Fürsien erlebt hatte. Grabaus aber saß Labei als Fremder und Ueberflüssiger. Es fiel ihm nicht auf, welche heldenmütige, peinliche Anstrengung sie diese Unterhaltung kostete, wie sie manchmal, ohne ihre fröhliche Miene zu verziehen, mit heim- licher Hast den Nagel ihres Zeigefingers gegen die linke Schläfe preßte, hinter der ein nervöser Kopfschmerz bohrte und stach. Fremder und ferner wurde seinem inneren Gefühl sie, die lachte und eine Geschichte an die andere reihte, wäh- rend er sich an innerer Erregung, an Hoffen und Bangen, Wollen und Zweifeln vor der nahen Entscheidung verzehrte. Und als nun endlich die Stunde des Aufbruchs wirklich gekommen war, geschah etwas, was wie ein glühender Regen von Asche und Staub seine Seele verfinsterte. Während der Graf, Ueberhang, Sonnenschirm und Pompadur in der Linken, mit der Rechten nach einigem Kleingeld für den Pikkolo suchte, sagte die Gräfin zu Marie Luise, sie würde keinesfalls dulden, daß diese etwa noch mit zum Bahnhof ginge, Herr Doktor Grabaus würde so liebenswürdig sein, die Baronin nach ihrem Hotel zu begleiten, Marie Luise aber müsse sich sogleich nieder- legen, da sie Rekonvaleszentin und überhaupt von dem langen Tag gewiß gänzlich erschöpft sei. Und Marie Luise nach kurzem Zögern willigte ein, ließ Grabaus, der ihr kalt die Hand gab, gehen, indem sie sagte: Auf Wiederschen! Bleiben Sie nur nicht so lange!" Die Baronin war eine sehr redselige Dame und sprach, nachdem sie die ganze Zeit über nicht recht aufgekommen war, so ohne Unterbrechung und zwar desto schneller, je näher sie ihrem Hotel kamen, daß sie von der Geistesabwesenheit ihres Begleiters nichts bemerkte. Nachdem Grabaus sich verabschiedet hatte, setzte er sich auf eine nahe Bank, unter der Last seiner Seele erliegend. Das alles ist ja nicht wahr, ist eine Folge meiner überreizten Nerven, dachte er und preßte niit aller Gewalt die Hand gegen seine Stirn, qls vermöchte er dadurch den schwarz aufsteigenden Fluten einen Damm entgegenzusetzen.... Sie konnte nicht anders handeln als sie tat, konnte nicht ihre Verwandten fort- schicken, die Baronin allein gehen lassen oder mich später noch erwarten. Aber wie ist das möglich, daß sie nicht fühlt, was in mir vorgeht, nichts sieht, nichts ahnt?! So fremd bin ich ihr! Und sie?... Im Augenblick, wo er sie sich vergegen- wärtigte, stand sie vor ihm, in all ihrer Körperlichkeit, nur daß nicht wie auf den Bergen der Strom ihres geistigen Wesens ihn umwirkte, dieser aufwärtstreibcndc, flügelver- leihende Strom. In all ihrem sinnlichen Zauber war sie da, verwirrend und ängstigend, die schlanke Gestalt, deren Glieder in raschelnde, mattrosige Seide gehüllt waren, über die ein durchsichtiges, blumenbesticktes Schleiergewebe floß..,, s Fortsetzung folgt.) Gleims feulllctoii. vrr. Dlckkopfs erste Jugend bis zur Lehre. Erst bor ungefähr drei Monaten wurde er in einem Lumpenleller auf einem Lager aus weichen Lappen aller Art geboren. Er hatte noch drei Geschwister, aber er war der stärkste und schönste, hatte einen Weißen Fleck aus der Brust und vier weiße Pfötchen. Es war warm und behaglich auf der Welt, deim er lag an der Mutter Brust und diese gab reich- liche Nahrung. Zuerst wurde er bisweilen, gerade wenn er eine Zitze zu fassen hatte, von einer anderen kalten Nase hinweggeschuppst, aber das dauerte nur ein paar Tage. Dann hörte das Geknabbel neben ihm auf, und er konnte saugen, wo