und Suchen tönt und schwirrt durcheinander. Langsam setzt sich endlich der Zug in Bewegung. Es ist ein herrliches Gefühl, den Bergen so entgegenzufahren. Obgleich ein Kind der Ebene, fühlt man doch, sowie man nur einmal hier gewesen ist. bei der zweiten Rückkehr so etwas wie Heimatsgefühle. Die Berge üben einen Zauber aus. dem sich wohl niemand entziehen kann. Die Eindrücke find so gewaltig und erhaben, daß sie immer im Gedächtnis ruhen und diese ungetrübte Erinnerung macht es, daß man meint, man käme nicht in eine fremde Gegend, sondern in eine liebe und vertraute Heimat. Wer einmal die Schönheit der Berge auf sich hat wirken lassen und die Größe dieser Naturereignisse, die in ewiger Ruhe zu thronen scheinen, gefühlt hat, der spürt wohl immer von Zeit zu Zeit eine Sehnsucht nach den Bergen mit ihrem dunkeln Grün, ihrem weißen und hellen ewigen Schnee, den kahlen, nackten, von der Sonne beschienenen Felsgraten, aus denen kein Gras, kein Strauch mehr wächst, dem hohen, blauen Himmel darüber, der so wechselvoll lacht, droht und grollend zürnt mit aller Elementaren Gewalt, wie man es in der Stadt nie erlebt. Das ist die Schönheit und das Geheimnis der Berge. Ich hänge meinen Gedanken nach, und die Räder rattern unter mir, die mich aus der Ebene in die Berge tragen. Im Fluge komme ich durch Gegenden, die ich von früher kenne. Ein schneller Blick, vorbei ist die Erinnerung. Da ist das tiefe, im sattesten Grün schwelgende Mühltal  , durch das man zu Fuß nach Starnberg  gehen kann, im Herbst die Wallfahrt der Maler, da an den Hängen und Hügeln die wechselnde Belaubung eine Pracht der Herbst- färben vom hellsten Gelb zum Gold und zum tiefen Rot erblicken läßt, die diese Gegend berühmt gemacht hat. Da erscheint auch schon Starnberg   und der Starnbergersee. In der Erinnerung war dieser Anblick verblaßt. Ich hatte ihn mir nicht so schön vorgestellt. Der See hat eine imponierende Ausdehnung, er ist zwanzig Kilometer lang. Die Bahn fährt dicht am Ufer vorbei, man kann von diesem erhöhten Standpunkte die ganze Fläche übersehen. Die helle, filberblaue Farbe des Sees, drüben mäßig hohe Hügelzüge mit dunkelgrüner Bewaldung, die sich weit mit der Spitze ins Wasser verschieben, hier und da Villen und Landhäuser und Hotels im Grünen  , ansteigend bis zur Höhe, an der äußersten Spitze das weiße Schloß Berg, wo Ludwig II.   endete. Den schönsten Anblick aber gewähren die Berge, die als fortlaufende Gebirgskette den Abschluß und Hintergrund der Landschast bilden. Sie erscheinen so nahe, nian glaubt gar nicht, daß man doch noch eine respektable Entfernung zurückzulegen hat, um sie zu erreichen. Aber gerade weil man so fem ist, hat inan einen so reichen Ueberblick. Die Ebene, die sich bis zum Gebirge vom See aus erstreckt, verschwindet beinahe. Da sieht man sie alle, den Wendelstein  , die Benedikten- wand, das schroffe Karwendelgebirge, den Herzogstand, das zackige Wettersteingebirge mit der hochragenden Zugspitze. Sie alle schicken von ferne ihren ersten Gruß und mit tiefer Freude und Rührung erblickt man die fernen Spitzen, die wie eine zauberische Erscheinung sich ailsbreiten. Denn es ist noch nicht 6 Uhr. Und die Morgensonne trifft gerade die Spitzen, so daß sie rosa und silbern erglühen in einem so feinen Schleierlicht, und der Schnee, der in den Spalten und auf den Kämmen schimmert, gibt kräftig leuchtendes Weiß zu den zarten Farben des Gesteins. Allmählich entzieht sich der See unseren Blicken. Ich schaue mich um, da sind mittlerweile schon bäuerliche Gäste eingestiegen. Enge Beinkleider, kurze Jacken mit großen silbernen Knöpfen, grüner Hut mit flaumig weißen Federn. Die Mädchen und Frauen sitzen