. Timmels feilen/ lachte'Grabaus,grobem foulen wir sie, kleinkriegen."... Erobern?"'' .Ich meine moralisch erobern/ Moralisch erobern? Hören Sie mal. das sind ja faule Sachen. Was verstehen Sie unter: moralisch erobern?" Ach, ich meine, es ist ganz richtig, daß die Regierung jetzt schärfer vorgeht." Ne, ne, Sie sagten, moralisch erobern. Ich will wissen, was Sie damit meinen?" Gott , ich sagte das nur" Sehen Sie mal, lieber Doktor, es könnte ja sein. Sie livüßten uns einen guten Rat zu geben. Die Herren von außer- halb sind ja immer so klug. Wie haben Sie denn das gemeint, mit dem moralisch erobern?" Vergeblich sann Grabaus nach, wie er daS hingeworfene Wort eigentlich gemeint habe, und ohne ein Ziel vor Augen, stotterte er schließlich: Ich meinte, wir haben für die Polen " Sie meinten, die Regierung hat" Natürlich die Regierung hat für die Polen alles mögliche getan. Die Verhältnisse aufgebessert. Schulen gg? gründet, Bildung verbreitet, aber wie soll ich sagen? ge­wissermaßen nur materielle Bildung. Wir ich meine, die Regierung hat dabei den Polen immer nur das Deutsch- land Bismarcks und Moltkes sozusagen, das Deutschland der eisernen Macht gezeigt. Aber die geistige Großmacht Deutschlands " Scheu Sie mal an! Sehen Sie mal an!" sagte der Ministerialdirektor. Ja, ein Volk von teilweis doch so hoher Kultur wie die Polen , das hätte man vielleicht eher gewonnen, wenn man ihm auch das Deutschland Schillers und Goethes vor Augen geführt hätte. So verstand ich das moralisch Erobern. Also zum Beispiel" hossentlich nimmt er mir den Witz nicht übel, Ischoß ihm durch den Kopfwenn man im Osten eine neue lUniverfität gründete" und mich da zum ordentlichen Pro- isessor machte, flog ihm weiter durch den Kopf. Eine Nationale Unwersität" Etwas ängstlich, was der alte Herr zu diesem spaßigen Vorschlag sagen würde, blickte Grabaus ihn an. Aber dieser schien einfach eingeschlafen zu sein. Mit vorgesunkenem Kopf stand er da, beide Hände in den Hosentaschen. Eine ganze Weile verging, bis er endlich einen großen Hausschlüssel her- vorzog. Nun klopft er sich damit vor die Stirn und sagt Blöd- sinn, dachte Grabaus, dem es heißer und heißer wurde. Doch nachdem der Ministerialdirektor den Schlüssel eingehend be- trachtet hatte, steckte er ihn wieder in die Tasche und brummte: Sagen Sie mal, von wem haben Sie diesen Gedanken?" Von niemandem. Von mir selbst." Schon lange?" Wenn ich die Wahrheit sagen soll, so sehr lange noch nicht." Und niemand hat mit Ihnen darüber gesprochen?" ,Niemand." Ja mein lieber Doktor, das ist nämlich gar keine so Lble Idee. Das sehen Sie mal!" Er schlug ein Aktenstück auf und hielt es Grabaus hin, öer bei dem verwirrten, flüchtigen Blick nur das eine Wort: Universität" las. Was Sie mir da erzählen, das haben wir längst er- ivogen. Meine eigene Idee haben Sie mir vorgetragen. Das - das spricht für sie beide." Er nickte und schaute dann schläfrig, aber durchdringend Wrabaus an, der die Empfindung hatte, daß er jetzt wie ein Gaul oder ein Stück Holz studiert, geprüft, bewertet und auf seine Verwendbarkeit eingeschätzt würde. Plötzlich aber fragte er: Sagen Sie mal, Sie schreiben doch nicht für Zeitungen?" In der letzten Zeit nicht mehr." Das müssen Sie auch nicht tun. Ueberhaupt was ich Ihnen da gesagt habe, das bleibt unter uns. Verstanden?" Er streckte ihm die Hand hin. Wir meinen es hier sehr gut mit Ihnen. Sagen Sie mal, was macht denn der alte Wuhlmann? Hat der Mann Äberhaupt Hörer?" Professor Wuhlmann war mein Gönner, Herr" Na, wenn Sie schon sagen, daß er keine hat, verraten Sie keine Geheimnisse. Was ist los?" Ein Diener war eingetreten, mit dem er leise sprach. Dann wandte er sich wieder an Grabaus. lOfortsetzung folgt,)] (Nachdruck verboten.) Die Kur. Von Max Sittlich. Wie am 0. und 7. Buch Mose , so hing man in Kletiborn an den Sieben Himmelsriegeln, und als der Typhus in das Dorf zog, brachte man die alten Schwarten mit den Zauberstücklein sogar den» Pfarrer; er möge sie weihen, damit alle Teufel, Geister und Ge- spenster vor dem Eigentümer des Buches um so sicherer Reitzaus nähmen. Der Pfarrer, schnell entschlossen, warf sie ins Feuer, die Himmelsriegel. Nur ein Besitzer dünkte sich noch klüger als der Pfarrer: der Bäreneckle-Baner. Er schob sein Buch unter den Rock und ging damit heim. Auch steckte er es, wie er stets in Zeiten der ffrantheit getan, unter das Kopfkissen, als Hitze und Fieber