetzt darfst Du nicht länger sentimental sein, Regina. Oder willst Du in diesem Elend hier noch länger weilen? Dein Kind, ferner von Fremden behandeln lassen? Ferner die Schmach tragen, in die man Dich geworfen hat? Willst Du es? Willst Du es? Ist es noch nicht genug?"
Sie begann hin- und herzugehen. Die Teppiche dämpften ihren Schritt. Es war ganz dunkel geworden, und sie fror. Aber sie schritt weiter hin und her, her und hin, bis sie ganz erschöpft war und in das Schlafzimmer ging.
XVI.
Er blieb den ganzen Abend fort. Aber mitten in der Nacht erwachte fie, nachdem sie einen Augenblick eingeschlafen war, und da stand er vor ihrem Bett und flüsterte ihr zu.
Sie schlug die Augen auf, er war völlig angekleidet, hielt eine Lampe in der Hand und sah verweint aus.
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1905
Er wollte gerade aus einem Bierglase trinken, riß jedoch plötzlich die Augen auf und ließ es zu Boden fallen. Sie versuchte zu lachen. Im nächsten Augenblick schlug er jedoch die Hand auf den Tish, sodaß alles tanzte und rief:„ Nein, jezt wird's aber zu toll!"
Er ging drohend um den Tisch, und sie sprang plötzlich auf und krümmte sich unwillkürlich, wie eine Kaze, die losspringen will, und sie starrte auf seinen Hals, als sähe ste etwas sich hineinbohrendes. Er packte sie so fest, daß der Arm schmerzte und schrie ihr in's Gesicht:
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Du lügst, Regina! Sage sofort, daß Du lügst."
Sie zerrte und riß, um sich loszumachen.
,, Nein, ich sage Dir, daß ich es getötet habe. Du hast ja nie nach meiner Herkunft gefragt!"
Plöglich ließ er die Hände sinken, wie zerschlagen in Beschämung, so hart vorgegangen zu sein. Er griff sich an den Popf, blieb stehen, fuhr sich über die Stirn und flüsterte endlich:„ Du machst mich verrückt, Regina. Weshalb willst Du mich töten?"
Dann ging er langsam hinaus.
Und wieder kam ein Nachmittag, wo sie unwillkürlich auf die leere Chaiselongue flüchtete, während sie eine Zigarette nach der anderen rauchte, um ihre Gemütserregung abzuleiten. Wieder hatten sie mitten in der Mahlzeit den Tisch verlassen, wieder herrschte Todenstille im Hause. Dieses Mal tam die Hausmamsell mit keiner Frage zu ihr.
Eine neue Dämmerung, eine neue Spannung, was jetzt geschehen würde. Und wieder greift sie zu dem alten Mittel, um nicht zusammenzubrechen. Sie flammert sich mit allem an das Ziel, an das Kind, um dessenwillen sie sich jetzt im Kote wälzte, inmitten aller Verbrechen vermochte es ihr Herz mit Zärtlichkeit zu durchglühen, sodaß alle Angst, jedes Ge fühl einer schlechten Handlung wie bange Schatten entwich. In seltsamer Ruhe lag sie auf der Chaiselongue und rauchte und ließ die Zeit verstreichen und wagte nicht, die Gesichte des Kindes loszulassen, klammerte sich immer krampfhafter an neue und erneute Bilder, in dem Gefühle, daß sie sonst in einen Abgrund stürzen würde.
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Regina," sagte er, stellte die Lampe fort und nahm ihre Hand, Du hättest es mir früher erzählen sollen. Aber jetzt läßt sich daran nichts ändern." Und er seufzte.„ Ich will Die Stunden verstreichen. Sie hörte Flaten im Bureaut mich bemühen, Dir zu verzeihen, ich will Gott bitten, mir die hin und her gehen her und hin. her und hin. Es nahm kein Ende. Kraft zu verleihen denn Du bist mir so teuer!" Und Sie legte sich zu Bett und wartete vergebens auf ihn. Den nächsten Vormittag blieb sie liegen und zitterte voller Spannung. War etwas geschehen? Und was war geschehen?
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seine Stimme wurde schwer, und die Augen standen voll
Tränen.
