Der Stein und alles ist weiß, wo's Müetterle darunter schläft." Daniel reckte die Arme, daß er das schlanke Maidla schwebend hielt, hielt es, so hoch er konnte, und seine Stimme klang klar und fest: Sie schläft, und wir, der L6on und Du und ich, wir find noch im Leben!" Dann stellte er das Kind in den Schnee und führte es zu seinem Vetter Antoine in die Stube. Hier blieb es, bis sie heimfuhren. Drei Stunden saß der Gemeindrat über der Sache, dann fiel Daniels Gesuch mit allen gegen zwei Stimmen. So lange der Antrag strittig war, hatte er die Worte nicht gespart, jetzt nahm er den Entscheid ohne Zucken und Widerspruch hin, aber eine senkrechte Falte schnitt in seine Stirn, seine Zähne bissen hart auseinander, und in den Fingern pochte ihm das Blut, als säße ein Eiterwurm unter jedem Nagel. Er ging in den großen Stall, wo er sein Sommervich eingestellt hatte. Der Sepple berichtete ihm vom Wohlergehen jeder Kuh. Im Märzen, am ersten linden Tag treibst Du auf den Berg," sagte der Wirt, und der Knecht horchte erstaunt auf den stählernen Klang in der Stimme des Wortkargen. Die Luft ging feucht, als der Schlitten wieder bergan klomm. Am Maul des Joli hing flockiger Rauhreif, und wenn er schnaubte, stieg eiue silberne Wolke auf. Das Kind schwatzte. Sie hatten ihm warmen Zuckerwein zu trinken ge- geben, der plauderte aus ihm. Ist das wahr. Vatterle, daß ich nicht Dein rechtes Kind bin?" fragte es auf einmal. Daniel hatte noch kein Wort gesprochen, doch als es die Frage wiederholte, sprach er rauh: Wer sagt solch verrücktes Zeug?" Dem Vetter sein Jaköble, und der hat's vom Maire seinem Fritz." Galgenbrut, alle zwei. Du bist unser.Kind." Und keins von Zigeunern und Kesselflickermannen?" Nein!" und aufbrausend schrie er:Sackerlott, jetzt halt's Maul!" Floflo schwieg. Schweigend fuhren sie bergan. Zu- weilen stieg Daniel ab, um dem Gaul die Fracht zu erleichtern. Die Dünste blieben hinter ihnen, klar spannte sich der Himmel über die Höhen, eine rosafarbene Glut lief von der sinkenden Sonne an den Gipfeln hin und rötete den Schnee. Als sie auf die Paßhöhe kamen, brannte die Himmelsglut nieder� wie ein Fastnachtfeuer. Zuckende Lichter spielten in den Fenstern des Bergwirtshauses. Ein Hühnervogel strich mit pfeifendem Jagdruf über das Gehöft und zog seine Kreise in dem grün verblassenden Abendrot. Der goldene Adler fliegt ab, schoß es Daniel durch den Kopf, und mit der Faust drohte er ihm nach. Er hätte die alte Jagdflinte, die über seinem Schreibtische hing, zur Hand haben mögen. Das war alles, was er verriet. Kein Wort fiel von seinen Lippen, er ging seinem Tagwerke nach, und nur das Nettele merkte, daß er an etwas würgte. Nach Wochen drang dann die Kunde von der Gemeinde- ratssitzung auch zu ihr. Das verwindet er nicht," sagte sie zur Katherine, aber es ging ihr nicht so nah, wie die Erzählung, die Floflo von der Fahrt heimgebracht hatte: daß Daniel Junt ihr von Mamsell Berthe, ja so, von Madame Berthe gesprochen, und daß die Buben in La Motte dem Kind die arge Frage von seiner Ge- burt ins Ohr gesetzt hatten. t Fortsetzung folgt.) tNachdmck verboten.) IVorcUanclsfaKm. Von Dorothea Goebeler. Du bist Orplid mein Land, Das ferne leuchtet." Die hübsche blonde Stettinerin stand an der Spitze des Schiffes und fang es mit Heller Stimme in den Wind hinaus. Hier, hinter Arcona, wo keine Küste seine Macht mehr brach, pfiff er mit vollen Backen über die freie See. Hochauf bäumten sich ihre Wellen und überstürzten den weißen Gischt. Sie kamen von der dänischen Seite, nahmen den kleinen schwedischen Dampfer auf ihren Rücken und warfen ihn hin und her. Das Leben an Bord bringt rasch zusammen; man war erst seit zwei Stunden unterwegs, und doch tat die ganze Schiffsgesellschaft schon bekannt und lachte und plauderte durcheinander. Wie lange fahren wir noch bis Trelleborg ? So an zwei Stunden..." Oh, noch so lange, und der Wind bläst immer mehr." Das is jrade wat scheenet." Wie is es denn bloß mit die Sprache da oben?" fragt eine dicke, elegante Dame, Typus: reiche Schlächterfrau.Wird man denn da in Dänemark mit die Sprache fertig?" Es lief ein Kichern über das Vorderdeck. Irgend jemand sagte: Da spricht ja jeder zweite Mensch richtig deutsch ." Man trifft aber immer