er wollte. Man hatte die kleinen Brüder weggebracht. Manchmal aber nnißte er dennoch der- gcblich suchen, wenn er austvachte. Doch dann fühlte er zarte, weiche Hände seinen Rücken und seinen Kopf streicheln und hört« eine helle, liebkosende Kinderstimme. Das entschädigte ihn. Räch einer Weile kam dann die Mutter zurück, brachte freilich unangenehme Kälte mit, so daß er zusannncnschauerte. Dies kam an jedem Tage ein paannal vor. denn Mütterchen mußte am Handwagen gehen, und draußen war noch rauhes Wetter. ES war unangenehm, wie gesagt, aber die gereichte Brust machte alles wieder gut. Im ganzen war es also wann imd behaglich, und eines Tages, gerade als er wieder mit seiner schwachen Hundestimme nach semer Mutter winselte und eine weiche Hand unzähligemal sein Köpfchen streichelte, um ihn zu deruhigen, geschah etwas Merkwürdiges: es war als ob ein schwarzer Vorhang allmählich in die Höhe gezogen wurde: es wurde hell. Das erste, was er mit seinem anfangs noch trüben Blicke sah, waren zwei Kinderaugen, die vor Freude strahlten. Darauf großes Geschrei: Mutter, unser Dickkopf hat Augen gekriegt, komm' mal schnell Herl  ' Nun wurde es noch einmal so schön auf der Welt. Er torkelte zwar immer noch unsicher umher, aber bald wurden die Beine stand- fester, so daß er beim Spielen und Umhertollen mit Fritzen-der- selbe, der ihn immer gestreichelt hatte, als es noch dunkel war nur noch selten umfiel. Das schadet aber nichts, denn dann lachte Fritz so unbändig, daß er fich selbst mit freute. Am meisten Spaß machte eS, wenn Fritz ihn mit auf die Straße nahm, weil es dort viel geräumiger war und noch andere kleine Knaben mit ihm spielten. Denn alle wollten sich halbtot über ihn lachen und alle waren gut zu ihm. So verging eine geraume köstliche Zeit voller Lebenslust und in dieser Zeit wurde er zusehends immer größer und stärker. Dickkopf hatte seine Säuglingstage hinter sich; er war groß geworden. Da geschah es eines Abends, daß ein rußiger schwarzer Mann kam, einige Worte mit Fritzens   Vater wechselte, zwanzig Mark auf den Tisch legte und Dicktopf an der Leine mit auf die Straße nahm und ihn weit wegführte. Alle standen an der Tür und sahen ihm nach, und der arme Fritz iveinte, aber ganz anders, als wenn er gelegentlich Haue oder Schelte bekam.Du sollst unfern Fritze nicht mitnehmen, Du!' rief er dem schwarzen Manne nach. Hierüber lachte der Vater noch, aber die Mutter nicht. Wenn Dickkopf auf die Seite gehen und umherschnüffeln wollte, zog der schwarze Mann etivas unsanft an der Leine und riß ihn brummend mit sich fort. Das hatten die Knaben und Fritz beim Spielen nie gemacht. Oder wenn sie es taten, tat es wenigstens nicht web, denn es war nicht böse gemeint. Dickkopf trollte also halb gezwungen weiter, bis fie endlich an einem Hause ankamen, wo der schwarze Mann Halt machte. Eine schwarze Frau stand vor der Tür und nahm Dickkopf mit in den Keller himmter.Ist das aber ein hübsches Tier I' sagte sie. Im Keller war es dunkel und ganz schwarz von Preßkohlen. Dort in einer Ecke bei einem Haufen gespaltenen Holzes lag ein großer, schmutziggelber Hund ausgestreckt, ebenso groß war er wie die Mutter. Hier wurde Dickkopf angebunden. Nachdem die ersten Begrüßungsfeierlichkeiten, die unter Hunden Sitte sind, vorüber waren, fand es sich. daß der ältere neue Kamerad gerade nicht abstoßend, aber doch etwa? brummig war und sich vor allen Dingen