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Mannes geschrieben, in dem anderen handelte es sich um ein Ach was", fagte mürrisch Katrin, es ist ja doch alles er­geliehenes Buch. Aber Frau Grabaus studierte jeden Saß, logen!" jedes Wort, als wenn es noch einen versteckten Hintergedanken enthielte. Endlich ließ fie fie langsam finken und sagte: Warum schleppst Du Dich nur mit den Dingern? Berreiß sie doch! Oder ich will's tun. Was?"

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Er hatte schon auf der Zunge, zu sagen: Meinetwegen. Denn es war ihm ein unerträglicher Gedanke, daß auch nur die Andeutung eines Verdachts Marie Luise treffen könnte. Aber als er das höhnisch triumphierende Gesicht seiner Frau sah, die in der erhobenen Hand den Bogen hielt und wie ab­fichtlich mit dem Zerreißen zögerte, um ihn zu quälen, da er­griff ihn plötzlich ein grimmiger Zorn.

( Fortsekung folgt.)]

Die Erbschaft.

( Nachdruck verboten.)

Von Lisa Wenger Ruu.

Eine gute Viertelstunde vor Heinz Brehms Heimatsdorf stand das Armenhaus, und vor dem Armenhaus stand Heinz und erzählte eine seiner Geschichten. Er verstand das, denn er war Matrose gewesen. Die meisten seiner Zuhörer wußten ganz genau, daß kein Wort daran wahr sei, aber darum hörten sie ihm doch

gerne zu.

Nur die alte Katrin Parr machte eine Ausnahme. Sie mochte dies Flunkern nicht leiden und nannte es Lügen. Einfach Lügen! Und wenn Heinz Vrehm fie auch jedesmal wütend ansah mit seinen fleinen, schlauen, lustigen Augen, fie fürchtete fich nicht und fagte es ihm ins Gesicht, wenn er wieder eine seiner Geschichten zum besten gegeben hatte:" Das ist erlogen, Heinz!"

Zuhören, das wollte sie aber doch, denn sie war halb blind und konnte nicht mehr arbeiten, und es war ihr eine angenehme Unter­haltung, erst Heinzens Geschichten zu hören und dann sich zu ärgern, daß sie nicht wahr seien.

Sie saß auf der Bank neben der Tür und schälte Aepfel . Neben ihr strickte die alte Linden- Marie, eine ehemalige Bäuerin, deren Mann an den Bettelstab gekommen, und deren Kinder sich in der Welt herumtrieben. Sie fing jeden Satz damit an:" Als ich noch Bäuerin war", und nachher weinte sie. Die Insassen des Armen­hauses flohen fie und keiner wußte mehr, womit man sie trösten sollte, darum fümmerte sich auch keiner mehr darum, wenn sie weinte, und wenn auch ihre Tränen weit über das Strickzeug rollten und auf die Erde fielen.

Dann war da noch der Steinhauer- Peter; der rauchte seine Pfeife. Von Zeit zu Zeit nahm er sie aus dem Munde, hielt sie ein Weilchen vor sich hin und sog erst dann wieder, wenn sie aus­gehen wollte. Dies tat er, um den Tabat länger dauern zu machen, denn er liebte das Rauchen leidenschaftlich und schalt den ganzen Tag auf den Hausvater, der ihm den Tabat so spärlich verabfolge. Sein Mund war ganz schief, weil er die Pfeife immer damit festhielt, und die paar Zähne, die ihm geblieben, waren glänzend schwarz ge­worden im Laufe der Jahre. Bu Weihnachten wünschte er fich Tabak und am Armenhausfest ebenfalls. Neben dieser großen Leiden­schaft hatte er noch eine fleine: Das war Geschichten erzählen zu hören, und er war es, der Heinz Brehm immer wieder aufforderte, zu erzählen, und mit der Katrin Barr in ewiger Fehde lag, denn er glaubte alles, was Heinz erzählte.

