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Sie Tachte etwas unnatürlich und nippte aus der Tasse, darbringt, wenn man ihm nicht so fein Selbstgefühl hebt, dann wird in der jetzt mehr Rum als Tee war. ea schließlich noch ganz mutlos... und wenn es fein unter­An nehmungsluftiges Kapital mehr gibt, dann gute Nacht auch mit der Arbeit!" sich

Was ist nun weiter? Was ist an mir gelegen? einem Mädchen gelegen, ob ihm das Herz bricht? Ob es verzehrt und sein armes, junges Herz ausquält?"

Um Gottes willen, Maggie-

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" Ob's ihm wohl einerlei ist daß er mich nicht mehr liebt? Ach, warum bin ich nicht mehr liebenswürdig? Aber bedauern, bedauern sollt er mich! daß die Arme, der er sich so notwendig gemacht hatte, nun ohne ihn ihr Leben hin­Schleichen, hinjammern soll. Bedauern!

Sie sprang plöglich auf und sagte mit einer hinreißenden Handbewegung:

" Ich mag nicht von dem Menschen bedauert sein." Bor Erstaunen beinah fassungslos, schaufe Grabaus sie an. Das alles, was sie da eben gesagt hatte, tlang ihm so bekannt. Das alles hatte er doch schon gehört, er wußte in Diesem verwirrten Augenblick nicht von wem, aber gehört hatte er es schon oft. Doch Maggie brach in immer neue leiden­schaftliche Klagen aus. Sie sprach jest nicht mehr bloß, sondern agierte. faltete bald die Hände, legte sie bald beteuerno auf die Brust, schlug die Augen auf und nieder, und ihr Ge­ficht zeigte das lebhafteste, ausdruckvollste Mienenspiel. Das alles war reizend, aber sehr erstaunlich für Grabaus, halb Natur und halb Theater. Und ihre Worte hatten oft den seltsamsten Zusammenhang, flangen jetzt wie von Goethe, jetzt wie von Sardou. Dann wurde sie allmählich ruhiger, ließ fich neben ihren Freund aufs Sofa sinken und schluchzte nur noch leise.

" Sie müssen nicht schlecht zu mir sein.- Ich bin ein ernster Mensch-Sie müssen weich und lieb sein. Ich brauche Liebe. Ich bin ja so allein.- Ach. geben Sie mir noch ein Täßchen Tee."

Er reichte ihr die Tasse, und sie trant wie ein Kind von seiner Hand Dann ließ sie ihren Kopf an seine Brust sinken. Nachdem sie noch ein paar Mal kaum hörbar gefeufzt hatte, schloß sie die Augen. Grabaus saß ganz regungslos und lauschte auf ihre tiefen Atemzüge, die verrieten, daß sie einge­schlafen war. So vergingen wohl zehn Minuten. Da legte er behutsam ihren Kopf auf ein Rissen und wollte sich aus dem Bimmer schleichen. Aber als Maggie das Knacken, der Tür hörte, richtete fie sich auf und fragte ganz verwundert: Wollen Sie schon gehen?"

Ich muß, Maggie. Es ist Zeit."

So einmal in Bug gekommen, verlor sich der Oberst in alte Er­innerungen und begann auch von dem deutsch  - französischem Kriege und der Pariser Kommune   zu erzählen. Der 70er Krieg- bah, der war nichts für die Soldaten gewesen, die Niederlage brach förmlich über sie herein, man hatte gar keine Zeit, sich zu amüsieren". Aber die Kommune! Das waren die schönsten Tage meiner Soldatenzeit! Geschichten habe ich da erlebt, Geschichten... zum wälzen!" Und dann fing er an, eine unbezahlbare" Geschichte zu ers

zählen:

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" Sagen Sie, haben Sie die Baleine gefannt? Ach, nein, Gie waren ja damals noch zu jung. Also, die Baleine, das war in den letzten Tagen des Kaiserreichs eine bekannte Sototte. Warum man fie eigentlich die Baleine nannte, das habe ich, weiß der Kuckuck, niemals erfahren. Sie war nicht gerade sehr sehr schön aber ein übermütiges Ding, das den Teufel im Leibe hatte.. phantasievoll, geistreich. furzum ein Tausendsassa. Während der Belagerung und der Kommune hatte sie tapfer in Paris   ausge halten. Na, sie wird wohl ihre Gründe dazu gehabt haben! Als ich nun mit meinem Regiment in Paris   einzog ich war damals ich nun mit meinem Regiment in Paris   einzog Rittmeisterwer ist der erste, den ich treffe?"

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Die Baleine! Aufgeregt und strahlend saß fie in einem Wagen und warf im patriotischen Eifer den Offizieren Blumens Sträußchen zu. Hollah, da bist Du auch wieder, mein Junge," begrüßte sie mich. Dich schickt der liebe Gott! Weißt Du, Du fönntest mir eigentlich einen großen Dienst leisten; nicht wahr, das tust Du? Und nachher tart nur! feiern wir ein Fest... da werden wir uns' mal gründlich amüsieren!" Ich versprach ihr natürlich alles, was sie wollte. Es handelte sich darum, sie von ihren Gläubigern zu befreien. Wirklich eine Kleinigkeit in dem schrecklichen und doch auch belustigenden Wirr warr, in dem sich damals Paris   befand. Sie gab mir eine Liste mit den Adressen ihrer Manichäer. Die meisten von ihnen schwitzten natürlich Angst und hatten sich irgendwo in ihre Keller verkrochen. Juweliere, Schneider, Wucherer und dergleichen Kroppzeug. bald begab ich mich mit der Kleinen auf die Jagd nach ihnen. Sie wurden gepadt, an die Mauer gestellt habe ich auf diese Weise expediert. Ich fand die Idee der Baleine so famos, daß ich dann auch noch so eine fleine Suche nach meinen eigenen Gläubigern veranstaltete... Eins, zwei, drei... schrumm!! Ja, wissen Sie, das war noch ein Krieg!"

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Schrumm! Sechs Stück

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Ob Mirbeau   diese Erzählung wirklich aus dem Munde eines alten Obersten gehört hat oder ob die Szene eine dichterische Er­findung ist? Jedenfalls: es hat viele solche Kerle wie diesen

Ach, wenigstens noch eine Minute. Sie müssen mir doch Menschenjäger unter der Schar der Ordnungsmänner" gegeben, noch adieu sagen."

( Fortsetzung folgt.))

( Nachdruck berboten.)

Aus blutigen Maientagen.

I.

Eisenbahnbekanntschaften gehören oft zu den interessantesten, die man machen kann. Unter dem Schutze der Namenlosigkeit, losgelöst aus ihrer gewöhnlichen Umgebung, werden viele Menschen seltsam offenherzig und gestatten dem aufmerksamen Beobachter tiefe Ein­blicke in ihre Seele. Finden sie einen dankbaren Zuhörer, dann framen fie Erinnerungen aus, entrollen Pläne, phlisophieren und politisieren, schmähen und loben, wie es gerade trifft. Man spricht von einem" Jägerlatein"; häufiger noch ist ein gewisses Eisenbahn­bolapük".

die im Mai 1871 die Pariser Kommune   niedergeworfen haben. Und sie haben ihre Schandtaten unter dem Beifallsgeheul des Bourgeoispöbels der ganzen zibilisierten" Welt vollbracht! Am 24. Mai 1871 meldete einer der Spikel der Versailler   Regierung aus der heftig berannten Stadt an Thiers: Bei dem furchtbaren Unheil, das über Paris   hereingebrochen ist, gibt es im Herzen aller anständigen Menschen nur den Wunsch nach einer erbarmungslosen Unterdrückung!" Ja, erbarmungslos waren diese anständigen" Menschen, erbarmungslos haben sie das um seine heiligsten Rechte fämpfende Proletariat zerfleischen, zermebeln lassen. Im vorigen Jahre hat ein französischer Schriftsteller, Paul Ginisty  , ein Buch herausgegeben, in dem er uns Szenen aus dem Verzweiflungskampfe der Kommune schildert; die deutsche Scharfmacherpresse hat es für ihre Zwecke ausschlachten lassen und dabei zu ihren alten Lügen über jene furchtbaren Maientage neue hinzugefügt, sorgsam aber alles unterdrückt, was Ginisth zugunsten der Kommunards und gegen die Ordnungsmänner" mitgeteilt hat! Nur das eine und andere greifen wir heraus.

