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Auf dem der Eleganten lag er nicht. Sie war überhaupt nicht draußen, fie faß im Salon und faute mit vollen Baden: Schwedisches Frühstück. Es toftete eine Krone und fünfzig Dere, und dafür kann man essen und trinken, soviel man will. Die Elegante wollte sehr biel. Renntierschinken, Krabben, Lachs, Rauchfleisch, Hummer, Röst­brot, Kaviar, Aquavit, dänischer Korn, unglaublich, was alles in ihrem Magen verschwand. Jetzt fäbelte sie ein neues Stück Renn­tierschinken herunter und legte es auf dem Teller zurecht, da schien der Jubel auf Deck doch ihre Neugier zu wecken. Sie stand auf und eilte nach dem Fenster. Als sie zurückkam, war ihr Renntier­schinken fort. Das Gesicht!

" Ja, aufstehn dürfen Sie nicht," sagte ein Herr. Hier giebt's nur zu effen, so lange man siten bleibt; wer aufsteht, muß von neuem bezahlen."

Na sone Frechheit!" Sie fing an deutsch " zu reden, es half ihr aber nichts. Mit einer wahren Jammermiene schied fie cnd­lich von dem Frühstücstisch. Da sagen se, man kann essen was man will, und ich hab mir noch nich mal satt jejessen!"

Kopenhagen ist schön, eine feine, heitere, anmutige Stadt, wenigstens das, was der Fremde so sieht. Breite Boulevards, schöne Promenaden, prächtige Schaufenster, Schlösser, Denkmäler, Paläste, elegante Restaurants. Und neben aller modernen Pracht uralte Gaffen mit uralten Häusern, Gaffen, in welche niemals Licht dringt, Häuser, in deren dumpfe Mauern und niedere Höfe der frische Sund­wind niemals hinkommt.

Wie altertümlich, wie interessant!" sagen die Fremden. Ach ja, sehr altertümlich und interessant. Aber ob die Frem­den" hier wohnen möchten? Ich glaube kaum, und ich glaube auch nicht, daß gerade der Reichtum Kopenhagens in den interessanten alten Häusern" wohnt. Ach nein, der zieht wohl an die" Seen", die breit und glänzend die Stadt durchziehen, in die eleganten Häuser der Boulevards, oder nach Klampenborg. Wir sind auch nach Klampenborg gefahren, da muß man einfach gewesen sein."

Klampenborg, Tarbäcken, Skodsborg, sie sind für Kopenhagen , was Wannsee für uns ist und Seebäder dazu. See-mit reizenden Villen und herrlichen Gärten, aber ohne Strand. Das Wasser ist berbaut, wie es in einem Berliner Vorort nicht besser oder schlimmer berbaut sein kann. Hinter den Gärten blaut der Sund in wunder­boller Herrlichkeit, an seinen Ufern aber sitt der Reichtum satt und behaglich, das Bolt" kommt nicht heran.

" Fahren wir nach Skodsborg," riet Max, bielleicht ist da welcher."

Blieb noch die Frage: Wie kommen wir hin? Drüben am Wege standen zwei Herren und unterhandelten mit einer Dame. Deutsche Laute flangen an unser Ohr; also hinüber. Verzeihen Sie, wie fommen wir hier nach Skodsborg?" " Da müssen Sie mit der Bahn fahren," sagte die Dame. " Hat Skodsborg Strand?"

,, Nein, da hat auch nur jeder Villenbesitzer seinen eigenen." Was wollen Se denn überhaupt in Skodsborg?" Der eine Herr flatschte Mar auf die Schulter. Mensch, dett is ja alles eene Kifte, fahren Se nach Schlachtensee, da haben Se denselben Käse." Am nächsten Tage gings nach Helsingör , den Sund hinauf. Ein stürmischer Tag. Auf den blauen Wogen tanzte weiße Schaumspiken, über Schweden stand die Morgensonne, ihr grelles Flimmern ließ die Küste nur in den Umrissen erkennen; auf der dänischen Seite aber lag alles klar und glitt in scharfumriffenen Bildern vorüber. Hellerup , Klampenborg, Tarbäcken, Skodsborg, Rungstedt, Vedbät; weiße Willen, dunkle Wälder, Fischerdörfer mit Rohrbachhäusern.