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So was tann teiner erfinden", sagte er überzeugt, denn seine Phantasie reichte nicht zu der kleinsten Veränderung einer Tatsache. Eben jetzt hörte er eifrig zu wie Heinz erzählte: Und ich in Todesangst ergriff den Rettungsgürtel, und sprang über Bord, denn die Flammen schlugen schon zu den Fenstern des Salons heraus, und der Rauch drang in schwarzen Wolken durch die Schiffstreppe hinauf. Im Wasser schwamm ein Mann herum, zappelnd und schreiend. Ich ruderte mich zu ihm hin, und half ihm sich an meinem Rettungsgürtel festzuklammeru, denn er war halb tot vor Schreck

und hatte eiskalte Hände."

" Das ist alles erlogen," sagte Katrin Barr ruhig. " Halt Dein Maul, Katrin und laß ihn doch erzählen," schrie der Peter. " Und drei Tage und drei Nächte schwammen wir im Dzean herum," fuhr Heinz fort, wir waren beide halb ohnmächtig. End­lich sah man uns von der Viktoria" aus und holte uns an Bord. Als wir wieder zu uns gekommen, tranfen wir erst drei Glas Whisky, dann schliefen wir vierundzwanzig Stunden hinter­einander. Und wißt Jhr, wer der Mann gewesen ist? Der reiche Konsul Hoffmann aus Bremen ! Er nahm mich mit in sein Haus, schenkte mir hundert Taler und beherbergte mich drei Tage." " Und wo hast Du denn das Geld?" fragte die mißtrauische Katrin.

Da lache Heinz, daß es dröhnte, schlug sich mit der Hand auf den Oberschenkel, und blinzelte mit pfiffigen Augen zu Peter hinüber.

Du, Peter, das Frauenzimmer frägt, wo das Geld sei, jetzt, nach fünfzehn Jahren!"

Erlögen? Das will ich Euch gleich zeigen, ob das erlogen ist!" So! Erlogen?" rief nun aber doch erbost der alte Matrose. " Er humpelte ins Haus und brachte bald eine sonderbar ge­formte Pfeife daher und wies sie seinen Zuhörern bor.

" Da, das hat mir der Konsul gegeben, als ich ihn das letzte Mal besucht habe. Und zehn Thaler extra hat er mir gegeben, weil ich das Unglück hatte mit meinem rechten Arm und nicht mehr arbeiten konnte." Andächtig besah Peter die Pfeife. Laß mich auch einmal daraus rauchen," bat er.

Darauf ging er mit dem schönen Stück ins Haus, und die anderen Wenn ich tot bin, sollst Du sie haben, sagte Heinz feierlich.

zerstreuten sich.

Einige Tage darauf brachte der Postbote einen großen, gelben Brief ins Armenhaus. Er war an Heinz addressiert. Alles kam gelaufen und stand um Heinz herum. Auf dem Stempel stand: Kreisamt Kronstadt.

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Donner, Donner, was kann nur in dem Brief stehen," frug beklommen der alte Matrose, und fuhr sich krampfhaft durch seinen rund geschnittenen, schneeweißen Bart. Er zog darauf ein großes Messer hervor, und begann langsam damit den verdächtigen Brief zu öffnen.

Mittwoch, den 25. Juni 1903, auf dem Kreisamt Kronstadt einzu­ Der Mt- Matrose Daniel Heinz Brehm wird aufgefordert, fich finden. Das Kreisamt."

" Das bin ich, der Alt- Matrose Daniel Heinz Brehm bin ich," fagte der Alte, da werde ich wohl gehen müssen! Teufel, Teufel, ich habe doch nichts Unrechtes getan!"

