tß nun mit Gewalt zurückhalten mochte.„Und ich bin gesund und stark, Gazdal".. „Vielleicht, wenn wir eineZ annehmen taten? Von Deinen Leuten, Ludmilla?"■ Sie tat die Hände fort. Sehr bestimmt und feindselig sah sie ihn an.„Damit darfst Du mir nicht kommen. Gazda! Ein Kind sich nehmen? Das ist Unsinn und ist eine Sünde. Das könnt' ich gar nicht lieb haben. Denn es muß mein sein. ganz mein, sonst ist's, wie wenn man sich einen jungen Hund kauft oder man läßt sich ihn schenken. Man hul ihn eine Zeit lang, und spielt mit ihm, und g#** wenn er nicht mehr da ist. no � �uuft man sich halt wieder einen, und hat man den gern gehabt, so wird man den auch lieb haben— t'mQn a6er Ludmilla, mein Seelchen?" ",Uix tut man. Einander in Ruh' lassen!" „Man könnt' vielleicht eine Wallfahrt machen?" „Meinst?" Das war voll Zweifel und einer Hoffnung, die sich nicht mehr recht vorwagt.„Meinst? Aber dann müßtest Du mit. Aber— jetzt lass' mich allein. Jetzt kann ich Dich nicht seh'n. Keinen Menschen kann ich nicht seh'n." Er blieb ein Weilchen allein. Aber die Tür zur Küche ließ er offen und hörte sie wirtschaften und zwischendurch ihr Singen anheben und es wieder abbrechen. Dann brachte sie Licht und ein Schüsselchen und stellte beides mit einem harten Schlag vor ihn hin. Sie sah ihm zu, während er nachdenklich und ohne Hunger so herumlöffelte in der Milch und nahm selber keinen Bissen zu sich. Er sah ziemlich fassungslos vor sich hin. Und plötzlich fühlte er ihre Arme npi seinen Hals... „Halt' mich, Gregor! Oder es nimmt mich von Dir." Und ihr ganzer Körper bebte in der Leidenschaft und in unterdrückten Schmerzen. „Hast mich denn gern, Ludniilla? Jmnier noch?" „Sehr gern," nickte sie ernsthaft und traung.„Und das ist ja das Unglück für uns." „Das versteh' ich nicht." „Ich schon. Ich schon.". Er zog sie immer enger an sich und strich ihr rauh iibcr die Hand und die Wangen, und ihr ward sehr weich dabei, wie sie sich so inimer näher und inniger an ihn schmiegte. Und so saßen sie eine gute Weile beisammen: zwei Menschen, die sehr aneinander hingen und sich dennoch zu verlieren fürchteten. Denn so nahe sie diese Stunde wieder verband, zwischen ihnen, traurig und unensrinnlich, saß schon das und räkelte sich immer machtvoller, was sie schied. Und wie sie so an seiner Brust gelegen ist, ganz hingezogen und hlllflos vor ihrem Kummer, der sie geschüttelt hat, wie eine Katze eine arme Maus schüttelt, da ist sie dem Gregor sehr hülfsbcdürftig vor- gekommen, hlllfsbedürftig und zu bedauern, und sehr schön und auch sehr jung, und er hat sich wieder einmal als der Stärkere gespürt. Es wäre vielleicht ein Glück gewesen, hätte der Gregor dieses Gefühl festhältett und durchführen können. Denn ein Weib, und sei es noch so gut geartet, braucht doch einen Meister, gar wenn es seiner, selbst unsicher zu werden beginnt, damit es sich halten kann an ihm. So aber hat er der Ludmilla bald wieder in jeglichem nachgegeben, und sie hat sich gegen ihn und seine Gutheit wieder zu verstocken angefangen. Sie haben Wallfahrten ge- macht, wohin immer wer gemeint hat, daß man sich in solchen Fällen wenden kann, haben Opfer gebracht und beten lassen. (Fortsetzung folgt.) (Nachdruck verboten.) Im Omnibus. Von Arthur Bern öde. Autorisierte Uebersetzung aus dem Französischen. Herr Espert, Reisender der Seidenwarenfirma Durand& Cie.. hat eine längere Geschäftstour durch Frankreich gemacht und kehrt nun nach Paris zurück, da» Herz von Wonne geschwellt bei dem Ge- danken, daß er binnen weniger Minute» seine teure, heißgeliebte Gattin, die schöne, sanfte Anastasia in die Arme schließen wird. Herr Espert, der im übrigen der beste Mensch der Welt ist, hat zwei große Fehler, zwei kapitale Untugenden: er ist sehr eigensinnig unb sehr geizig. Er zittert vor Verlangen, feine Gattin in die Arme zu schließen: auf der anderen Seite aber flößt ihm der Gedanke, drei Frank für eine Gepäck- droschke ausgeben zu müssen, um sich und seine umfangreichen Koffer möglichst schnell zum ehelichchr Doimzll befördern zu lassen, einen tiefen Abscheu ein. Das Resultat dieses stummen, aber nichts« destoweniger äußerst erbitterten Kampfes ist ein heldenhafter Eni» schluß, der beide Jnteresien in gleicher