und schlug sie wieder zusammen, als drücke sie schon jemand an die Brust, und weinte und lachte und hob die zitternden Hände hoch empor über ihr greises Haupt und schrie lauter als die hundert Stimmen der herbeistürzenden Dörfler, schrie's hinein ins Angstgebrüll der Tiere, ins Stürzen der Balken, ins Prasseln der Flammen: Mein Willelm I Eweil kömmt HSn!" Große Berliner   KunftausCtellung 1905. Immer wieder öffnet der große Kunstpalast am Lehrter Bahnhof  seine Pforten, und immer wieder wundert man sich über die Festigkeit und dauernde Gewohnheit, die diese Institution erhält. Es läßt sich ohne viel Uebertreibung sagen, daß der Geschmack des Publikums, das sich überhaupt mit Kunst beschäftigt, den Künstlern, die hier ihre Werke ausstellen, weit voranseilt. Man meint sich um zehn Jahre zurückversetzt, wenn nicht mehr. Es ist auch immer dieselbe Mischung. Nur tritt jetzt das militärische, das patriotische Hurrabild etwas in den Hintergrund. Dafür erscheinen aber um so schlimmere pseudo» moderne Sachen, die mit unangenehmster Aufdringlichkeit sich vor- drängen. Ueberhaupt ist zu bemerken, wie in dem Hängen der Bilder, der Bespannung der Wände die AusstellungSleiwng von der modernen Kunst abguckt, mit welchem Erfolg freilich, das sieht man in dem Skulpturensaal, wo ein dunkelblauer Bodenbelag und ebensolche WandbeNeidung die Augen aufs gröbste verletzt. Es muß betont werden, daß eine solche Leitung das Ansehen Berlins   in künstlerischer Beziehung aufs empfindlichste schädigt. Die Große Berliner Ausstellung" ist kein Tumnielplatz für alternde Talente. Wie imKünstlerhaus" gilt hier Konnexion und Liebe- dienerei, und nicht künstlerische Qualität. Es gibt viel mehr ernste und tüchtige Arbeiten in Berlin  , als diese Ausstellungen am Lehrter Bahnhof   uns glauben machen. Wozu ist denn noch eine Jury da, wenn sie so offenbaren Schund passieren läßt, bloß weil ein in offiziellen Kreisen bekannter Name daran steht? Was soll man von einer Jury denken, die Bilder serviert, die selbst dieGartenlaube" nicht mehr bringen würde? Wie traurig ist das Resultat, daß man durch all' diese Säle geht und nirgends ein Bild sieht, das direkt Genuß und Freude gibt l Man schleppt sich hindurch, alles kommt einen: bekannt vor. man hat es tausendmal gesehen und man freut sich, wenn es zu Ende geht, mit dem Gefühl des Granens, noch einmal diese Säle durchwandern zu müssen. Natürlich ist es klar, daß kein Platz für neue Talente bleibt, wenn den Alten immer wieder in gänzlich unkritischer Weise der breiteste Raum gegönnt wird. Dann betrachte man diese Aus- stellung als Filiale des Künstlerhauses, als allgemeine Ablegestätte, aber mache dem Publikum nicht weiß, daß ihm hier eine sorg- faltig gesichtete Auswahl geboten werde! Man verbreite auch nicht Nachrichten in der Presse, als wäre die Sichtung eine strenge gewesen, so und soviel Bilder seien zurückgewiesen. Wenn die Herren Gastgeber sich selbst am breitesten machen, bleibt natürlich kein Platz fiir die Gäste. Dann durch eine Manipulation, wie die Meldung von den vielen Zurückgewiesenen die Meinung suggerieren wollen, das Gebotene wäre nun das beste, streift sehr nahe das Gebiet deffen, das nicht erlaubt sein sollte. Es ist zehn gegen ein? zu wetten, daß sich aus den zurückgewiesenen Bildern mit Leichtig- keit eine Auswahl treffen läßt, die dieGroße Berliner" an Geschmack