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Wer weiß," sagte giftig Katrin," er hat vielleicht einmal einen totgeschlagen, der Lügner!" Und die Linden- Marie begann: Als ich noch Lindenbäurin war, da hat mein Seliger auch einmal vor Gericht müssen..." Aber die andern schnitten ihr das Wort ab, und fie weinte unbeachtet in ihre Schürze. Der Peter aber war am schlimmsten dran. Er konnte sich gar nichts ausdenken, und darum lief er im Krautgarten auf und ab, fuhr sich über seinen kahlen Schädel und seufzte, denn er war in Sorge um seinen Freund.

Der Mittwoch tam, und Heinz machte fich fertig, um auf das Gericht zu gehen. Er hatte seinen besten, dunkelblauen, vielgeflicten Matrosenanzug hervorgeholt, einen weißen Strohhut aufgesezt, und eine rote Nelke hinters Ohr gesteckt. Die Pfeife vom Herrn Konsul trug er in der Faust.

So trat er aus dem Hause und machte sich auf den Weg nach Kronstadt. Die ganze Gesellschaft begleitete ihn, und nahm nach einer halben Stunde von ihm Abschied. Wehmütig reichten ihm alle die Hände, auch die Katrin Parr, denn sie mochte Heinz im Grunde wohl leiden.

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Adjüs auch, Heinz, adjüs auch, Heinz," erscholl es im Chor. Heinz ging langsam weiter, es eilte ihm nicht, nach Kronstadt zu kommen. Nach zwei Stunden war er dort und eine Viertelstunde später stand er im Saale vor dem Staatsanwalt, wo er als Zeuge vernommen werden sollte, eine Schlägerei betreffend, bei der Heinz zufällig zugegen gewesen war. Er hatte die Sache längst vergessen gehabt und atmete erleichtert auf, als er nach einer Stunde wieder dte Treppe hinunter stieg, die zu den Gerichtsfälen führte.

Stummelpfeife aus der Tasche, fetzte sich auf einen Baumstumpf, Auf dem Heimwege pfiff er fröhlich vor sich hin, zog feine ber am Wege lag, und fing an zu rauchen. Dabei flog ein luftiges Lachen über sein Gesicht, es war ihm ein Einfall gekommen! das Haus herum. Der Peter hielt feine Pfeife, die ihm ausgegangen Die alten Männlein und Weiblein standen und saßen still um war, zwischen den Zähnen. Die Katrin sah besorgt von Zeit zu Zeit nach der Landstraße. " Da kommt er," schrie sie plöglich. Alle humpelten dem Matrosen entgegen.

Was war es, was hat's gegeben?" riefen sie erwartungsvoll. Heinz stand still, stellte seine Beine weit auseinander, schlug sich mit der Faust auf die Brust und sagte:" Daß ich eine Erb­fchaft gemacht habe, das hat's gegeben!" die Kraft zu sagen, daß alles Lügen feien. Sprachlos starrten ihn alle an. Katrin Barr hatte nicht einmal

brachte.

Teufel, Teufel," war alles was der Steinklopfer- Peter heraus­Kommt in den Garten," fuhr Heinz fort, dort erzähle ich Euch!"

Als sie im Garten waren, ertönte die Eßglocke, und die Neu­gierigen mußten sich erst in die lange Eßstube begeben, wo auf fauber gefegten Tischen eine Reihe zinnerner, mit fräftig riechender Suppe gefüllter Teller standen. Heinz war hungrig und begann zu effen, aber den anderen war im Gegenteil aller Hunger vergangen, vor lauter Neugierde und Ueberraschung.

" Der Heinz hatte geerbt! War es denn möglich! Von wem, wie viel?" Zwischen jedem Löffel Suppe, den sie aßen, sahen sie hinüber zum Matrosen, der mun pfiffig blinzelnd und gewichtig da saß, mit der einen Hand auf dem Tische trommelud, und den Daumen der anderen im Westenausschnitt.

Sie beißen an," dachte er. Kaum war der letzte Löffel Suppe hinuntergeschluckt, das legte Stüd Brot gefaut, als alle hinaus­gten. Unter der Türe hießen sie respektvoll Heinz vorangehen,