fn ieScr Wunde eine geheime Anziehungskrast und sie zwingt gu immer neuer Betrachtung. Nun ist der Grund, der einmal den Hajduks gehört hat, wieder zu verkaufen, wei' sich niemand darauf behauptet hat. lUnd eigentlich hat der Gregor Gazda im Sinn gehabt, ihn zu erhandeln, so im dunklen Gefühl, als könnt' er der Ludmilla damit eine Freude machen oder sie würde ruhiger und vielleicht gar gesund, säße sie als Frau erst wieder dort, wo sie ihre Kinder- und ihre besten Jahre verbracht. Und er war reichlich wert, was man dafür gefordert hat. Er hat aber mit sein-'.n schweren Kopf und wohl auch mit seiner Unschlüssigkeit, weil er sich nicht mehr zu fragen traute und so nie mehr wußte, ob es das Rechte sei, was er in der besten Gesinnung unternahm, den Termin verpaßt, und so ist das Häuschen mit dem bisset recht elenden Feld, wo man selbst den Erdäpfeln sehr schön zureden mußte, damit sie sich über- Haupt zum Wachsen entschließen, einem Fremden sehr billig, eigentlich nur um die Steuerschuld, zugeschlagen worden. Der Gregor hat das seiner Frau erzählt und dabei mehr Worte gemacht, als nötig oder als die Keuschen Kreuzer ge- kostet hat, weil er immer noch glücklich war, wenn er mit ihr reden konnte und sie ihm nur ruhig zugehört hat. Sie hat getan, wie wenn sie das gar nichts anginge. Weil es aber gerade ihnen gegenüber war, so hat sie die Zuzügler kommen sehen und ihnen, die Arme breit in den Hüften, zugeschaut, wie sie abluden und sich einzurichten anfingen. Das Pferdchen, welches die Karre gezogen hat, war klein Und abgetrieben. Ein schwarzer Spitz ist nebenher gelaufen und hat manchmal getan, als ob er den Gaul zwicken wollte, wenn er gar nicht weiter mochte, und hat es sonst sehr eifrig gehabt, dem ganzen Dorfe vorzukläffen, wer da aufzog. Und aufgeladen hatten sie einen Kram, wie man ihn noch nie bei- sammen gesehen hat: als wäre Stück für Stück zusammen- gebettelt, und wie man's ihnen geschenkt, so, ohne etwas zu richten, hätten sie's in Gebrauch genommen, daß es natürlich immer abgestoßener und miserabliger wurde. Wie Zigeuner und nicht wie ordentliche Bauersleute sind sie dahergekommen. Und unter dem Plunder und Geriimpel sind vier Kinder gesessen, ganz glücklich und stolz, und die kleinen zwei haben gejauchzt und in die Hände gepatscht vor lauter Seligkeit, nur weil sie gefahren sind, und die größeren haben sich wichtig ge- wacht mit Zurufen für das Pferd. Und zunächst hat sich die Ludmilla geärgert; denn ihre hätten gewiß keinen solchen Spektakel gemacht und gewußt, wie man sich benimmt. Je besser sie sich sie angesehen hat, desto hübscher sind sie ihr aber vorgekommen. Denn sie waren es wirklich, und sauber ge- wachsen waren sie auch. Der Mann hat die Sachen abgeladen, und geholfen dabei hat ihm ein kleines Frauenzimmer, so zwischen Schule und Dienst, wo sie eingentlich noch zu nichts gut sind und nichts können, nur in einem fort stolpern, ohne gu fallen. Die größeren haben sich mit Handreichungen nützlich ge- macht, so gut sie's eben konnten. Der Mann entfernte sich mit dem Pferd, das er wohl geliehen hatte und nun zurück- bringen mußte. Die zwei kleinen aber sind auf der Schwelle gesessen und haben sich nicht gerührt und nicht gemuckt durch lange Stunden. Sie waren einander an Größe und allem so gleich, daß man sah, es waren Zwillinge, ähnelten einander sehr und waren eines die Umkehrung des anderen. Den Hund haben sie mit den Händchen gehalten am Halsband, und er ist manchmal an ihnen aufgesprungen und hat ihnen auf seine Weise so ungestüm schön getan, daß sie sich überschlugen, vor Vergnügen krähten, während vier dicke Beinchen in der Luft strampelten. Wie aber die Zeit vergangen ist, und es hat sich niemand um sie umgeschaut und sie haben nichts zu essen be- kommen, so sind sie traurig geworden und haben sich doch durchaus in keiner Weise getraut, sich zu melden. Halt— die haben schon viel und mehr als genug Schläg' bekommen, daß sie so folgsam sind, dachte sich die Ludmilla. Ja. sie hatten offenbar keine Mutter mehr! Und ihr Herz schwoll wieder vor Leid über die Ungerechtigkeit, daß diesen die Mutter genommen sei, deren sie noch so sehr und so lange bedurften, daß ihr das Kind vorenthalten wurde, nach dem sie so mit allen Kräften ihrer Seele verlangte und das sie so gu hegen wünschte. Und in ihrem guten Herzen hat sie einen Napf Milch genommen und hat weißes Brot hineingeschnitten und das Ganze hinübergetragen. Die Zwillinge sahen sie groß und mit begehrlichen Augen an und machten sich dann darüber her, heißhungrig und dennoch verträglich. Ueber ein Weilchen kamen sie, brachten die Schüssel und dankten ganz artig. Es ist nicht das erstemal, daß sie ihr Futter an einer fremden Tür holen, drängte sich der Frau dabei auf. Und wie sie zurück über d/e Straße mußten, so nahmen sie einander bei den Händen und gingen vorsichtig und bedächfig, wie eben Kinder tun, die