bloß'n ersten." Das Kichern erhob sich zum Lachen, brach aber jäh ab. Ein mächtiger Windstoß warf das Schiff fast auf die Seite, man schwankte und stieß aneinander, die Damen schrieen auf. Die Männer lachten:Das bißchen Wind." Aber allmählich wurde das Deck doch leerer. Es verlor sich einer nach dem andern, dafür tauchten die Schiffsjungen auf. Furchtbar geschäftig liefen sie hin und her, alle mit Eimern und Wischtuch bewaffnet. Max, der einen Blick in die Kajüte getan, kam zurück und zitierte lachend:Da unten aber ist's fürchterlich." Nur die Elegante und zwei, drei Herren hielten sich noch oben und plauderten. Thema: Wohin? Die Elegante wollte nach Kopenhagen , das sei jetzt so Mode und so berühmt, und das Essen da wäre auch sehr gut, besonders die Krabben. Der schlanke junge Mann mit dem Künstlerhut lächelte, er wollte auch nach Kopenhagen , aber nicht der Krabben wegen. Ich freue mir am meisten auf das schwedische Frühstück," sagte die elegante Dame. Das war zum mindesten optimistisch in einem Moment, wo drei Viertel der Besatzung eben dabei war, das deutsche Mittagessen an Neptuns Altar zu opfern. Der Optimismus rächte sich denn auch. Keine zehn Minuten später retirierte sie in die Kajüte. Die Schiffsjungen bekamen neue Arbeit. Es fing überhaupt an, ungemütlich zu werden. Die graue Wetterwolke, die die dänischen Inseln bisher den Blicken entzogen hatte, löste sich in Wohlgefallen auf. Das heißt: es goß. Eine unendlich graue Ocde breitete sich über die graue See. Der Sturm wuchs. Aus der Kajüte klangen Jammerlaute. Ich sterbe, Oskar, ich sterbe!" Uh Gott , uh Gott, uh Gott, das wird ja immer schlimmer, wir kippen um." Aber das Schiff ist gut," sagte jemand in einem Ton, der fach- verständig sein sollte.Unbeirrt setzt es seinen Weg fort." Was soll's'n sonst machen?" fragt eine andere Stimme, und ihr Spott verrät, daß sie wirklich sachverständig ist. Ich sterbe, Oskar, ich sterbe!" Aber es stirbt niemand. Wohlbehalten fährt das Schiff in den Hafen von Trelleborg , und eine halbe Stunde später sitzen wir in den breiten, behaglichen, schwedischen Eisenbahnwagen und rollen per Schnellzug auf Malmö zu. Die ganze Schiffsgcscllschaft ist wieder beisammen; sehr fidel und obenauf. Die kleinen Reiscslaschen mit Aquavit und schwedischem Punsch, die man auf dem Schiff hat füllen lassen, machen die Runde. Man amüsiert sich mit Erinnerungen. Jetzt, wo die Fahrt vorüber, war's hübsch, daß man dabei war,und es war doch'n Volles Stück". Das Schiff lag ja so," zeigt eine Dame.(Das heißt, es trieb mindestens mit dem Kiel nach oben!) Aber durchnäßt, durchfroren und halb verhungert sind wir alle, und es ist eine wahre Wohltat, endlich in Malmö im Hotel zu sitzen, in dem hübschen hellen Speise- saal, wo die elektrischen Birne» flimmern, und auf allen Tischen hochstielige Nelken in schöngcschliffcnen Gläsern stehen. Max will sich zunächst einmal auswärmen, er bestellt eine Tasse Bouillon mit Ei. Ich esse schwedisch . Wozu sitzt man in Schweden ?, Also eine Sexa! Der Kellner wirft mir einen Blick zu, einen Blick, na, ich weiß im Moment nicht, wie ihn deuten. Es vergeht etwa eine halbe Stunde. Ein anderer Kellner er- scheint nicht mit der Sexa, oh nein, nur mit einer Frage:Was wünschen die Herrschaften?" Für mich zunächst eine Tasse Bouillon und für die Dame eine Sexa." sagt Max. Hm!" Da ist wieder der Rätselblick. Eine zweite halbe Stunde vergeht, und wieder erscheint ein schwarzbefracktcr Herr, aber wieder ohne Sexa. Er dienert sehr höflich. Verzeihen Sie, die Dame wünscht eine Sexa? Das ist ein Gericht für sechs Personen, das können nicht einmal zwei aufessen!" Am andern Morgen ging es nach Kopenhagen . Eine loundcr- volle Fahrt über den Sund. Tiefblau lag er im Morgenglanz, umsäumt von Schwedens grüner Küste und Seelands dunklen Buchenwäldern. Ganz in der Ferne stieg Thcho de Brahes Insel Hven wie ein Silbcrstreifcn aus der Flut. Kopenhagen !" rief jemand, und alles drängte nach vorn. Deutlicher und deutlicher wuchs sie empor, die vielbesungeneStadt am Sunde ". Es steigen aus der Flut versunk'ner Städte Hochgieblige Häuser, altersbraun," rezitierte jemand. Es war der junge Mann mit dem Künstlerhut. Ein Zug von Schwärmerei lag auf seinem blassen Gesicht,