ihn ins Bett jagten. Der Typhus hatte ihn nicht verschont. Seine Familie war sich sofort, wie die der kranken Nachbarn, über das allein zur Gesundheit führende Mittel im klaren: mir keinem Arzt mit neuen Moden folgen, sondern sich des Genusses des Wassers enthalten I Das fiihrte allemal zum Ziele. Nur fest bleiben mutzte man; überstanden werden mutzte das Verlangen, ob auch Zunge und Gaumen und der ganze Mensch nach Er- gnickung lechzten; befiegen können mutzte der tttanke seinen einzigen Wunsch: dem heitzen Körper einen Schluck klaren, frischen Wassers 'zuzuführen!' Daneben redeten sie den Schmerzen gut zu, fortzugehen den laufenden, stechenden, raffenden, habenden, kalten, hitzigen Haupt-, Hirn-, Fleisch-, Blut- und Mark-Schmerzen, wie das Buch sagte. Allein die Schmerzen schwanden nicht und peinigten den Bäreneckle- Bauer Tag und Nacht, und sobald er im Fieber nach Wasser zu rufen begann, freuten sie sich ihrer Weisheit, die ihn so treu behüteten. Ha jo, was so ein Kranker nicht alles fertigbekommen würde! Den Tod an den Hals trinken I Welch ein Segen, in solchen Zeiten tten behütet zu sein von Menschen, die den Kranken am Tage bewachten und, wenn sie in Garten und Stall zu schaffen hatten, wohlweislich den Schlüffel zur Krankenstube umdrehten, damit der Fiebernde nicht etwa entwischte und zum Brunnen lief oder in seiner Schwäche gar in den Brunneittrog stürzte I Zwar sahen die Verwandten, wie der Bäreneckle- Dauer in wenigen Tagen arg abnahm. Er lietz sich jedoch nicht so unter- kriegen wie einige Nachbarn rings umher im Tale, die schon die Augen für immer geschlossen hatten. Im Gegenteil: er war sehr lebendig, schlug um sich und wehrte fich mit Händen und Fützen gegen die Fieber und beschwor sie mit der(nach den Sieben Himmelsricgeln) wohleinstudierten Formel, ob sie in Bergen zappelten oder in Wasserlein grabbelten, Haus, Hof und Bettstatt zu ver- lasten. Als fie ihn ttotzdem weiter peinigten, ging er vom Reden noch- malS zum Handeln über; unverdrosten griff er in die Luft, um die Plagegeister einzufangen, sie in ein Bündel zn stecken und sie von den Verwandten dreschen zu lassen wie kalt Eisen. Man prügelte daS Bündel mit Dreschflegeln vergebens. Wahrscheinlich hatte der Kranke nicht alle 77 Plagegeister erwischt, in welcher Zahl sie anzurücken pflegten. Jetzt zausten ihn die übrigen erst recht im Gefühl der Rache; er raste wie ein Toller gegen sie und lag wiederum ermattet wie in das Schicksal ergeben. Es war ein schwerer Tag, und die übrigen Bewohner des Hauses gingen weit fort in das Feld, zu säen. Sie schlössen ihn wieder ein, damit er nur ja in den letzten Stunden der Eni- scheidung keine Dummheit begehe. Wie er so verlassen lag. da blickte er durch die dicke Luft des Sttibchens sehnsüchtig nach dem kleinen Guckfenster, durch das der Frühlingshimmel lachte, und es war, als wären seine Augen in den paar Tagen der Krankheit schärfer geworden, denn er meinte, er sähe deutlich seine der Krank- hcit erlegeuen Nachbarn winken. Dazu veniahmen auch die Ohren Laute, auf die er seit Jahren nicht mehr gemerkt hatte: er hörte die Amsel vom Lenze jubeln in der wonnigen Wärme und hörte einen Trupp Kinder am Bach singend in die Ferne ziehen: Regen, Regen, tropfe, Alle Kinder hopse, Hopse in den Brunnenstein, Kommen nimmer trocken heim k Und zn den Verslein vom erquickenden Regm rauschte daS Bächlein, dessen sprühende Wellen dem Bäreneckle-Bauer nur immer als Spender der fixen Forelle gut gewesen waren, jetzt so laut und lustig und frisch zu ihm herein, wie blinkende Verführer. O, das kühle, kühle Wasser, wer das wieder einmal genietzen dürfte oder wenigstens sehen könnte nach den Tagendes SchmachtenS l Wer Zeuge sein dürfte, wie die Fluten zwischen die mosigen Ufer huschten und sich drehten, wie sie über die Felsblöcke sprangen und in der Sonne funkelten in allen Farben des Himmelsringes, des Regenbogens l Ja,'wie hätte den Kranken schon der Anblick allein gestärkt, und dazu ein einziger, tiefer, tiefer Sttcmzug in ftischer Luft, an dem offenen Fensterchen I Was drautzen so viel Leben brachte, sollte ihm das nur Unheil bedeuten können? Er grübelt und sehnt sich, der Bauer, und seine Gedanken müssen traumhaft schön sein. Denn er fühlt sich gepackt wie von einer anderen Macht und kann ihr nicht widerstehen; ist doch sein Kopf viel zu schwach dazu, und der Durst nach Genesung hat die Herr- schast gewönne».