übertrifft. Unter diesen Umständen machen die beiden Säle der Illustratoren den lebendigsten Eindruck. Hier hängen Originale der Jugend. Auch die Schwarz-Weiß- Ausstellung hat em gutes Allgemeinniveau und zeigt manche interessante Arbeit. Anton von Werner  hat cS sich nicht versagen können, einer ganzen Koje sich zu bemächtigen. Die Räume, die fiir die Architektur bestimmt sind, find noch nicht fertig. Einzelne feine Arbeiten zeigt die Kollektiv- auSstellmig R. von Alts(Wien  ). Von Professor Prell sind die Kartons zu den Malereien im Treppenhaus des Albertinums zu sehen und machen hier in der Skizze einen ebenso deprimierenden Eindruck wie die ausgeführten Gemälde in Dresden  . Die MünchenerKün st lerge nossenschaft und die Luitpold- Gruppe haben ein fiiichereS, solideres Aussehen. Auch die ,. Elbier"(Dresden  ) geben einige bessere Bilder her. Die Kollektivausstellungen Skarbina  , Hamacher, Herrmann bieten keinen neuen Eindruck, und es erscheint daher nicht gerecht- fertigt, daß diese Künstler mit ihren längst bekannten Bildern anderen den Raum wegnehmen. Prof. Jacob gibt in einem Saal Erinnerungen an-Alt-Berlin. Prof. A r t h. B o l k m a n n, der in Rom   lebt, stellt Skulpturen und Gemälde in reichster Anzahl aus, die sich alle gleich sehen, eine einzige Arbeit würde genügen. Schlimm find auch die Düsseldorfer. So ist der große Vergnügungspark wieder eröffnet, rechtzeitig, damit noch das Ostergeschäft gemacht wird. Einen Hülflosen Ein- druck macht da? Plakat. Ein schlecht gezeichneter Bär tappt umher. mit Rosenguirlanden überworfen. Auf ihm sitzt ein unglücklicher Knabe mit roten Flügeln, klein, zwergenhaft und puppig. Soll das eine symbolische Darstellung der hier verzapften Kunst sein? Natürlich auf Goldgrund, damit mit Materiallosten renommiert werden kann. Dazu mußte eine Preiskonkurrenz ausgeschrieben werden, damit so etwas herauskommt! Zwei Künstler sind die Verfertiger dieses Plakates. Die wenigen besseren Bilder herauszusnchen. die lokalen Unter- schiede der Gruppen München  , Dresden  , Berlin   anzudeuten, wird nebst einer Skizzierung der Tendenzen in der Schwarz-Weißkunst Aufgabe einer späteren kritischen Betrachtung sein, die auch die Plastik und Architektur berücksichtigen wird. E r n st S ch u r. kleines feirilleton. e. Kiesätig, mickrig..Wat unse Lene is, die is ümmer sehr« kiesätia gewesen, deswegen hat se von jeher ooch man mickrig ausgesehen", sagte Frau Schulze in einem Gespräche über ihre Kinder. Wenn der hier ausgesprochene Gedanke auch logisch nicht ganz richtig ist, denn die Lene ist überhaupt wohl nicht gesund und kräftig und daher die getadelte Kiesötigkeit so werden wir in ihm doch auf zwei vielgebrauchte Volkswörter aufmerksam gemacht, über die sich selten jemand Rechenschaft zu geben vermöchte. Kiesätig bedeutet bekanntlich mäkelig und wählerisch im Esten und Trinken. Das Wort hat drei Bestandteile, kies, et und die Endung ig. Dem ersten Bestandteil kann man noch heute in der gewählteren Prosa in dem hier und da vorkommenden erkiesen, er« kor, erkoren begegnen. Hiermit hängt auch Kur in den Wörtern Kurfürst, Kurwürde usw. zusamnien. Das einfache Verbum kiesen ist uralt, im Gotischen lautet es kiusan, im Althochdeutschen cheosan, kiosan, im Mitteldeutschen kiesan, im Altenglischen   ceosan, im Neu- englischen choose und heißt: wählen, auswählen. Den zweiten