Auf dem Schiffe herrschte ein reges Leben und Treiben. schwirrte nur so von Reiseerinnerungen und Kritiken.

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,, Was, Sie waren nicht auf dem Runden Turm? Aber da muß man doch gewesen sein, das ist doch der Turm ohne Treppe, wo ein Schneckengang raufgeht, und die Aussicht!"

Jott, die is ja jar nich so aufregend! Von de Müggelberge fieht man jenau deffelbe, blos det is noch'n biskin scheener is."( Das ist der Berliner aus Klampenborg.)

Aber ich bitte Sie, das zu vergleichen!" Die kleine Dresdnerin ist sehr entrüstet." Wir sind sogar auf einen Turm gestiegen, wo die Treppe außen herumführt, da müssen Sie rauf!"

" Das fällt mir ja im Traum nich ein! Ich wer' in Kopenhagen auf die Türme steigen!

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Hamlets Terraffe, gnädige Frau. Sie wissen doch: Hamlet , erster Aft, erste Szene: Terrasse vor dem Schloß zu Helsingör ." Ach so!" Sie machte Augen wie ein Schellfisch und vers schwand. Auf der Mole kam sie uns noch einmal nachgelaufen: Ent­schuldigen Sie, wie sagten Sie? Was ist da drüben in dem alten Haus passiert?"

Terrasse vor dem Schloß zu Helsingör , Hamlets Terrasse, wir haben lange oben gestanden und hinausgesehen auf Sund und Kattegatt. Es ist alles nur Dichtung, es hat nie einen Hamlet gegeben, und doch, was ist es, das an dieser Stelle spricht?

Es hat nie einen Hamlet gegeben, aber drüben in Marienlyst zeigen sie sein Grab, einen hohen Steinhaufen in einem Hofgarten. Links davon Klopft man Teppiche, rechts stand ein Haufen leerer Bierflaschen, an der Mauer daneben saß ein Mädchen und schälfe Kartoffeln in eine alte Blechkasserolle!

Es gibt im Park noch einen Quell der Ophelia. Wir sind nicht zu ihm hinabgestiegen, wir hatten an Hamlets Grab genug.

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Kleines feuilleton.

Ein stiller Weg. Neben der Alt- Weißenseer Kirche vorbei, die Chaussee hinan, auf der ersten Höhe rechts, dann links hinein, den Weg, der nach Hohen- Schönhausen führt. Erft Gärten, dann richtige Gärtnereien mit Fruchtbäumen an den Steigen. Rot glühen noch die späten Rosen, die Neltenbeete sind gelichtet, um so bunter prahlen die dichtstehenden Georginen. Weiße Lilien und Hortensien in offenen Mistbeeten, weit über den Rand hinaus drängen und hängen ihre rosaroten Blütenkugeln. Im vorigen Herbste standen die Aepfelbäume wie angeschüttet. Der kleine rote Weihnachtsapfel ließ kaum ein Blatt ans Licht. Heuer hängen die Früchte einzeln, da und dort wie die Zuckersachen am Christbaum des Armen. Birnen mag's geben, wo der Baum auf gutem Grunde steht, in die Blüte der Nußbäume fuhr der Frost, aber die grüngelbe Pflaume wuchert wie immer.

Rechts der letzte Baun. Hinter ihm junge Fichten und Tannen. Von den Fichten find die meisten gestorben oder fümmern mühselig, die Tannen stehen frisch, mit hellen Trieben.

Und dann die Allee, meine Allee. Ein ausgefahrener Weg. In dem Sande geht es sich wie in Mehl. Rechts und links Bäume: Geköpfte Weiden und Schwarzpappeln. Die Weiden erscheinen ur alt, viele sind hohl den ganzen Stamm hinauf, von einigen ist nichts übrig geblieben als ein Ding ähnlich einer mürben Faßbaube, aber find Wasserfresser, wie die Eschen. Der heurige Sommer hat ihnen droben raschelt der grau- grüne Schopf lustig im Winde. Die Pappeln gefallen. Und so haben sie helles Laub aufgesteckt, als wär's im Mai. Unten und oben am Stamm, zwischen den lanzenschäftigen älteren Schossen die schwankenden Gerten der Räuber"; ihre Blätter riechen wie im Frühling.

