Finden Sie? AVer Varl ich Ihnen Berrn Doktor > ach, wie war doch noch Ihr Name?" wandte fie sich an Grabau�  Nachdem die Vorstellung beendigt war. humpelte das Fräulein weiter und Grabaus fragte, wer fie wäre? ,.O, das ist ein fabelhaft interessanter Mensch. Denken Sie sich, sie ist seit zwanzig Jahren schwer lungenleidend. Sie ist längst von allen Aerzten aufgegeben. Und doch lebt sie, ist wohl und munter, entzückt alle durch ihre Liebenswürdig- keit" Man nennt sie auch Leiche auf Urlaub!" warf ein fetter, Stattrasierter Schauspieler halblaut dazwischen, indem er ächelnd grüßend sich an den beiden vorbei ins benachbarte Zimmer drängte. Pfui, seien Sie nicht so frivol!" rief Pschütt ihm nach. -Den kennen Sie doch, Herr Doktor? Unseren berühmten Charakterdarsteller! Er ist vor kurzem zum Christentum übergetreten, aus reinster, heiligster Ueberzeugung. Die Gräfin War seine Patin. Ein selten.guter Mensch. Aber von Fräulein Palzow wollten Sie ja wissen. Ja, denken Sie sich, ob- wohl sie von allen Aerzten aufgegeben ist, lebt sie doch noch immer. Sie besitzt nämlich magnetische 5häfte. Manchmal liegt sie tagelang im Starrkrampf mit zurückgeschlagener Zunge, ißt nicht, trinkt nicht, atmet nicht. Hinterher hat sie dann Eingebungen. Aber sind Sie eigentlich schon der Komtesse vorgestellt, Herr Doktor?" Noch nicht." Dann werde ich mir das Vergnügen machen. Aber, der- zeihen Sie meine Unkenntnis man kann nicht alle Berühmt- heiten kennen was sind Sie, Herr Doktor?" Ich bin Privatdozent in Jena  ." Der Jurisprudenz?" Nein, der Philosophie. Uebrigens bin ich durchaus keine Berühmtheit. Aber Ihr Name klang mir so bekannt! Ich muß ihn schon gelesen haben. Ach" Die Komtesse, ein schmächtiges, noch junges Mädchen mit etwas kränklichem Gesicht und schönem Haar, war gerade von ihrer Mutter gerufen worden. Im Vorübergehen warf Grabaus einen Blick in das etwas größere Nebenzimmer, wo fich die Menschen weniger drängten. In einer Ecke bemerkte er auch Gebhard, der zu einer sitzenden, durch die Davorstehen- den verdeckten Person zu sprechen schien. In seiner Nähe stand ein älterer Herr mit ergrautem Haar und dunklem Schnurrbart, der ihm durch seine stattliche Gestalt und sein männliches und zugleich liebenswürdiges Gesicht sofort auf- fiel. Es war die erste wirklich anziehende Erscheinung, die er in dem ganzen Kreis bemerkt hatte. Inzwischen war die Komtesse, die einem Diener ein Tablett mit Teeschalen abge- nommen hatte, zurückgekommen. (Fortsetzung folgt. 1 Die Scbülerfcicr in Weimar  . (Ein Klein stadtidyll.) Immer ist es wieder ein eigener Eindruck, wenn man vom Lahnhof die schöne, von alten, schattenspendenden Bäumen bestandene Allee nach Weimar   hineingeht. Welch ein Kontrast gegen Berlin  ! Und doch ist es nur eine kleine Strecke, die man in drei Stunden mit dem Schnellzug durchmißt, die dazwischen liegt. Welche Ruhe ist hier, welch toter Frieden I Die Allee endet geradenwegs bei dem Museum, das sich dem Eintritt in die eigentliche Stadt vorlagert, ein auffallender, imposanter Renaissance-Hallenbau, dessen Ecken durch überragende Pavillons gekrönt sind. Von der Freitreppe dieses Museums hat man den ersten Blick auf die Stadt, und dieser Blick enttäuscht. Man sieht eine beliebige Kleinstadt, mit winkligen, aber charakterlosen Gaffen, nichts Besonderes zieht den Blick auf sich. Grau und langweilig ist die Physiognomie