stumm neben den Männern, die meist eine kurze Pfeife im Munde haben und auch nicht viel sprechen. Die Gesichter sind gebräunt und hartknochig-hager. Die Frauen bevorzugen in ihren Kleidern grün, lila oder rot, die Farben sind immer kräftig und aus- gesprochen. Auf dem Kopf tragen die Frauen einen Hut, der die Form eines platten Deckels hat, aus dessen Mitte sich eine Spitze flach er- hebt. Ein altes, verhuzeltes Mütterchen sitzt in der Ecke und stiert nachdenklich vor sich hin. Um den Kopf trägt sie ein schwarzes Tuch, dessen Zipfel keck hinter dem Hals wegstehen, und um den Hals hat sie ein grellgelbes Halstuch geschlungen. Die Hand hält den üblichen handfesten Landrcgenschirm, neben ihr steht ein großer Handkorb. Der breite Rock bedeckt rechts und links neben ihr die Bank. Auch das Gebirge entschwindet wieder dem Blick und wir fahren in der Ebene, rechts und links Wiesen und Becker und Dörfer und Höfe. Immerfort ändert sich das Bild. Eine Kurve, eine Biegung und plötzlich haben wir für einen Augenblick wieder den Anblick des Sees und der Berge. Einen ftischen," lebhaften Eindruck macht das Städtchen Weilheim  , dem man nicht ansieht, daß eS schon auf ein so hohes Alter zurück« steht. ES liegt munter und einladend zwischen grünen Bäumen, aus denen die weißen Häuschen keck hervorblicken. Eine Gründung der Römer, wird eS schon 754 als Dorf angeführt. Freundlich grüßt eS herüber. Das Gebirge wird sichtbar. Der hohe Peißenberg, die Zug- spitze, der Herzogstand erscheinen. An einigen Ncinen Dörfern vorbei geht die Fahrt. Langsam steigt die Bahn und plötzlich bietet sich ein prächtiger Anblick. Rechts der Bahn, nachdem die Steigung überwunden, erblicken wir den Staffelsee. Er hat wieder einen ganz anderen Charakters wie der Starnberger See  . Er ist sehr inselreich. Die Farbe ist dunkelgrün. Die Stimmung, die ihn umgibt, ist, da die bewaldeten, dunklen Berge schon dicht an ihn herantreten, still, tief und einsam. Wenig Ansiedelungen unterbrechen die Monotonie der Ufer. Der See macht mehrere Windungen, und während beim ersten Sehen die Fläche nur klein erscheint und bei dem langsamen Vorüberfahren der Bahn die melancholische Stille über dem dunklen, ruhigen Wasser wie ein leiser Akkord, der anhebt, erscheint, breitet sich nachher der See immer großartiger aus. Immer tiefer drängt sich die Bahn in die Berge. Sie folgt den Schluchten und Tälern die die Flüsse gebildet haben und windet sich so langsam ihrem Ziel entgegen. Immer wieder stellt sich ein breiter Bergrücken dem graben Wege entgegen und lustig faucht die Maschine; das Echo des Pfiffs der Lokomotive hallt wider von den Bergen und der weiße Rauch fliegt zurück. Noch eine Biegung, da liegt Partenkirchen  . Wir fahren geradeswegs daraus zu. Immer höher recken sich die Schneeberge. Hier endet die Bahn, es ist die letzte Station. Wer weiter will, muß sich selbst weiter bemühen. Ich gehe langsam vom Bahnhof in den Ort. Eigentlich sind es zwei Ortschaften. Partenkirchen   links der Bahn, Garmisch   rechts der Bahn. Es hat sich nichts hier verändert, das sehe ich gleich beim ersten Durchwandern. Ich ziehe Garmisch   vor. Es ist einfacher, dörflicher. Man sieht nicht so viel Villen. Einfache Häuser stehen noch an der Straße, die oft malerisch geschmückt sind und sich gut in die Umgebung einführen. Die Sonne brennt herab, obgleich es erst 8 Uhr ist. Jetzt heißt es erst eine Unterkunft für die Nacht suchen. Man muß seinen Vor- teil der ftühen Ankunft ausnutzen. Denn sonst schnappen einem die später Kommenden das beste weg. Bei der ersten Frau komme ich gut an. Sie fordert einen respektablen Preis. Offenbar hält sie mich für einen unwissenden