(Nachdruck betdolen.)Der neue KurortVon E. P r e c z a n g.(Schluß�)Im Dorfe ging's nicht weniger fleißig her. Jedes Mit-glied des Kurvereins bemühte sich, es seinen Nachbarn gleichzutunund den zum Teil schon sehr altersschwachen Gebäuden innen undaußen einen neuen Glanz zu verleihen. Namentlich die Vorder-feiten prangten in tadelloser Weiße. Düngerhaufen verschwandenvon der Straße, die tiefsten Löcher der Dorfgasse wurden zugeschüttetund der Fußsteig mit Hellem Sand bestreut und täglich geharkt. Aufjedem Boden fand sich noch eine Ecke, die sich durch ein paar tapezierteBretter zum Fremdenzimmer Herrichten ließ. Erstaunlich war es,mit welcher Findigkeit aller Raum ausgenutzt wurde.Mancher seufzte zwar den harten Talern nach, die aus demStrumpf im Bettstroh ihren Weg ins Freie fanden; manch einerwurde bedenklich und hatte sich die Geschichte billiger vorgestellt, aberKrendel lachte die Acngstlichen aus und verspottete sie. Sie solltennur verzichten? Desto reicher werde der Goldstrom in die übrigenHäuser fließen. Er für sein Teil richte sogar den Taubenschlagzum Logis ein!Der größte Aerger war bei den Hausfrauen. Nicht nur, daßalles unterste zu oberst gekehrt wurde und der ganze Gang derHäuslichkeit aus dem Geleise kam— nein, vor allen Dingen dieserschreckliche Kurverein! Seine Sitzungen wollten weder an Zahl nochDauer je ein Ende nehmen. Es wurde beraten und nochmals be-raten und wieder beraten. Bewunderungswürdig waren das Jnter-esie und die Ausdauer der Mitglieder.Abgesehen davon, daß niemand so dumm war, sich die schönenGelegenheiten zum Kartenspiel ungenutzt entgehen zu lassen, warauch die Kursteuer festzusetzen und wegen der Wohnungs- und Unter-Haltspreise eine Vereinbarung herbeizuführen. Ferner hatte es sichals notwendig herausgestellt, eine Fahrverbindung mit dem etwafünf Kilometer entfernten nächsten Bahnhof zu schaffen.Hier sprang Malte bereitwilligst ein. Zu jedem Zuge, so er-klärte er, werde er einen„Hotel-Önmibus" senden. Einige mißtrauisch veranlagte Mitglieder glaubten darin einen Versuch zusehen, sich möglichst alle Gäste zu sichern. Deshalb wurde die Be-dingung gestellt, der Wagen müsse bis in die Mitte des Dorfes, anden Entenpfuhl, fahren und die Angekommenen dort ihrem Schicksalüberlassen. Malte ging nach einigem Zögern darauf ein in derstillen Hoffnung, daß die meisten es vorziehen würden, im Wagensitzen zu bleiben oder wieder einzusteigen, nachdem der Kutscher ihnendas Hotel empfohlen.So vergingen einige Wochen. Dann prangte ganz Kringelbergin festlichem Schmuck. Der Kurverein veranstaltete eine Eröffnungs-feier mit Fahnenweihe.Die Inserate hatte man längst losgelassen und den Tag derFeier als Eröffnungstag angegeben. Nun konnten sie kommen, dieGäste. Alles andere war fertig und bereit.Schon um acht Uhr am Morgen versammelte der Kurverein sichvollzählig auf dem Platze vor dem„Hotel zum Kringelberg". Dies-mal hatte Malte keine Mühe gehabt, sein Haus zum Mittelpunktzu machen. Es war ja selbstverständlich, daß der Entenpfuhl heutehierzu nicht geeignet. Man wollte doch anstoßen und die vomDiskutieren trockene Kehle befeuchten. Die Sonne brannte auch, alssei sie dem neuen Kurort ganz besonders gewogen, und von dengebräunten Gesichtern rann der Schweiß schon um neun Uhr indicken Tropfen. Um zehn Uhr hielt der Ortsschulze seine erste Rede,und Malte steckte das zweite Fäßchen an.Eine halbe Stunde später rollte der„Hotel-Omnibus" aus demHof: eine alte Kutsche, die wie alles in Kringelberg renoviert wordenwar und