dieses Bildes, eine märkische Kleinstadt hat mehr Charakter. Nur zu den Füßen blüht ein bißchen Schönheit. Da senkt sich in weitem Abstand das Gelände, das höher liegt, zur Stadt hin- unter. Und hier sind schöne Anlagen geschaffen, ruhig, still, ohne Prätension. An Raum und Platz fehlt es hier nicht, und so erstrecken sich die breiten Rasenflächen, deren Grün so warin in der Sonne leuchtet, ausgiebig dahin. Kleine Bäumchen, die jetzt in rosa Blüten- schmuck stehen, zieren den Rasen. Und ab und zu schlingt sich ein lila Band dicht am Boden wachsender Blumen in schöner, harmo- nischer Abwechselung zu gefälliger Form. Dies ist das Weiinar, das uns heute noch etwas sagt, ein Stück arbeitsamer Vergangenheit, der es gelang, sich ein Denkmal zu schaffen, dessen Größe wir an­erkennen. Es ist das Weimar   Goethes und Schillers. Und wenn wir nun noch eine Weile stehen bleiben. dann gewinnen wir auch Beziehung zu dem Stadtbilde, das tot und charakterlos vor uns lag. Gerade diese Einfachheit. dieses Für-fich-Sein, dieses Abwenden von Lärm und Protzerei imponiert uns nun. Dies ist die Stadt, die uns gleichgültig sein würde, von der wir reden, nur weil die beiden Männer Goethe und Schiller und noch andere bedeutende Geister in ihr lebten. Und alle diese Männer liebten nicht den Prunk und schufen der Stadt keine protzende Außenseite, fie liebten die Zurückgezogenheit, die Arbeit, und diese Sprache redet nun zu uns das Bild der vor uns liegenden unansehnlichen Stadt. Durch schlechte Vorbilder werden wir dazu verführt, immer bei dem ersten Eindruck nach Pomp und nach Effett zu suchen. Hier aber sehen wir etwas ganz Einfaches, ja kleinstädttsch Stilloses. Und dennoch redet von dieser Stadt in diesen Tagen alle Welt, leider viel zu viel und allzu äußerlich, wie das immer der Fall ist, wenn der Schein für das Wesen genommen wird, und der Geist der Gestorbenen dazu herhalten muß, der eigenen, schwächlichen Zeit zu dienen. So wird die Feier in den weitaus meisten Fällen zum Mißbrauch und zur Phrase. Aber auch dagegen wehrt_ sich_ die Stadt. Dieser strenge, nüchterne, reservierte Charakter, der ihr eigen ist und der etwas von Goethes Whlheit und Ueberlegenheit hat, scheint all diese oberflächliche Lobhudelei, diese Gewohnheitsmäßigkeit des Feierns zu ignorieren. In der scheinbar prosaischen Physiog- nomie der Erscheinung, der Gaffen, der Häuser, des LebenS auf den Straßen ähnelt Weimar   so mancher märkischen Kleinstadt,� Aber es liegt in dieser prosaisch-niichtcrnen Erscheinung eine Zurückhaltung, ein Betonen des eigenen Werts, das von dem Bewußtsein eigener, innerer Kultur durchdrungen ist. Wie ist es auch Weimar   ergangen! Ein unscheinbarer Flecken im Anfang, wie viele andere Städte als Stützpunkt gegen die Slaven angelegt, hat es sich nie zu irgendeiner Bedeutung emporschwingen können. Das merkt man auch allenthalben. Kein Reichtum schafft hier den Häusern prunkvolle Architekturen. Hier gibt es keiue Paläste, auch keine stilschönen, alten Bürgerhäuser. Alles ist eng, krämerhast, bedacht, rechnerisch angelegt. Nichts von einer Besonder- heit künstlerislher Kultur in alten Kirchen oder Rathäusern, wie wir es in süddeutschen Städten so im Ueberfluß sehen, wo ein Gang durch alte Gassen ein lebendiger Unterricht in der Kunst- und Sttl- gcschichte ist. Da mit einem Male wird Wieland, Herder  , Goethe, Schiller hierher