Städter. Mit einem gedehntenSo" entferne ich mich dankend. Aber schon bei der zweiten Stelle werde ich ftir nieine Stand- bastigkeit belohnt. Ich wohne dort genau so gut und viel billiger. Wir werden bald einig und ich steige mit ftohen Gesühlen, der Wohnungsfrage so schnell überhoben zu sein, die schmale und steile Stiege hinan, bis unters Dach. Dort finde ich ein kleines Zimmerchen, dürftig, aber sauber möbliert. Ich habe sogar einen kleinen Holzbalkon zur Verfügung; ich trete hinaus; gerade vor mir reckt sich die Zugspitze   empor. Ich sehe den Grat, der steil zum höchsten Gipfel führt, so hoch, daß man zuerst glaubt, es wäre gar nicht möglich, ihn zu erreichen. Die Höhe der Berge erscheint überhaupt zuerst dem Menschen der Ebene nnfaßlich. Und so beruhigend wirken die weiten Flächen der Wiesen, auf denen verteilt Trifthütten, aus schweren Stämmen einfach geschichtet »nid doch kunstgerecht verpaßt und geftigt, stehen. Dann erst be- ginnen die Bergriesen sich in die blaue Luft emporzurecken, so daß man sie in dieser Entfernung erst reckt ganz übersteht, ohne ihnen allzu nahe zu sein. Die Fläche bietet dem Auge Ruhepunkte und die Höhe erscheint imposant und doch gemäßigt. So sitze ich auf der kleinen Holzveranda und sauge die ganze Schönheit in mich durstig auf. Nun weiß ich wieder, weshalb ich aus der Stadt hierher flüchte für einige Tage, in diese große Stille, wo ich mit niemand spreche und ganz allein bei den Bergen bin. JedesGrüß Gottl", das mir von unten von Vorüber- gehenden heraufgerufen Ivird, erfüllt mich mit Freude. Drunten hämmert der Schuhmachermeister Xaver Andreas Bichl seine Schuhe. Und der Bichl Andreas, bei dem ich nun einen Tag zu Gast bin, weiß nicht einmal, daß über ihm ein Mensch sitzt, der von weither mit großer Sehnsucht in die Berge kam. So ist es. Er hämmert seine Schuhe, tagaus, tagein, nagelt die Nägel und legt die Eisen um die Hacken. Aber er selbst kommt vielleicht nie hinaus und nie hinauf aus die Berge und blickt sie mit ruhigen Augen an und er sieht nur hinauf, wie das Wetter werden wird. So geht es immer. Wer die Schönheit hat, achtet sie nicht, oder vielmehr, er macht kein Wesen von ihr, da er in ihr groß ge» worden. Sie ist ihm natürlich, wie dem Städter die großen Straßen mit allen Bequemlichkeiten. Nur wenn der Gebirgler die Berge ver- läßt und in der Ebene, weit davon entfernt, wohnen muß, dann packt auch ihn die Sehnsucht und er gibt dieser Sehnsucht den naiv- sentimentalen Ausdruck, den die Tiroler Lieder oft haben. Rück- erinnerung, Trauer, Lob der Heimat ist der Refrain. Derbe Spähe wechseln mit zarter Andeutung und die Lustigkeit täuscht mit Gewalt über die Trauer hinweg. Manche Strophe erzählt davon. Sonst aber sitzen sie in ihren Häusern und empfangen die Fremden erst mit Staunen und dann mit gewohnter Ruhe und schließlich mit naiver Berechnung, da sie ihnen Geld ins HauS bringen. So wie mein Schuster, der drunten sitzt und immer hämmert und von dem goldenen Bormittag gar nichts merkt. Er braucht's auch nicht. Er hat ihn oft genug. Wir anderen aber selten oder gar nicht. Ern st Schur. kleines Feuilleton. Eine lukrative Armeelieferung. Russisches Idyll von Sieg» bert Salter.(Nachdruck verboten.) Nicolai Jlvanowitsch Sußlow, der allmächtig« Arsenalverwaltungsdirektor ließ bitten, und herein trat Anton Semenowitsch Alupkin, der geriebene Chef der großen Armeelieferungsfirma Alupkin u. Co. Guten Tag, verehrter Nicolai Jwanowftsch". rief er vertraulich dem Amtsgewaltigen zu. und in seinen kleinen, verschmitzt drein, r enden Schwcinsäuglein blitze etwas auf, das zu sagen schienj alter Schuft, wir haben sa schon vfter Geschäfte gemacht.