früblingsankunft 1905.
Bon Curt Grottewik.
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Nicht plötzlich, nicht von einer Woche zur anderen kommt bei uns der Frühling an. In manchen nördlichen Gegenden, auf dem Gebirge bricht er wirklich über Nacht herein. Da schmilzt eines Tages, allerdings womöglich erst im Mai oder Juni der Schnee, und nun lockt die warme Sonne Gras und Blumen und Laub auf einmal hervor. Es fängt alles zu gleicher Zeit an sich zu regen, und in wenigen Tagen steht der Frühling da in voller Pracht.
Bei uns ist es anders. Vom März, wohl gar vom Ende Februar an nach der Schneeschmelze, nach dem Aufhören der starken Fröste beginnt bei uns naturwissenschaftlich bereits der Frühling. Die Stare fommen und die Kibize, das Schneeglöckchen und die Hasel beginnen zu blühen. Aber das sind nur die allerersten Vorboten des Frühlings, und zwei Monate lang kommen immer neue Borboten hinzu, immer mehr, bis endlich mit dem Ausbruch des Laubes und der Blüte der Obstbäume der Lenz in vollem Schmucke vor uns steht. Zwei Monate lang tann der Einzug des Frühlings dauern. Nun ist aber bei uns gerade diese Ankunft des Frühlings, überhaupt die Dauer dieser Einzugsperiode, des sogenannten Vorfrüh lings, an feine festen Kalenderdaten gebunden. Der Winter fann bis mitte, bis Ende März währen, und dann beginnt der Vorfrüh ling erst zu dieserZeit, seine Dauer beträgt in letterem Falle also nur vier Wochen. Weniger schwankend ist der Eintritt des Vollfrühlings. Der Beginn der Kirschenblüte fällt bei uns in die Lage zwischen 25. April und 5. Mai. Nur ganz selten dürfte er außerhalb dieser Zeitgrenzen fallen. Und ebenso ist die Belaubung der Birke, Kastanie, Linde und anderer Bäume zu Beginn des Vollfrühlings an einen begrenzten Zeitraum gebunden.
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aus den Knospen, um im aufe des Monats noch ebenso wie Erlen und Ulmen zur Blüte zu gelangen. Gegen Ende März konnten win daher von einem ziemlich, wenn auch nicht übermäßig zeitigen Früh jahr sprechen. Die Lerche trällerte ihre Melodien über den Fluren bie Finken probierten ihre Lieder, die frühblühenden Bäume prangten in ihrem bescheidenen Blütenschmucke. Huflattich, Leberblümchen blühten und die Stachelbeeren, Alpenjohannisbeeren, Gaisblatta sträucher, hatten sich in ein zartes, noch durchsichtiges Grün gehüllt. Da tam der April. Er wurde sehr fühl, trüb und regnerisch und dann kam sogar einige Tage Schneewetter. Mit solch einem Schneesturm im April ist es gewöhnlich nicht weit her. Man sieht wohl die Flocken in der Luft, aber man sieht sie nicht mehr am Boden Die Erde ist um diese Zeit meist schon zu warm, als daß der Schnee auf ihr ruhen könnte. An und für sich dem Wasserstande sehr nahe, zerfließen die weichen Flocken sofort bei der Berührung mit der Mutter Erde. Und wenn nun der Schnee einmal nicht sogleich zera schmilzt, so bleibt er höchstens über Nacht liegen oder er versteckt sich hinter Häusern und Gräben, er sucht sich Nordseiten aus, wo er eine fühle Herberge findet, gewöhnlich nur eine kurze Herberge, aus der er sehr bald wieder herausgeworfen wird. So war es auch diesmak, allein nur im Anfang. Denn in der Nacht traten stärkere Fröste ein, und nun hatte der Schnee eine ihm zusagende Unterlage, und er brachte es wirklich fertig, am hellen, lichten Tage einige Zeitlang den Boden zu überziehen, sich auf die grünen Stachelbeersträucher zu legen und noch einmal das Bild des Winters hervorzuzaubern. Lange dauerte die Herrlichkeit selbst diesmal nicht, aber der April blieb bis auf die letzten Tage fühl und trüb.
war, umschwärmt.