,, Danke!" flüsterte sie und sah eine Weile auf die Wand. Dann schloß sie die Augen.
Diese Liebesversicherungen, diese endlose Nachsicht rührten sie nicht länger. Wenn ein alter Mann eine junge Frau betommt, so wird er schließlich zum Sklaven," dachte sie, während ein verächtliches Gefühl in ihr aufstieg. Aber es soll ihm nicht glücken..."
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Die Lampe wurde ausgelöscht, die Nachtlampe angezündet, und sie blieb hartnäckig mit geschlossenen Augen liegen. Er mochte glauben, was ihm beliebte, daß sie schliefe oder nachdenke. Er legte sich zu Bett. Aber noch lange, lange hörte sie ihn seufzen.
Am nächsten Tage ging er wie gewöhnlich auf's Bureau. Wollte er arbeiten, um zu vergessen? Aber in den nächst folgenden Tagen wirkte seine kindliche Güte wieder verwirrend auf sie, und eine innere Stimme schrie lauter und lauter: Ich halte es nicht aus, ich halte es nicht aus, diesem Manne etwas Böses zuzufügen.
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Es schien ohne nähere Erläuterung vorüberzuziehen. Er vergab nur, und wollte weiter nichts wissen, es nicht mehr erwähnen.
Aber eines Tages erregte der Gedanke an das Kind, das fie ihm nun gebären sollte, sie so tief, daß sie den nächsten Schritt machte, gleichsam mit geschlossenen Augen, die Hände vor den Ohren.
Sie saßen wieder beim Mittagessen, waren jedoch in heftigen Wortwechsel wegen der Einladung einiger Geschäftsfreunde geraten, die von Gothenburg heraufgekommen waren. In der letzten Zeit war er auch nervös geworden und konnte heftig werden. Plötzlich brach sie ab und sagte:„ Höre!"
Er sah sie fragend an. Eine Pause entstand. Dann fuhr sie falt fort:„ Etwas habe ich Dir noch nicht erzählt. Ich habe das Kind, worüber wir sprachen, getötet."
Endlich kam die Hausmamsell, brachte einen Gruß vom Großhändler und sagte, er sei frühmorgens nach Gotenburg gereist. Im Laufe des Tages ging Regina in neuer Spannung einher. Würde er zurückommen? Was würde geschehen? Würde überhaupt etwas geschehen?
Aber erst den nächsten Vormittag erhielt sie von ihm einen Brief. Er war während der Nacht geschrieben, es war ein ganzes Opus.
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Sie saß im Schlafzimer und las, während die Linien so merkwürdig fern von ihren Augen tanzten. Diese weiche verweifelte Liebe was kehrte sie sich jetzt daran? Als sie drei Seiten gelesen hatte, wie schlecht ihm zu Mute sei, zuckte sie die Achseln. Dann kamen mehrere Seiten voller Selbstvorwürfe, dann neue Seiten voller Hoffming, man könne fünftig ein neues Leben in gegenseitigem Einverständnis und Vertrauen beginnen. Er vergab ihr jetzt auch, konnte sogar begreifen, daß ein verzweifeltes Weib eine solche Tat begehen könne. Dann sprach er noch darüber, daß er selbst auch Verzeihung von Gott erbitten müsse; dann, daß sie Mutter seines Kindes sei, dieses Kindes, daß er bisher stets so entbehrt hatte. Endlich, daß er morgen nach Hause komme.
Regina ließ den Brief sinken. In ihrem gegenwärtigen Gemütszustande wirkte darin nichts. Nur zwei Dinge standen lebendig vor ihren Augen, daß er über ihr gemeinsames Kind sprach, und daß er morgen zurückkehre.
Morgen? Und sie sprang auf. Morgen? Kam er hierher? Würde er sie vielleicht an sich ziehen, von Liebe sprechen, von ihrem Kinde, von Verzeihung, nein, sie vermochte es nicht, es durfte nicht geschehen.
Sie eilte in ihr Zimmer, so schnell sie sich im Finstern hin zu basten vermochte. Hier schrieb sie schnell einige Worte auf einen Bogen, legte ihn in ein Kubert, flingelte, ließ den