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Masse. Von Zeit zu Zeit entringt sich seinen bleichen Lippen ein jammervolles Stöhnen. An seinen Füßen trägt er ein Paar gute Schuhe. Ein Infanterist von der Versailler   Armee, der des Weges daherkommt, sieht die Schuhe, niet nieder und zieht sie dem Sterbenden ab, ungerührt von dessen konvulsivischen Zuckungen. Dann sett er sich auf die Bordschwelle, zieht seine eigenen Schuhe aus und probiert die geraubten. Ein altes Mütterchen geht vorüber, eine Frau mit gutherzigem Gesichtsausdruck; für den gräßlichen Anblick der Füfilierten hat sie kein Auge, mit um so größerer Auf­merksamkeit aber verfolgt sie das Beginnen des Soldaten, und das einzige, was über ihre Lippen kommt, ist die neugierige Frage: Na, passen sie?"

Unlängst hatte der bekannte französische   Schriftsteller Octave Mirbeau  , dessen Name auch in Deutschland   oft genannt wird, ein Kleines Reiseabenteuer, über das er in unserem Bruderblatte, der Am 24. Mai. In der Gay- Lussac- Straße liegen die Körper » Humanité", berichtete. Er fuhr mit einem alten Dragonerobersten von vierundzwanzig Föderierten, Beine auf dem Bürgersteig, Stöpfe gusammen und tam, wie das so geht, gar bald mit ihm ins Gespräch. in der Gosse. Einer von ihnen, ein prächtiger, großer Bursche, Ueber den russisch  - japanischen Krieg natürlich. Der gefiel dem alten ist schlecht getroffen worden und liegt noch lebend in der blutigen Haudegen ganz und gar nicht. Eir ordentlicher Krieg müsse auch ein ordentliches und leicht erkennbares Ziel haben; aber davon sei hier keine Rede: tein Mensch wisse, warum sich die Russen mit den Japanern in der Mandschurei herumschlügen, am wenigsten sicherlich die russischen Soldaten; überhaupt würden die Kriege zwischen zwei fremden Nationen in ihrem Ursprung und ihren Zielen immer un­flarer und seien deshalb entschieden verwerflich. Nur zwischen den Angehörigen desselben Voltes sei ein deutlicher Interessen­konflikt denkbar und tatsächlich vorhanden, nur zwischen ihnen tönne es daher auch zu einem richtigen" Striege kommen. Der Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit, das sei doch etwas Greifbares, Wirt­Liches; ein Streit reihe sich immer an den anderen; ganz Frankreich  sei eigentlich immer ein einziger Streifherd: da sei die rechte Ge­Legenheit für die Armee einzugreifen, mit Flinte und Säbel schneidig borzugehen. Aber leider bemühe man sich neuerdings, die Konflikte mit allen Mitteln außer dem einen durchgreifenden, nämlich der blutigen Niederwerfung der Arbeiter, beizulegen. Wenn man dem Bapital nicht von Zeit zu Beit seine angemessenen Menschenopfer

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Der diese Szene mit ansah und sie Herrn Ginisth erzählte erblickte am selben Tage in der Seinestraße einen Marine Infanteristen, der sich auf den kleinen Arkaden des Instituts de France postiert hatte und von dort aus ganz methodisch jeden niederschoß, der vorbeizukommen fuchte, ganz gleich, wer ihm vor die Flinte lief..