nicht rühren mochte. Das empfand Dickkopf schmerzlich, er dachte an. Mütterchen und Fritzen, und Nach einer Weile begann er nach Hundeart jännnerlich zu winseln. In seinem Schmerze brachte die Frau ihm trocken Brot und klares Wasser. Das schmeckte aber nicht, denn zu Hause war immer etwas Milch zwischen dem Wasser, so daß es weiß oder wenigstens bläulich aussah. Außerdem goß Fritz noch immer einen Schuß aus seiner Tasfe dazu. Als er daher fortfuhr zu winseln, hörte er schwere Schritte herankommen und fühlte bald von einer rauhen Hand ein paar unangenehme Püffe, die ihn in seiner Sehnsucht und Verlassenheit nicht zu trösten vermochten. Es war der erste große Schmerz, den er erlebte, der Schlaf kam nur langsam,«S war eine schreckliche Nacht. Beim ersten Morgengrauen wurden er und sein Kamerad hinausgeführt auf die Straße, der Kamerad in die Sielen getan und vor den Wagen gespannt, um Kohlen zu holen, und Dickkopf lvurde vom Kohlenhändler, der mit der rechten Hand ziehen half, mit der linken Hand an der Leine geführt, um eingefahren zu werden. So traf ich fie an den Kohlenplätzen in der Bomberger- stratze. Glückliche Jugend I Der Schmerz der vorigen Nacht war bald durch dies neue und unerhörte Ereignis im Leben Dickkopfs ver- wunden und verlebt. Denn lustig trabte er emher, mit halb auf- gerichteten Ohren auf alles achtend. Aber warte, das ist der erste Weg in der Lehre und es sieht noch wie Spiel aus, aber bald bekommst auch du die Sielen und wirst fie erst ablegen, wenn du alt und abgerackert bist, du Prole- tarier unter den Hunden l Vom Arrztevercin zu Ephesus  . Im vergangenen Herbst sind bei den großen österreichischen Ausgrabungen zu Ephesus   eine An» zahl Inschriften gefunden worden, welche von eigenartiger Bedeu- tung sind für die Geschichte des ärztlichen Standes im Altertum. Die Steine, die soeben in den österreichischen Jahresheften von I. Keil herausgegeben sind, rühren her von dem Aerztevercin zu Ephesus  , der sich nannteDie Aerzte vom Museum' und demnach in nahen Beziehungen stand zu dem Museum der Stadt, das nach dem Lorbilde des alexandrinischen Museums eine Art Mittelpunkt des geistigen Lebens der Stadt bildete, nach dem auch die höheren Lehrer der Stadt ihren Verein benannten. Bisher war der ephesische ärm­liche Verband nur aus einem Grabstein bekannt, der auf Vereins- kosten einem Mitglied« und seiner Frau errichtet worden war. Um so interessanter ist es, aus den neuen Steinen zu ersehen, in welcher umfasseikden Weife der Verein bemüht war, die Interessen des Stan- des zu vertreten und zu seiner Hebung kräftig beizutragen. Es sind öffentliche Bekanntmachungen des Vereins, die uns nunmehr vor­liegen, aufgestellt wahrscheinlich in dem noch nicht aufgefundenen Vereinshause, das gewiß in Verbindung stand mit einem Heilig-. tunl des Aerztegottes, des Asklepios. Sie beginnen alle mit einer genauen Datierung durch den gerade amtierenden Priester des As- klepios, den derzeitigen Vercinsvorsitzenden und den Leiter der Wett» kämpfe. Denn um Wettkämpfe.   veranstaltet durch den Aerztevercin, handelt es fich, deren Sieger auf den Steinen verzeichnet stehen. Freilich sind es nicht Wettspiele zur Feststellung körperlicher Tüchtig- lest und Ausbildung, sondern die Preise wurden erteilt für hervor« ragende berufliche Leistungen. Tarauf führen die Namen der ver» schiedenen Wetltämpje. Man konnte Sieger sein in der. Chci>.v.prüia,