berufen. Plötzlich richten sich die Augen der Mitwelt auf diese kleine, ärmliche Stadt, die kaum selbst weiß, wie sie sich zu dieser Ehre stellen soll. Sie läßt sie über sich ergehen und bleibt wie sie ist. Und nachdem dieser urplötzlich einbrechende und alles mit nie gesehenem Glänze geistiger Kultur überschüttende Frühling vorbei ist, nachdem all die führenden Geister gestorben sind, versinkt die Stadt wieder bescheiden in Nacht. Sie nährt sich von der Erinnerung an diese Zeit und wird ein Wallfahrtsort für Philologengemüter, die in der grauen Abgeschiedenheit der stillen Gaffen Gespenster   umhergehen fehen. Die Geister der Großen, denen dienstwillige Lakaien zu machen fie sich verpflichtet haben. Wie putzig wirtte Weimar   in seinen Anstrengungen, Schiller   zu feiern I Es war ein Bild, desSimplicissimus" wert. Ueberall Fahnen, schwarz-gelb-grün, schwarz-weiß-rot, an allen Häusern. Und die braven Weimaraner mit den thüringischen Kleinstadtgesichtern standen arg erstaunt da und zogen durch die Gassen in ungeschickten Festtagskleidern, als gälte es. die Kirchweih oder irgend eine Aus- stellung zu feiern. Mit der Zeit haben fie ja gemerkt, daß es sich renttert, den Klassikerrummel mitzumachen. Lebt doch die ganze Stadt davon und vornehmlich die offiziellen, geheiligten Stätten. Man wird sein Geld hier los I Ueberall muß man das Portemonnaie ziehen und man mutz die in den Schulen anerzogene Pietät teuer bezahlen. Man mutzte also etwa? tun, aus Reputatton. Zu diesem Zweck erhielt man gleich am Bahnhof gegen Erlegung von 10 Pf. ein Festprogramm. Ein allgemeiner Festzug ging unter dem Geläut der Glocken um S Uhr früh nach der Fürstengruft, Goethes und Schillers Ruhestätte. Vom Ballon des Rathauses blies eine Fanfare. Darauf wurdeFreude schöner Götterfunken  " geschmettert, während die Regimentsmusik dreinpaukte, die vorsichtigerweise erst die Melodie einmal vorspielte. An Schillers Sarg wurden Kränze niedergelegt. Auch die Feuerwehr war dabei, sämtliche Schulen, Swdenten, Be- Hörden, Geistliche folgten, und zum Schluß kam wieder eine Ab- teilung Feuerwehr. Das alles schob sich langsam über den Friedhof, an der Gruft vorbei, und die Regimentsmusik blies dazu. Schiller  würde sich gesteut haben. Mittags vereinigte man sich wieder auf dem engen Theaterplatz. Dort steht das 1357 enthüllte Doppelstandbild Goethes und Schillers von Rietschel. Zu deffen Füßen ging die Feier vor sich. Die beiden Koloffalfiguren Goethe reicht Schiller einen Lorbeerkranz sahen auf das Getriebe herunter, und manchmal schien es, als sähen sie darüber hinweg, und als zuckten ihre Lippen. Oder war es bloß die Sonne, die auf die Züge ein flimmerndes Licht warf? Da war ein Zelt aufgeschlagen; in dem saß der Großherzog. Der Platz um dieses Zell war abgesperrt und da standen die Hofchargen, die Behörden, Militärs usw., usw. Alles, was Fahnen hatte, nahm anschließend hieran Aufstellung. Und die Depu- tattonen der Studenten in ihrem vorsintflutlich und karnevalistisch anmutenden Wichs, Fcderbarett, Sttilpstiefeln und Schläger, standen ebenfalls dort. Da der Platz ein echter und rechter Klein- stadtplatz ist, so war der Raum so gut wie erschöpft, und das Publikum konnte sehen, wo es blieb. Es blieb in den Nebengaffen und gaffte neugierig hinein. Bon den Dächern, die dicht besetzt waren, schrie man ab und zu Hurra. Aus den Fenstern starrten