-
- 290
Brief zur Station bringen, sodaß er mit dem ersten Zuge befördert wurde. Alles geschah wie im Wirbel. Dann warf sie sich auf einen Stuhl und atmete befreit auf. Sie hatte geschrieben:„ Lieber Flaten, jezt mußt Du alles wissen. Du bist nicht Vater des Kindes, das ich gebären werde."
Würde dies genügen! Es war eine neue unwahrheit, sie schändete sich selbst dadurch, aber es war auch ein neuer Dolchstoß nach seinem Herzen. Würde er genügen?
Sie sprang auf und irrte durch die Zimmer und unwillfürlich begann sie ihre Hände anzublicken. Im Speisezimmer stieß sie auf die Hausmamsell, die ihr sagte, ein Bauer sei gekommen, um ein Kalb zu verkaufen. Regina antwortete ruhig:„ Ja, kaufen Sie das Kalb, falls es gesund ist." Dann blieb sie wieder allein, sezte sich, sprang wieder auf, nahm etwas in die Hände, ließ es auf den Boden fallen, ging wieder herum, setzte sich dann und stierte in's Weite.
O, eine schlimmere Art ihn zu töten, hätte sie nicht wählen können. Aber sie durfte ja nichts riskieren, durfte ihre Hände nicht mit Blut beflecken. So oft sie ihn bisher zu Boden schlug, er stand immer wieder auf und kam ihr liebevoll entgegen, es war nicht zum Aushalten. Aber sie mußte, mußte hart sein. Es mußte ein Ende nehmen.
Und dieses Mal flüchtete sie nicht zu den Träumen über ihr Kind, bei dieser garstigen Handlung durfte fie es nicht mißbrauchen, nein, jetzt wollte sie die ganze Schuld auf sich nehmen, wollte sich als Mörderin fühlen, wollte sich von allen Gewissensschrecken befallen lassen, das Kind mußte rein erhalten bleiben, über allem erhoben.
Der Nachmittag verstrich, die Dämmerung trat ein, die Bilder an den Wänden begannen im Zwielicht auf sie herabzublicken, die großen, stillen Zimmer erfüllten sie mit Angst. In der Küche hörte man die Dienerschaft mit Tassen und Schüsseln rasseln, aber es klang ihr so fern und sie wagte nicht allein herumzugehen. Plötzlich fiel ihr ein:" Falls es geschieht, so geschieht es heute abend. Und dann darf nichts an mir auffallen, man darf über nichts lästernum meines Kindes willen nicht."
Und sie flingelte und sagte der Hausmamsell im muntersten Tone:" Sollen wir nicht einen Spaziergang machen? Ziehen Sie sich, bitte, an und begleiten Sie mich!"
Sie zog auch ihren Wintermantel an und blieb eine Weile auf der breiten Treppe stehen, um die andere zu erwarten. Die Luft war mild, die Schneemassen rutschten von den Dächern, der große Hofraum wies schwarze Wege zwischen dem schmuziggrauen Schneeteppich.
Dann gingen die beiden Frauen fort, nach dem Walde hinauf. Die warme feuchte Luft rötete Reginas Gesicht unter der Pelzmüße. Sie blieben oft stehen, um Atem zu schöpfen und lachten und plauderten über alles mögliche. Regina wurde immer heiterer.
Der Schnee lag zu beiden Seiten des Weges fast mannshoch aufgeschaufelt. Hin und wieder trafen sie einen Wagen mit klingenden Schellen. Ueber der dunklen Schneelandschaft wölbte sich ein finsterer frauser Himmel, woran einzelne flare Spalten einen gelben Stern zeigten.
Jens
arifa
( Nachdruck verboten.)
Säkularifationen
im alten frankenreich.
Die Frage der vollen Trennung von Kirche und Staat wird in der Gegenwart immer brennender. Das französische Kabinett ist bekanntlich daran gegangen, eine reinliche Scheidung beider„ Gewalten" in die Wege zu leiten. Die Hauptschwierigkeiten ergeben sich naturgemäß bei der Regelung der vermögensrechtlichen Seite der Angelegenheit. Alerifalerfeits erblidt man in der Einziehung von Kirchengut durchweg einen Raub an den heiligsten Interessen der Menschheit. Demgegenüber mag betont werden, daß noch keine Zeit sich das Recht hat nehmen laffen, auch über das Kirchengut, dem ja die Klerikalen selber nach der Absicht der Stifter" sozialen Charafter beizumeffen pflegen, den Bedürfnissen der Gesellschaft entsprechend zu bestimmen. Die christlichsten Jahrhunderte machen hier ebensowenig eine Ausnahme wie die„ chriftlichsten" Persönlich feiten. Vor allem gilt dies für die fränkische Kirche, und zwar von ihren Anfängen an.