sich sehr freuen, daß sie es schon können, aber noch nicht ganz sicher sind. Gegenüber aber saß der Hund, dem man das Mitkommen verboten; und seine rote Zunge hing ihm aus dem Maul, und er sah aus wie ein Teufelchen und kläffte ihnen entgegen. Die Ludmilla mußte jenen Tag oftmals hinüberhorchen. Denn es dauerte lange, ehe in der Nachbarwohnung Ruhe ward. Ein bösartiges und häßliches Keifen, Gewein, unter- drücktes Klagen von Kindersfimmen, das ihr sehr weh tat, und wo sie gerne geholfen hätte. Natürlich! hat sie sich gedacht. Die Leute sind halt so arm! Und der Vater geht vielleicht in den Taglohn und kann sich nicht um die Kinder kümmern, weil er froh sein muß, wenn er ihnen täglich ihr Brot schaffen kann. Und der kleine Schlampen, den er eben noch bezahlen kann, ist ein boshaftes und jähzorniges Ding und prügelt sie viel und insgeheim. damit er seine Ruh hat vor ihnen, und hat es schon so weit gebracht, daß sie sich nicht einmal mehr beklagen, sondern sich alles gescu�n lassen, nur damit sie für ein Weilchen nicht ge- martert werden. Ihre eigene Jugend, so wenig sie sonst zu Gefühlsüberschwang neigte, schien der Ludmilla entweiht, daß eine solche Person dort wirtschaften durfte, wo sie einmal ihr strenges Regiment geführt. (Fortsetzung folgt.) (Nochdnick verboten.) Oer alte Mdgaweg zur Oftfee* Sin Kapitel arabischer Handelslultur. Der wieder einmal aufgetauchte Plan, Ruhland vom Norden zum Süden durch eine Wasserstraße, einen modernen Kanal, der Kriegsschiffen zu dienen vermag, zu durchqueren, ruft allerlei ge« schichtliche Erinnerungen wach, die nicht eben weithin bekannt sind. Es dreht sich dabei freilich nicht um Kanalpläne: das Bild alter Handelsverbindungen, die von der Ostsee durch Rußland nach dem entlegenen Süden, nach den Gestaden des Schwarzen und des Kaspischen Meeres reichten, taucht aus dem Dunkel der Zeiten auf. Der Landriese des europäischen Rußland brauchte nicht auf die schnell weittragenden Verkehrsmittel der Neuzeit zu warten, er wurde schon von den einfachen Mitteln zeitferner Handelskultur über» wunden, und zwar von Süden und Südosten her. Man kennt zwar nicht Zeugnisse, die an Alter der Kunde vom britannischen Zinn - Handel der Phönizier gleichkämen, aber es wirkt schon staunen- erregend, daß vor einem Jahrtausend die arabische Kultur ihre Wirkungen bis zur Ostsee hinauf hier im Osten Europas zu er- strecken vermochte. In der Tat, so überraschend es manchem klingen mag: Spuren der großen arabischen Äultur-Epoche haben sich bis zur Ostsee und über die Ostsee hinüber nach Skandinavien hinein nachweisen lassen. Ein Blick auf die geographischen Kenntnisse der Araber lehrt. daß ganz Europa , mit Ausnahme deS höchsten Nordens, ferner die südliche Hälfte von Asien , Nordasien bis zum zehnten Breitengrade und die Küstengebiete Ostafrikas bis zum Kap Corricntes von der Länderkunde dieser eigentlichen Erben der griechisch- römischen Kultur umfaßt wurde. Bei dem Reisenden Edrifi gewahren wir als nördlichst bekannte Insel der Erde die Faröer; sogar der Name Großirland findet sich in seinen Schriften, ein Name, mit dem in den altnordischen Sagen Teile von Nordamerika bezeichnet werden. Der lebhafte arabische Handel mit China ist bekannt, ebenso der mit Indien , und wenn der Zusammenbruch des römischen Weltreiches auch den Handel, der die Gebiete von Indien bis zum Schwarzen Meer und bis Syrien belebte, verderblich mitberührte, so kam jetzt eine Zeit, wo er wieder Blüten treiben sollte. Barca wurde am Zu» sammenfluß des Euphrat und Tigris gegründet, eine überaus günstig gelegene Handelsmetropole. Die Verdienste der Araber um die Kanalisation traten auch in der unter des bedeutenden Khalifen Amar Regiment geschehenen Wiederschiffbarmachung eines alten Kanals zwischen Fustat und dem Roten Meer zutage. Großartige Neugründungen im Euphrat - und Tigris -Gebiet folgten. Am meisten wuchs die Bedeutung der uralten indoeuropäischen Handelsstraßen an während der Herrschaft der Abassidcn(7bl>— 1W3), die auch den Schwerpunkt des Reiches von Damaskus nach Mesopotamien ver» legten: das herrliche Bagdad am Tigris blühte empor. Hier flössen in reichem Maße die Erträge zusammen, die weiter im Westen aus dem Verkauf orientalischer Kunsterzeugnisse, aus dem Handel mit seidenen und baumwollenen Stoffen, auch Leinengeweben, dann Wein und Früchten, sowie indischen Parfüm? gewonnen wurden. Also auch an der Ostsee erscheinen die Spuren dieser Handels» tätigkeit, und zwar in Gestalt arabischer, sogenannter k u f i s ch e v Münzen. Man kennt Fundstätten in Ost- und Westpreußen (so z. B. fand man 33 Stück bei Putzig, LI bei Oliva, 13 bei Preußisch-Eylau, 336 bei Wartenburg u. a. O. mehr). Pommern ist sehr reich an arabischen Münzen, namentlich die Insel Wollin ,
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22 (11.7.1905) 132
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