Die Kälte rief gleich zu Beginn des Monats eine totale Stockung hervor, die größer war, wie sie wohl sonst zu sein pflegt. Alles, was zum Beginn des April zu geschehen pflegt, unterblieb und verspätete sich beträchtlich. Die Störche pflegen gleich zu Beginn des April in unserer Gegend einzutreffen. Wir bemertten In diesem Jahre hatten wir nach einem milden Winter, be- fie aber diesmal erst am 12. April. Die erste Hälfte des April ist sonders nach einem sehr zahmen Februar einen März, der eben auch die Zeit, wo der Holunder, die Rosen und viele ausländischen falls, wenn auch nicht in anormaler Weise milde war. Alsdann sette Biersträucher sich belauben. Diesmal waren sie noch weit zurüc aber ein böser, ungewöhnlich rauher April ein, während mit Beginn Um die Mitte des Monats pflegt hier die Stachelbeere zu blühen des Mai eine abnorme Hizeperiode heranrüdte. Nun hängen selbst dieses Jahr verspätete sie sich um eine Woche, und der Spikahorn, verständlich von dem Wettergange der Verlauf der Vegetation und der auf unseren Chausseen so häufig angepflanzt, sonst schon um die Erscheinungen der Tierwelt im Frühjahr in erster Linie ab. Die Mitte April im gelben Maiengrün seiner Blüten prangt, legte seinen Wärme ist es, die sich immer mehr summierende Wärme, die die Schmuck erst gegen Ende des Monats an. Die Schwalben, die sonst Pflanzen zum Treiben bringt. Bei jedem Gewächs ist eine besondere um die Zeit vom 15. bis 20. April zu erscheinen pflegen, stellten Wärmemenge nötig, um die physiologischen Prozesse in seinen sich auf meinem Hofe erst am 1. Mai ein. Kurzum, es trat in vielen Organen in Aftion treten zu lassen. hat es nach einiger Zeit in Fällen eine Stockung, eine Verzögerung um zwei Wochen ein. An der Einwirkung der Frühlingssonne diese Wärmemenge empfangen, manchen Pflanzen konnte man die Unterbrechung der Begetation so beginnt es zu treiben, eventuell zu blühen. Auch die Tierwelt sehr gut beobachten. An dem lieblichen Alpengänsekraut, das die wird nach Empfang bestimmter Wärmesummen aus dem Larven- Einfassung eines Blumenbeetes bildete, erschlossen sich in der letzten stadium und der Wintererstarrung oder dem Winterversteck hervor- Märzwoche einige Blüten. gerufen. Die Zugvögel lassen sich gleichfalls zum guzen Teil durch mild geblieben, so hätte die ganze Einfassung in wenigen Tagen über Wäre nur das Wetter einigermaßen die Wärme leiten. Mögen sie selbst durch bestimmte, noch unbekannte und über in weiß geglänzt. So aber verzögerte sich die allgemeine Anreize in ihrem Winterquartiere getrieben, nach dem Süden Blüte um Wochen. Das trübe Wetter trug wohl viel dazu bei, die Deutschlands einfallen, so warten sie doch hier, bis wärmere Witte- Deffnung der Blüten zu verhindern. Erst in der letzten Aprilwoche rung die Weiterwanderung bis in unsere Breiten geraten erscheinen blühten die Blumen vollständig, am 27. April erst waren sie auf der läßt. Wir sind in unserer Zone an ein großes periodisches an kein Höhe ihrer Blütenschönheit angelangt und wurden nun von zahla Kalenderdatum gebundenes Schwanken der Witterung, namentlich Losen Bienen, Hummeln, von Weißlingen, Zitronenfaltern und im Frühjahr, gewöhnt. Bei uns kann plöblich die kontinentale Luft- anderen Schmetterlingen, von denen nie einer vorher zu bemerken strömung, die kaltes Wetter bringt, die Oberhand gewinnen, um nach einem oder mehreren oder vielen Tagen die Herrschaft wieder an die Ebenso plötzlich wie der Beginn des April mit seiner Kälte atta milde, maritime Luftsphäre abzugeben. Dem Wetter entsprechend gerückt war, kam nun zum Schluß des Monats eine herrliche, warme, verläuft auch die Stette der biologischen Erscheinungen sehr unregelia zeitweise schwüle Witterung, die auch noch im Mai lange anhielt. mäßig. Mitunter geht die Entwickelung rasch vor sich, mitunter Ganz ungewöhnlich warm wurde plötzlich die Luft. Die Wirkung gerät sie wieder ganz