870— „Warum nicht?"...., „Kind, komm doch mal, bitte, Marie Luise!" rief m diesem Augenblick der Major ihr zu. «Einen Augenblick—" Mit einem Lächeln schritt sie durch den Kreis, der sich vor ihr öffnete, worauf der Maler seinen Freund in eine Ecke zog und ihn in wilder Verzückung fragte: „Ist sie nicht schön? Verstehst Du mich nun? Bin ich noch immer ein Barbar, wenn ich sie liebe? Ach lieben! Ich bete sie an! Ich schwärme sie an! Einfach vom künstlerischen Standpunkt als Form und Farbe� Malen möchte ich sie— verstehst Du— im Gainsboroughkostüm, mit einem Wind- Hund, der sich an sie schmiegt— mit einem verträumten, herbst- lichroten Park dahinter— so so— Jugend, süße Melancholie, Vornehmheit, all das in eins— und fallendes rotgoldenes Laub dazu— und in der Lust ein silberner Ton— ganz zart alles und doch farbig.— Ach Gott, ach Gott ! Ilnd sie reist ab!"— Er sprang auf, da er sah, daß der Major sich verab- schicdete. „Wir begleiten sie. Du kommst doch mit? Ich gehe einfach nicht von ihrer Seite.— Ach, Du übrigens, sag doch schnell der Gräfin noch einige Süßigkeiten über den geistigen Abend. Recht geistig und verschwommen, verstehst Tu. Je weniger sie kapiert, desto glücklicher ist sie." ES verging noch eine Weile, ehe man wirklich zum Auf- bruch kam. Nachdem Grabaus in einer Periode, über deren verzwickten, Himmelaufwärtsstrebenden, mit schwindligen Geistestürmchen und barocken Gleichnisschnörkeln, mit un- ermeßliche Horizonte eröffnenden Fenstern und magisch dunklen Kreuzgängen ausgeschmückten Wunderball er selbst beinah aus dem Gleichgewicht geraten wäre, nachdem Grabaus derart der Gräfin seinen Dank abgestattet hatte, verließ er mit einem kleinen Zettel, worauf in Hektographentinte der Vortrag des nächsten Donnerstags angezeigt war, das Haus, in weit besserer Stimmung, als er anfangs geglaubt hatte. Der prächtige Major und Marie Luise— die beiden hatten ihn mit allen übrigen Anivejenden ausgesöhnt. tFortsetznng folgt.) Grolk ßerliner Kunstausstellung. L Malerei. Es herrschen diesmal in der Allsstcllimg die Sonderausstellungen und die Kollektivvertretuugen vor. München hat fünf Säle erhalten, je zwei die Künstlergenosienschaft und die Luitpoldgruppe, einen der Verein Münchener Aquarellisten. Dresden vertreten die.Elbier". Düsseldorf ist in zwei Sälen zu sehen. Die Künstler Hau, acher, Prell, Slarbina, Jakob, Alt s-, Kampniann, Hennann, Bollmann haben je einen Saal.� Es ist dies ein Prinzip, das vorderhand unter den bestehenden Umständen der Masicndarbictung durchaus zu billigen ist, da es von dem Wirrwarr des Allzuviel befreit und dem Publikum nach Möglichkeit feste Vorstellungen und Anhaltspunkte bietet, statt ihm ein Sammelsurium vieler Namen und zahlloser Bilder zu geben. Da nun traditionsgemäß die Architektur ihren Saal für sich hat. das Kunstgewerbe anschließend daran eine ganze Reihe von Zimmern und Kojen erhielt, die Illustratoren den linken Eingangsflügcl ein- nehmen und die Schwarz-We.