Die germanische Invasion stellte alle Verhältnisse des altent Gallien auf den Kopf. Das völlige Schwinden der Staatsgewalt legte deren Befugnisse vielfach in die Hände der Bischöfe. Sie waren es, die an die Spitze der Städte traten, um die Interessen der Bürgerschaft den Eroberern gegenüber zu wahren und in ihrem Namen Verträge und Abkommen zu schließen. Das erhöhte die Machtsphäre des Episkopats, die schon in den letzten Zeiten des Römerreiches beträchtlich über den rein kirchlichen Wirkungskreis hinausgegangen, ungemein. Damals bereits konnten die Bischöfe bürgerliche Rechtshändel auf Anrufen entscheiden, und die weltliche Macht hatte ihren Spruch zu vollziehen. Bei ihnen lag die Aufsicht über die Gefängnisse und die öffentlichen Lebensmittel, sie wirkten bei der Ernennung der Vormünder mit und nahmen Beschwerden über pflichtwidrige Richter entgegen. Waren also die Bischöfe bei weitem nicht mehr die bloßen Seelenhirten ihrer Sprengel, so machte derselben. Es kam hinzu, daß ebensowenig wie Odokavar und nach die germanische Eroberung fie vollends zu politischen Wortführern ihm die Ostgoten in Italien und die Westgoten in Spanien , auch die Merowinger in Gallien die vorgefundenen gesellschaftlichen Zustände zerstören fonnten, sondern mittels ihrer zu herrschen versuchen mußten. Hier bot der Episfopat wie überhaupt das Gefüge der Kirche nicht nur ein wesentliches Bindeglied zwischen den widerstrebenden Völkern der Germanen und Romanen: die Kirche war eigentlich die Trägerin der höheren römischen Kultur und Wirtschaftsweise, die die Franken nur aus ihren Händen zu empfangen und sich anzueignen vermochten. Gant Kit
nig Im Tale sah man die Lichter der zerstreut liegenden Höfe, während die Fabrikbetriebe noch glühten und lange Reihen erin Streit und warfen sich zum Ergößen des Hofgesindes viele Eheleuchteter Fenster zeigten. Die Rauchmassen stiegen in ein tiefes kohlschwarzes Dunkel aus den Schornsteinen.
Aber es war eine wilde Zeit, und ihr wilder Charakter spiegelte sich treulich auch in der Kirche wieder. Wohl suchten eine Anzahl ehrlicher Ideologen in den Klöstern, auf den Bischofssiten und im niederen Klerus der allgemeinen Verderbnis, zumal der geistlichen, entgegenzuwirken. Ihre Bemühungen blieben ohne Erfolg. Das Bild, das der Bischof Gregor von Tours von dem Gallien seiner Beit und dem ſittlichen Zustand seiner Bewohner entwirft, läßt waren. Nur weniges aus Gregors detailreicher Schilderung diene zur feinen Zweifel daran, das Klerus und Laienschaft einander würdig Illustration. In den langjährigen Throngwiftigkeiten der Königinnen Brunhild und Fredegunde, die das Land mit Blut und Brand er= füllten, ließen im Interesse der letzteren und verlockt durch die Aussicht glänzender Belohnung Priester fich dingen als Meuchelmörder. Conius, Bischo, bon Bannes, war ein so arger Trunkenbold, daß er beim Messelesen einst unter tierischem Geschrei zu Boden stürzte und das Blut ihm aus Mund und Nase drang. Die Bischöfe Palladius und Bertram gerieten an der Tafel des Königs Guntram brüche, Hurereien und selbst Meineide vor. Ein besonders lästeroliches Treiben entfalteten die Brüder Salonius, Bischof von Embrun , und Sagittarius, Bischof von Gap." Sie überließen sich," so erzählt Gregor von ihnen, den Ungerechtigkeiten, Gewalttätigkeiten, dem Mord und Ehebruch mit einer wahren Wut. Den Bischof Viktor überfielen sie wie gemeine Straßenräuber Zweimal da sie aber ihr lasterhaftes Leben fortsetzten, wurde ihnen das wurden sie abgesetzt und erhielten beide Male ihre Würde wieder; bischöfliche Amt zum dritten Male mit Schimpf genommen.
Sie bogen in den Wald ein, wo die schweren Holzfuhren den schmalen Weg aufgewühlt hatten; die Fichten streckten ihre Zweige über die Köpfe der Frauen. Der Weg verlor sich in der Finsternis.
Die Hausmamsell wurde ängstlich:„ Sollen wir nicht jetzt umfehren?" Nein," lachte Regina,„ wir wollen sehen, ob es hier feine Bären gibt."
Die andere begann zu zittern, und Regina wurde um so lustiger. Zuweilen schreckten sie einen Auerhahn auf, der hinabflatterte und nachstürzende Schneemassen mit sich zog.
Endlich mußten fie umkehren, und als sie nach Hause famen, fühlte sich Regina angenehm ermüdet. Aber als sie in dem großen Speisezimmer allein am Tische saß, begannen ihre Hände zu zittern, während ein feuchtfaltes Angstgefühl fie durchfröstelte.
" Jetzt hat er den Brief!" dachte sie. Jetzt hat er ihn gelejen." Fortsetzung folgt.).
Auch vom niederen Klerus, Weltgeistlichen und Mönchen erzählt Gregor Bubenstücke in großer Zahl und der verschiedensten Art. Abt Dagulf war ein Mörder und gewohnheitsmäßiger Ghebrecher; der Mann eines Weibes, mit dem er buhlte, fand ihn zugleich mit einem anderen Priester in seiner Behausung und erschlug beide. Aus dem Frauenkloster zu Boitiers wird über eine förmliche Nonnenrebellion berichet. Chrodield, eine Tochter König Chariberts, suchte die Aebtissin durch Anschuldigungen zu verdrängen, um ihren Plazz einzunehmen. Mit etwa 40 Gefährtinnen verließ sie das Kloster. während die letzteren in Tours zurückblieben, setzte sie selber am Hofe König Guntrams die Untersuchung der vorgebrachten Klagen durch ein bischöfliches Gericht durch. Inzwischen hatten die ausgewanderten Nonnen das zügelloseste Leben geführt. Als sie nun ,, von dem niedergesetzten bischöflichen Gericht hörten, gingen fie nach Poitiers , um sich den Maßregeln, die man gegen sie treffen würde, mit Hülfe einer Bande von Bösewichtern gewaltsam zu widersetzen. Sie zwangen die zur Untersuchung erschienenen Bischöfe, Poitiers eiligst zu verlassen, um nur das Leben zu retten.