mit ihrem neuen Lackanstrich eine längst vergangene Jugendvorspiegelte. Holms hatte einen zweiten, der Gemeindevorstehereinen dritten Wagen gestellt, um den am ersten Tage zu erwartendenAndrang von Kurgästen zu bewältigen. Sämtliche Gefährte warenmit Girlanden geschmückt, das Geschirr blitzte in der Sonne, undvorn an den Deichseln nickte frisches Birkcngrün.Unter allseitigem Hurra setzten die Wagen sich in Bewegungund verschwanden bald in dem aufgewirbelten Staube der Land-straße.Den Schulkindern war ein unterrichtsfreier Tag geworden:auch sie sollten in Aktion treten und die Kommenden beim Eintrittin den Festsaal begrüßen. Auf dem Platze fiel diese Aufgabe derMusikkapelle zu.An jeder Kutsche aber sollte ein Vorstandsmitglied des Kur-Vereins die Honneurs machen. Geschmückt mit großen Rosetten, imHochzeitsrock und Zylinder, eilten die Melgeplagtcn umher, allesin die nötige Ordnung zu bringen. Denn„klappen" sollte es. Hingdoch vielleicht vom ersten Eindruck die ganze Zukunft Kringelbergs ab.Am aufgeregtesten ging es wohl in Maltes Küche her, wo einhalbes Rind am Haken hing und fortwährende Operationen erduldenmußte. Es wurde gehackt, gewiegt, geklopft, Teller gingen in dieBrüche und die Suppenschüsseln sprangen vom Tisch. Ein Schlveinwar geschlachtet, Hühner und Enten hatten ihr Leben lassen müssen.Für einige Fischgerichte war auch gesorgt; Johann hatte tagelangam Fluß gesessen und geangelt. So war alles in Hülle und Füllevorhanden, nur eins fehlte: der Koch. Frau Malte, die in der Zu-bezeitung eines heimischen Schweins- und Rinderbratens jede Kon-kurrenz auS dem Felde zu schlagen sich unterfangen hatte, stand bockjratlos vor den seltsamen Namen einer von dem Koch eingesandtenSpeisekarte, die zum Teil nicht einmal auszusprechen waren. Aberselbst die in ehrlichem Deutsch angegebenen Speisen, wer sollte diealle kennen? Einen„Wiener Rostbraten" zum Beispiel. Das laSsich sehr leicht, aber wie sah so ein Ding aus? Und weil in Kringel»berg die Zubereitung von Speisen auf dem Rost etwas gänzlich Un».gekanntes, so las Frau Malte„Rotzbraten". Was denn gar? SiSfuchtelte roten Gesichts in der Küche zwischen den Mägden herum:man sollte am Ende auch noch ein Rotz schlachten? Da höre dochalles auf? Aber wenn die Männer schon anfingen, sich mit Frauen»arbeit abzugeben, na—! Und gleich darauf schoß sie zum fünf»zehntenmal ins Gastzimmer und fragte boshaft ihren Gatten, wodenn der Herr Koch bliebe. Der Herr Koch! Denn ein Studiertermußte es doch sein. Aber der Herr Koch, der schon zum Abend vorher»ngemeldet war, ließ sich nicht blicken.Malte hatte gar keine Zeit, auf die bissigen Bemerkungen seinergekränkten Gattin einzugehen. Er stand hinter dem Tresen, zapfteBier, nahm Geld ein und freute söch über den schönen Fluß derGetränke, die hinausgeschafft wurden vors HauS, NV unter zweibreitästigen Kastanien«in Dutzend Tische aufgestellt war— Tischemit bunten Decken natürlich.Hier war Johanns Reich. Der hatte es auch nicht leicht. Trotzseines Protestes und fürchterlichen Gelächters war er von Rtalte ineinen engen Frack gezwängt worden, der auf dem Rücken wulstigeFalten warf; er war auf gut Glück in einem Trödelladen erstanden.Die Locke auf der Stirn hatte man nur einigermaßen zuwege gc»bracht; Johanns„Borsten" widerstanden hartnäckig jedem QuantumRinderfett. Der Unterricht im„Wienerischen" war gänzlich fehl-geschlagen. Maltes Sprachkenntnisse machten Fiasko; er hatte einKauderwelsch vorgebracht, daß Johann sich fortwährend den Bauchhalten mußte