ß-Ausstellung die Kabinette an den beiden hinteren Rundgängen besetzt hat, so bleibt den anderen Künstlern nicht viel Raum übrig, immerhin noch vielznviel, aber gegen früher ist ein löbliches Einschränken zu benierken. Wir wollen daher zuerst einen schnellen Rundgang durch diese Bildersäle antreten und dabei die wenigen guten Arbeiten hervor- heben, die sich durch Fleiß und achtbares Können auS der Masse bemerkbar machen. Da ist zuerst im Ehrensaal Becker(7b), der mit einigem Glück den Versuch macht, ein Soldaienbild malerisch zu gestalten. Die graue Luft weht leicht um die blauen Uniformen. Klein- Chevaliers(596).Landung" ist in den Figuren lebhaft ge- sehen, das Meer aber, das weit den Horizont ausfüllt, liegt tot und beinahe nuancenlos da. In der L a n d s ch a f t ist das Streben bemerkbar, die stillere Schönheit herauszulesen und die bescheidenen, unscheinbaren Reize zu suchen. Welch ein Unterschied gegen stüher, welche Fortschritte gegenüber der frisierten Staffage und den bunt aufgeputzten Szene- rien I Die Mark erzieht dazu. Ihre stillen Farben, die so gedämpft und zart sind, fordern schon ein geübtes Auge. Und immer noch harrt sie der Künstler, die ihre wechselnde Vielseitigkeit im Bilde fest- halten.— Türcke, Engel, Dettmann, Kays er«Ei ch b e rg, Feldmann, Jülich , Matthies-Masuren, Oesteritzs- find Landschafter mit gutem Geschmack. Sie lassen sich von ihrem Motiv, das sie verständig wählen, zu einer sachlichen Schönheit behutsam hinleiten. Manchmal etwas monoton oder leise l sentimental, erzielen sie doch meist eine malerische Einheitlichkeit des Gesamteindrucks. DaS Abendlicht liegt still über dem Fluß. Häuschen träumen am Walde. Ein Kahn gleitet sacht durchs Wasser. Oder der Mondschein liegt bleich auf weißen Dächern und rieselt die Mauern hinab. Dann wieder spielt das Sonnenlicht zwischen den Blättern, und im Walde wird ein Picknick aufgeschlagen. Und die Winde spielen im Park. Ohne daß die Eigenart des Sehens besonders schroff be- tont wird, merkt man doch eine eigene Auffassung, die sich nicht vordrängt, heraus. Breit lagert der Schnee, glatt und flüssig, aus den Scheunen, am Ufer des Flusses. Und hell leuchten die Farben. Auch das Porträt findet einige verständnisvolle Vertreter. Mit absichtlicher Virtuosität ist das Bildnis einer auf dem Sofa zurückgelehnt sitzenden Dame von Cornelia P a c z k a hingesetzt. Es ist Verve darin. Fein ist das dunkle Schwarz des Umhangs. das leuchtende Rot des ShawlS, die stumpfen Farben der eingestickten Blumen. TaS Gesicht aber ist leer, und indem sich so das Beiwerk vordrängt, fehlt die Harmonie. Müller-Schönfelds Porträts erfreuen wegen der subtilen Sachlichkeit, mit der alles Detail, die Runzeln des Gesichts, das Geflecht des Rohrstuhls, das Muster der Tasse gegeben ist. Es liegr eine ehrliche Arbeit darin. Frisch mutet das dreifache Porträt der.Familie Jernberg" von Heichert an, Vater. Mntter, Tochter, die aus einer Partie im Walde begriffen, sich unterhalten. Die momentane Bewegung der drei ausschreitenden Personen hat Ivohl der photographische Apparat festgehalten. Das Frauenporträt von Hans Anker ist leicht nnd zart in den Farben, ein graues Kleid, ein blaßrotes Tuch. der Hintergrund grait. Sehr kräftig, in dem Ton und dem Vortrag an Trübner er- innernd, ist das Stilleben von Bau bell. Die Farben sind stumpf und wnchtig-breit. Ueber dem Tischtuch liegt der grüne Widerschein des Lichts unter den Bäumen. Die Aepfel, die Karaffe, der weiße Stuhl fügen sich gut dem Ganzen ein. Es liegt Eharaktcr in dem Bilde. Hans L o o s ch e n s Stilleben auS exotischen Fratzen und Skeletten sind mehr merkwürdig als schön. Zudem ist das Malerische, das darin steckt, nicht herausgeholt. Feine Interieurs mit ruhiger, stiller Luft malt Brandis , in die er meist Personen hineinsetzt, deren Konturen verschwimmen. Ein Bild von eigenartiger Farbigkeit der Landschaft und der