Bestandteil findet man im niederdeutschen eten, essen. Man müßte also eigentlich kiesetig sprechen und schreiben, aber an manchen Stellen Deutschlands   wird das lange e fast so offen wie ä gesprochen. Man sagt also äten statt eten. Jetzt wissen wir genau, was kiesetig bedeutet, und mancher ist vielleicht erstaunt, daß er nicht schon lange das ihm bekannte Wort eten darin geahnt hat. Daö die Kiesetigkeit in manchen Fällen hervorrufende mickrige Wesen, die Mickrigkett, findet ihre Erklärung in dem niederdeutschen Wort Mick, womit jedes Hausgerät, das nicht mehr fest ist und zu» sammenzubrcchen droht, bezeichnet wird. In der Literatur kommt es in dem Ablautspiele Mick und Mack vor. Die Redensart Mick und Mack bedeutet Durcheinander, Gemenge, deren zweites Wort cm das Tätigkeitswort mengen erinnert. Da loben, sie den Faust und was noch sunsten In mein, t'Schriften braust zu ihren Gunsten; DaS alte n k und Mack, das freut sich sehr I Es meint 0. Lumpenpack, nian war's nicht mehr! rwn Goethe 56, 113. Mickrig bedeutet u... J Rechlich, krüppelhast, gebrechlich, schwächlich, auch wohl kritzlicy, wenn inan von der Handschrist spricht. Theater. Schiller- Theater v.GygeS und sein Ring', Tragödie in 5 Akten von Friedrich Hebbel  . Die Aufnahme des Stückes war ähnlich der, die eS vor ein paar Jahren im Schau» spielhause fand. Der Beifall llang etwas lauter wie damals; aber er hatte doch auch wohl nur den Charakter einer schuldigen Respekts« bezcngung, war nicht der Ausdruck einer inneren Ergriffenheit. Trotz all der poetischen Kostbarkeiten, die Hebbels bildnerische Sprach» kunft verschwenderisch hier ausstreut, trotz der edel einfachen Archi» tektonik des dramatischen Baues, zwingt diese Dichtung die Seelen nicht in ihren Bann oder vermag sie doch nur kurze Zeit darin zu halten. Indem Hebbel   alle Motive, außer der beleidigten Scham» haftigkeit, aus dem Handeln RhodopeS ausschaltet, sie darstellt alS eine, die ursprünglich mit inniger Hingabe an dem Gatten, einem hochherzig ritterlichen Manne, Hiucp schafft er Bedingungen, unter denen die blutige Rache der Beleidigten den: unbefangenen Gefühle nicht mehr als glaublich, geschweige, waS doch der Dichter wollte, als tragische Notwendigkeit erscheint. Daß GygeS, der die Königin durch die Schuld ihres Gemahls in ihrem Schlafgemach gesehen, zur Sühne den Konig töten und sich ihr verniählen wll. dies Verlangen Rhodopes noch mehr aber die Unterwerfung der beiden Männer unter ihren Entschluß, gleichsam als unter eine heilige Entscheidung dieser ganze Zusammenhang, wie er sich in den letzten Akten zuspitzt, kann gar nicht mehr unmittel- bar als Darstellung realer psychologischer Prozesse, nur als Symbolik von Gedaiiken auf uns wirken. Aber der Inhalt dieser Sylnboli! hat wiederum etwas Befremdendes. Nicht nur die Macht alter Sitte, die in Rhodope sich verkörpert und als blinder vernunftloser Instinkt sie beherrscht, auch das Recht solcher Sitte und solchen Handelns scheint es, hat der Dichter finnbildlich uns haben veranschaulichen wollen. Rhodope ist in dem Drama Heldin und Siegerin, ein Glanz der Verklärung umgibt sie. Dte Aufführung bot nicht gerade Uevcrraschungen, aber fl« enttäuschte auch die Erwartung nicht. Fräulein Feld Hammer die Darstellerin der Rhodope.   hob sich nach einigem Schwanken in Laufe des Abends zu beträchtlicher Höhe. Herr Erich Zitgel