Weise berücksichtigt: Herr Espart wird per Omnibus nach Hause fahren und sein Gepäck auf dem Bahnhof lassen, von wo es am nächsten Morgen durch den Ge- schäftswagen der Finna abgeholt werden kann. Eiligen Schrittes steigt Herr Espert aus dem Zuge, verläßt den Vahiiyos und begibt sich zur Omnibusstation der Linie Westbahnhof— Montrouge . Da er aus dem Boulevard Arago wohnt, wird er in kaum 25 Minuten bei seiner heißgeliebten Anastasia sein. Er betritt das Omnibusburean, das von Reisenden erfüllt ist— es ist 6 Uhr abends—, nähert sich dem Schalter und ruft: „Ein Billett nach Montrouge , bitte I" Der Beamte(welcher äußerst langsam, mit einer peinlichen Umständlichkeit, die einer besieren Sache würdig wäre, seinen Dienst versieht):„Bitte einen Augenblick I— Immer einer nach dem anderen, nicht wahr?" Espert:.Aber ich hab's sehr eilig I" Der Beamte:»Sie sehen wohl, daß noch Leute vor Ihnen sind?" Espert:.Gewiß— aber wenn Sie sich ein bißchen beeilen möchte» l" Der Beamte(gallig):„Oh! Deshalb kommen Sie doch nicht schneller heran."(Gibt ihm schließlich ein Billett.)„Dal.., Herr Eilig I" Espert:.Sie sind nnverschämt 1" Der Beamte:.Unverschämt sind Sie I" Espert:„Ich? Ohl Das ist abe� stark!" Der Beamte:„Nun, wenn es Ihnen nicht paßt—" Espert:„Nein, es patzt mir absolut nicht I" Der Beamte:„Wenn man so penibel ist wie Sie, mein Herr, dann nimmt man eine Droschke." Espert:„Einstweilen geben Sie mir das Beschwerdebuch!" Der Beamte(voll souveräner Verachtung für das Beschwerde« buch):„Hier, bitte!" Espert(taucht die total verrostete Feder in graugcfärbtes Wasser und verfaßt folgende Beschwerde):„Herr Direktor, ich habe die Ehre, Ihnen mitzuteilen, daß ich schwer beleidigt bin von einem Beamten Ihrer Gesellschaft, den ich in aller Höflichkeit uni ein Billett gebeten habe. Als er meine Bitte mit einer offenkundigen Gleichgülligkeit beantwortete, habe ich mich für berechtigt gehalten, ähn um eine etwas promptere Bedienung zu ersuchen, da ich eS in der Tat eilig hatte, meine Gattin zu umarmen" usw. Herr Espert füllt auf diese Weise drei Seiten des Beschwerde- buche», dann begibt er sich, sehr befriedigt durch den Gedanken, daß Recht doch Recht bleiben müsse, zum Omnibus. Ein Wagen hält gerade., Der Schaffner(rufend):„Nummer 26. 27, 28." Espert(sein Billett schwingend):„Verzeihung, ich habe 999." Dep Kontrolleur:„Grünes Billett? Die andere Serie. Sie kommen zu spät. Sie müssen warten, bis Nummer 999 wieder Espert:«Na hören Sie mall Machen Sie keine faulen Witze!" Der Kontrolleur:„Ein Beamter macht im Dienst über« Haupt keine faulen Witze." Espert:„Sehr schön I Aber ich hab's eilig. Lassen Sie mich einsteigen I" Der Kontrolleur:„Wenn Ihre Nummer herankommt." Espert:„Aber das ist ja Blödsinn l Das—" Der Kontrolleur:„Sie hätten aufpassen sollen l" Espert:„Aber ich war—" Der Kontrolleur:„In der Kneipe, ich weiß schon I" Espert:„Sagen Sie doch lieber gleich, ich sei betrunken 1* (Das Publikum beginnt zu murren.) Der Kontrolleur:„Wollen Sie mich jetzt meinen Dienst tun lassen, ja oder nein?" Espert:„Ich werde mich beschweren." Der Kontrolleur:„Bitte sehr!" Herr Espert kehrt wütend ins Bureau zurück, verlangt ein zweites Mal daS Beschwerdebuch und schreibt eine neue, fünf Seiten lange Beschwerde nieder. Dann kehrt er zur Station zurück, auf der gerade ein Omnibus hält. Der Schaffner(rufend):„Nummer 445, 446, 447." Espert:„Ich habe 999 grün." Der Kontrolleur: Nummer 999 grün? Dann müssen Sie warten, bis—" Espert:„Eine Stunde warte ich schon. Jetzt Hab' ichs aber satt I Ich steige ein I"(Er will mit Gewalt in de» Omnibus hinein. Schaffner und Kontrolleur suchen ihn daran zu verhindern.) Stimmen aus dem Publikum:„Hallt ihn l Zur Wache' Schutzmann l" Ein Schutzmann(zu Espert): Machen Sie hier keinen Skandal I Setzen Sie sich!" Espert:„Wo denn?" Der Schutzmann:„Wo Sie wollen." ' Der Kontrolleur(sich schließlich Gehör verschaffend) i „Der Herr soll ein anderes Billett lösen, dann kann er mit dem folgenden Wagen fahren." Der Schutzmann(zu Espert):„Da hören Sie's! Die Sache ist doch sonnenklar l Was machen Sie solchen Skandal?"
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22 (9.7.1905) 131
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