Zu beiden Seiten Felder. Links alles abgeräumt bis zur Chaussee. Rechts Guts- Land. Kartoffel, Kartoffel, Kartoffel. Hin und wieder an einer Staude noch eine einzelne Blüte. Früher waren die Bauern Pächter, jetzt gibt man den Boden lieber an ame runer". Die sind schneller auszutreiben, wenn ein Käufer fommt. Der Bauteufel geht ganz wild herum auch da draußen. Freilich, eine Kolonie" ist das noch nicht. Nur bei wenigen hat es zu einer Baube gelangt. Draht zum Umzäunen seines Landes hat aber jeder aufgetrieben. Ueber einen von ihnen habe ich mich gefreut. Der hat das Land um eines der trichterförmigen Wasserlöcher gemietet, die in dieser Gegend so häufig sind. Oben am Rande und die Böschung hinab grünt, wächst und reift seine Saat. Es wird sich fragen, ob er mit seinen Riesenkürbissen die schmale Weißenseer Haustür hinein kann.

Mäßig steigt der Weg. Rechts heben ungeköpfte Pappeln ihre Riesenarme. Zur Linken eine Wiese, dann einige alte Föhren, hinter ihnen die Kiefernschonung. Ich kenne sie seit Jahren. Sie wollten lange nicht heraus aus dem Sande, die halbyerhungerten Pflanzen, in diesem Sommer ist allen der Knoten aufgegangen. Schuhlang die Herztriebe, und die Nadeln schimmernd wie graue Seide. Birken dazwischen und einige gelbgrüne Lärchen ganz oben am Saume. Früher führte ein Steig hinauf, um die Schonung herum. Jezt zieht man da einen hohen Drahtzaun. Wenige Jahre, und ges pflasterte Straßen laufen hier, an denen lärmende Fabriken stehen

und himmelhohe Häuser.

Ein stiller Tag, wie jeder Sonntag hier heraußen. Die Sonne Ueberhaupt Kopenhagen," sagt eine Stimme hinter uns, steht schief. Ihr Licht und die klare Luft fünden den Herbst. Die alter ' n ganz langweiliges Nest! Was hat man denn dran? Die Straßen Föhren getrauen fich taum zu wispern. Niederständig sind sie, find ganz genau wie bei uns, und die Menschen gehen auch nicht an- berbogen die Aeste, und die Zweige hängen.

ders angezogen."

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,, Aber die Smörbrode!"

Die Sandgrube. Läßt man die Beine über den Rand baumeln,

" Na ja, de Smörbrode!" Das ist der Berliner wieder. Vierer- figt es sich ganz gemütlich. Die Sonne schlägt voll herüber. Man lei Brot und neunzigerlei Belag, und wenn man'n Dußend jejeffen hat, kriegt man erst Hunger auf'n Beefstick.

" Helsingör!" ruft jemand. Die Kronenburg!" Grau und finster steigt sie empor die Wächterin des Hamlets Schloß.

Sundes,

Es geht ein Rufen und Zeigen über das Sch": Terrasse, da ist sie, da rechts, wo die Flagge weht!" Was ist das?" fragte eine Dame neben mir.

Hamlets

zieht den Hutrand etwas herab und knurrt bald vor Vergnügen. In den Kiefernbüschen ein Rascheln. Auf einmal ein Geschafer. Schon gaufeln zwei Elstern über den Jungföhren, den hohen Pappeln zu. Drüben, über der Grube, auf dem schmalen Grasstreifen vor der Schonung, wird es lebendig. Hopp, hopp, hopp! Ein Kaninchen. Vorsichtig äugt es nach allen Seiten, ehe es zu äsen beginnt. Die Jungen folgen. Ihre reinweißen Blumen" blizen. Immer mehr huschen aus den Büschen. Ich zude kaum mit den Augen. tommen fie bis auf fünfzehn Schritte heran. In jedem Winter

"

Da