Kostüme gibt Stahl mit seinem.Dekamcrone", eine florentinische Landschaft, von deren dunklem, warmem Grün die bunten Kostüme, die charakteristisch gezeichneten Gesichter sich apart abheben. Sehr eigenartig ist die malerische Ausfassung Karl L e i p o l d s, der Fischerboote auf See malt. Er gibt die dunstige Atmosphäre über dem Waffer in leichten, zarten Tönen, im Dunst verschwimmt beinah das Holz deS Schiffes. Nur die Segel stehen über der Fläche in grauen und roten Farben, wie losgelöst. Fem und sparsam geht er mit seinen Effekten um. Von den Ausländern sind nur der Holländer M e S d a g mit Strandbildern aus Scheveningen , der Spanier Sorolla y Bastida mit breiten, grell und virtuos gemalten Bildnissen im Freien, der Belgier Lee m Putten mit einer lichten, grünen Landschaft, in der Schafe Iveidcn, vorne eine markante Gestalt, die Hüterin der Herde, und der Amerikaner M e l ch e r S mit dem fein gemalten Bild einer Arbeiterin mit Kind, dessen braune Stofftöne gut gegen die Blässe des Gesichts stehen, bemerkenswert Vertretern Rudolf von Alt f erhielt einen Saal für sich- es sind dort Zeichnungen und Aquarelle ausgestellt, die sein Können auf den verschiedensten Gebieten zeigen. Er malt das Innere alter Dome, deren Steinwerk so fein erscheint, wie alte Spitzen. Das Licht bricht sich an den alten, bunten GlaSfenstern. Ueberall entdeckte Alt einen malerischen Reiz. Es ist eine kleine Zeichnung da, die die äußerst subtile Art der Technik verdeutlicht. Da ist Ornament neben Ornament gesetzt in zierlichster Anordnung, und dennoch geht der Gcsamteindruck des Turmes der StephanSkirche in Wien nicht der- loren. Er hat diese Kirche und den vor ihr liegenden Platz oft gemalt. Von 1834 sehen wir da ein Bild, der Turm erhebt sich über den Platz in sauberster Filigranarbeit des Details. Von 1895 dann das Innere, das Grabdenkmal Friedrich IV. in der Stephans- kirche, von lebendigstem Spiel der Farben, das hingleitet über die alten Steine, und trotz der Kleinheit von großer Raumwirkung. Dann wieder legt der Maler mehr Wert auf die zeichnerisch genaue Durchbildung und arbeitet nur mit dem Stift, auch da aber farbige Wirkung erreichend. Prelis Fresken und Plastiken sind hohl, ftotz der übertriebenen Größe. Bedeutend besser sind seine in einen» besonderen Zimmer <Saal 2) untergebrachten Skizzen. Sie legen Zeugnis ab von einem lebendigen Erfassen des Farbigen in der Erscheinung. Sie find viel- leicht für unsere Augen oft zu grell. Aber sie fallen auf durch die Leichtigkeit der Konzentration, die bildartig wirkt, aber den- noch skizzenhaft bleibt. In Bewegung und Farbe hat Prell oft ganz freie und eigene Seiten. Immer holt er mit sicherem Griff den Eindruck heraus. Ist er da vielleicht ein wenig zu sicher und bewußt, so spürt man doch wenigstens Leben und Wollen. Hier schlummern dekorative Werte, die Prell leider in ausgeführten Werken erstickt. DaS Wasser, der Strand, der weite Himmel sind seine Motive, in die er die Menschen hineinsetzt, um in dem Widerstreit von Bewegung und Ruhe den Eindruck zu sammeln. ES ist ein eigentümlich fteier Schwung in diesen Impressionen. Die Kollektivausstellung Arthur V o l k m a n n sSaal 28) ver- einigt Gemälde, Zeichimngen und Plastiken, und man weiß nicht. welche von den dreien am wenigsten zusagen. Diese Nachahmung
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22 (14.5.1905) 93
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