vor Lachen. So blieb es bei der Einprägung allge»meiner Höflichkeitsphrasen und der Uebung von Verbeugungen.Das lernte Johann sehr bald; unangenehm war nur der Steh»kragen; sobald der neugebackene Kellner dienerte, stach der Kragenihn ins Kinn. Aber auch dies Leiden war bald überstanden. DerSchweiß lief in dicken Tropfen von Stirn und Wangen und erreichtedas gestärkte„Halstuch". Dann legte es sich dicht an die Hautund Johann glaubte zu ersticken. Deshalb griff er öfter mit denFingern hinein und lockerte es. Sauberer wurde der Kragen nichtdabei. Dazu kam es fast fortwährend aus durstigen Kehlen:„Kellner!" Johanns Freunde schrien es auch zum Spatz, wasKrendel laut mißbilligte. Er rief ganz ernsthaft:„Ober! Nochein Hell!"Um elf Uhr stand der Ortsschulze auf einem Tisch und redeteseine zweite Rede, worin er die Anwesenden ermahnte, diesen Tagin feiner vollen Bedeutung aufzufassen und sich anständig zu be-tragen, insbesondere nicht durch Trunkenheit und Schlägerei dieFeier zu entwürdigen. Auch sollten die jüngeren Leute beim Tanzeden Gästen den Vortritt lassen und zeigen, daß gute Lebensart auchin Kringelbcrg zu Hause sei. Unschickliche und eifersüchtige Aeuße»rungen der jungen Männer müßten unbedingt auch dann unter»bleiben, wenn etwa„die Jungfrauen des Dorfes von den fremdenHerren mit einem Tanze beehrt würden."Der letzte Passus wurde von den jungen Männern mit lautemMurren aufgenommen; die Mädchen aber klatschten in die Hände.—Auf dem Kringelberg, an der noch uneröffneten Milchtrinkhalle,saß Hänfling, der Gemcindediener. Ihm war die Aufgabe zuge»fallen, nach den zurückkehrenden Wagen Ausschau zu halten und dieunten harrenden Festteilnehmer rechtzeitig zu benachrichtigen.Hänfling war mit einigem Widerstreben hinaufgestiegen. Da obenherrschte große Trockenheit— und die liebte er nicht. Zwar Hattoer eine Kanne Milch mit heraufgebracht und in den Keller derHalle versenkt— aber die rechnete nicht. Das war etwas für Säuglinge. Allenfalls auch für die erwarteten Kurgäste,— trotzdemHänfling im Stillen lachte über den„Spuk", mit Milch und LuftKrankheiten heilen zu wollen. Ueberhaupt Luft! Er hob die Naseund schnüffelte: ja, mein Gott, was hatten sie nur an der LuftAEs war eine Luft wie jede Luft. Man mußte wohl so ein dummerStädter sein, um an ihre Heilwirkung zu glauben. Hatten dieKringelbergcr nicht diese Luft Tag für Tag und Jahr für Jahr?Nun— und das Reißen zwickt« zu gewissen Jahreszeiten ,ast in:jedem Hause. Auch die übrigen Krankheiten verschonten Kriggel»berg nicht. Aber da half dann nur Teetrinken, Medizin— oder,wer das geheimnisvolle Rezept wußte, der ging in einer Mondschein»nacht allein aufs Feld oder auch in das Gebüsch des KringelbergS,grub ein drei Fuß tiefes Loch, machte drei Kreuze und sagte:„Hebel,ich versenk' Dich!" Ebenfalls dreimal. Mit dem nächsten Mond»Wechsel verschwand dann die Krankheit. Manchmal. Manchmal auchnicht. Im letzteren Fall war irgend ein Fehler bei der Beschworunggemacht und sie mußte wiederholt werden, bis daS Hebel sich davonmachte. Das war ausgeprobt, und wenn einer nicht die Dumm-heit machte und sich vorher zum Sterben hinlegte, hals das Mittelendlich immer. Aber die Luft? lind Milch tut! Häuslingschüttelte sich.-Und wie er sich noch so m seinen Betrachtungen erging, scAer plötzlich in der Ferne eine Staubwolke aufsteigen. �„Sie kommen!". roT...Ein Blick noch, dann schoß Hänfling Wie ein Blitz den all»schüssigen Weg hinunter bis hinein in die Mitte der Fenver»sammlung._„Sic kommen! Sie kämmen"