ins Stocken. Darum hat keine solche biologische male wirkliches, mildes Frühlingswetter gebracht hatte, wurden am war eine ganz außerordentliche. Nachdem der 28. April zum ersten Erscheinung ein festes Datum, und die Aufeinanderfolge der Vor- 29. April nach einem leichten Gewitter am Morgen die Kastanien gänge ist Jahr für Jahr mit wenigen Ausnahmen dieselbe. Obwohl wir also an unregelmäßige Schwankungen in der in den Dörfern merklich grün, und an demselben Tage erhielte. Temperatur gewohnt sind, und bald ein Stocken, bald ein Ueber die Birkenpflanzungen zwischen Teufelsfee und Müggelsee einen hasten in der Aufeinanderfolge der Frühlingsboten beobachten, so daß man gemeint hatte, sie würden ihre Blüten dieses Jahr vielleich lichtgrünen Schimmer. Die Obstbäume, die soweit zurück waren, war doch der diesjährige Frühlingseintritt dadurch merkwürdig, daß die Stockung einen ganzen Monat über anhielt. Der ganze April erst am 10. Mai erschließen, beeilten sich jetzt nach Sträften, ihrer bis auf die letzten Tage war außerordentlich rauh. Am letzten Lage am 1. Mai, die Pflaumen am 2., die Sauerkirschen am 4., die Schmuck anzulegen. In meinem Garten begannen die Süßkirschen des März hatte ein Gewitter eine seltene Erscheinung zu dieser Birnen am 6. Mai zu blühen. frühen Zeit stattgefunden. Wenn's donnert auf den kahlen Birnen am 6. Mai zu blühen. Das merkwürdigste aber war, daß Busch, so kommt noch eine kalte Husch", heißt eine alte Bauern- dieses Jahr nun auch die Aepfel, die sonst meist erst in der Mitte regel. Nun, nach jedem Gewitter erfolgt eine Abkühlung, und im des Monats zu blühen beginnen, sehr bald den anderen Obstbäumen Frühjahr ist sie nach der Wärme, die den Gewitter vorausgeht, be- folgten und schon am 9. Mai blühten. Die große Wärme verlockte fonders fühlbar. Aber die ganze fühle Witterung des April möchten selbst Bäume, die sonst erst spät ihi Laub entfalten, zu ungewöhnlich wir natürlich nicht auf das Konto dieses Märegewitters schieben. frühem Antrieb. Die Eichen belaubten sich einige Tage früher als Jedenfalls, was immer für Ursachen, für Gründe vorlagen, der sonst. Besonders aber bekamen solche vorsichtigen Bäume wit ganze April war ungewöhnlich fühl. Einige Tage schneite es fogar Pappeln, Atazien und Maulbeerbäume, die mitunter erst gege.. und der Schnee blieb gar über Tage auf dem Boden liegen. Der Ende des Monats grün werden, bereits vor Mitte Mai ihr erstes April war aber nicht nur rauh, sondern auch ganz ungewöhnlich zartes Laub. Kurzum, nach einem fühlen, außerordentlich langsam trübe. Es herrschte nämlich nicht gerade die tontinentale Luft- vorschreitenden April entfaltete in diesem Jahre der Vollfrühling strömung vor, es war vielmehr meist eine westliche und nordwestliche eine ganz überraschende Bauberkraft. Die kurze Zeit des junge Windrichtung, die viele Regenschauer brachte. Hätte die Sonne Maiengrüns und der Obstbaumblüte war dieses Jahr schöner, überöfters geschienen, so wäre die Temperatur nicht so niedrig gewesen. wältigender denn je! Aber der vollständige Mangel des Sonnenlichtes brachte ohne doch direkt viele Nachtfröste zu veranlassen, eine große Erniedrigung der Tagestemperatur im ganzen April zustande.
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Biz Ende März hatte der Vorfrühling seinen normalen Verlauf. Stare, Kibibe, Lerche, Bachstelze, trafen zur gewohnten Zeit ein. Und auch die Pflanzenwelt regte sich seit Beginn des März. Zu dieser Zeit streckten die Espen und Weiden ihre Käkchen schüchtern
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Kleines feuilleton.
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r. Fimmel. Fuffel. Man schreibt uns: Vor einigen Tagen brachte der Vorwärts" eine kurze Notiz über eine Gerichtsverhand lung im Hannoverschen, wo der Richter entschied, daß die Nedensart Du hast ja einen Fimmel!" keine Beleidigung fei. Kura enta